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Schick und Schrill


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Schick und Schrill »Kleider machen Leute« lautet eine alte Spruchweisheit. Sie wirkt abgedroschen, bringt dennoch die Essenz der Mode auf den Punkt: Man kann der Mode nicht entrinnen. Egal, wie man sich kleidet. Jedwede Art der Umhüllung ist ein Bekenntnis. Ist Stellungnahme, ein Spiegel von Seele und Charakter. Das ist die Crux mit der Mode. Selbst der Finanzbeamte mit grauer Flanellhose und betont unmodischem graumeliert- kariertem Sakko, der bewusst versucht, jeglicher modischen Veränderung auszuweichen, gibt Aufschluss über sich. Unsere Kleidung ist stets Stellungnahme: Gegenüber der Gesellschaft, der Umwelt, unseren Gästen, dem Zeitgeist und der augenblicklichen Situation, zu der sie schließlich passen soll. So ist nachlässige Kleidung stets auch Nachlässigkeit dem anderen gegenüber: dem Gast oder dem Gesprächspartner. Letztlich natürlich gegenüber sich selbst. So aufschlussreich wie die Mode selbst sind deren Darstellungen. Modekarikaturen und Modezeichnungen von 1800 bis heute zeigt seit Ende August bis zum 11. Januar 2009 das Wilhelm-Busch-Museum Hannover. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen neue Moden und Extravaganzen. Diese sind ja immer Ausdruck und Symbol ihrer Zeit und entweder Bekenntnis oder Opposition. »Schick und Schrill«, so lautet der Titel der Schau, präsentiert 200 Zeichnungen. Sie werden in dem Katalog aus dem renommierten Hirmer Verlag dokumentiert. Wesentlich stärker als die Modephotographie, die in den Zeitschriften seit etwa 100 Jahren die Zeichnung als Dokumentation der neuen Kreationen verdrängt hat, sind letztere immer auch Interpretationen. Der Künstler versucht neben der reinen Darstellung eine Stellungnahme. Dies scheint der besondere Reiz von Ausstellung und Bildband zu sein. Die Mode ist der eine Spiegel ihrer Zeit. Deren gezeichnetes Porträt ist die zweite Stufe der Perzeption des jeweiligen Zeitgeistes. Gisela Vetter-Liebenow, die die Ausstellung konzipierte, schreibt in der Einleitung des Ausstellungskataloges, die Modezeichnung liefere kein genaues Abbild, sondern gebe ein unbestimmtes Versprechen. Sie vermittle eine Ahnung des Modisch-Gewollten. Das mag der Grund für ihre Renaissance sein, die sie seit einigen Jahren erlebt. Schau und Katalog dokumentieren das angefangen vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur aktuellen Gegenwart mit Werken des 1961 geborenen Franςois Berthoud und von Aurore de la Morinerie (geboren 1962). Die Bedeutung der Kleidung reicht in tiefe Gründe. An ihr lässt sich kulturhistorisch der ganze Facettenreichtum einer Epoche ablesen. So sind Modehistoriker eigentlich nichts anderes als Neuzeit-Archäologen. Walter Benjamin hat die Mode darüber hinaus als Vorzeichen des da Kommenden gesehen, quasi als Ankündigung: »Jede Saison bringt mit ihren neuesten Kreationen irgendwelche geheimen Flaggensignale der kommenden Dinge. Wer sie zu lesen verstünde, der wüßte im voraus nicht nur um neue Strömungen der Kunst, sondern um neue Gesetzbücher, Kriege und Revolutionen.« Der Berliner Kulturphilosoph sah darin Segen und Fluch zugleich und schrieb weiter: »Zweifellos liegt hierin der größte Reiz der Mode, aber auch die Schwierigkeit, ihn fruchtbar zu machen.« Der mondäne Katalog aus dem Hirmer Verlag macht Lust auf mehr. Das 1700 Gramm schwere, aufwendig verarbeitete Buch ist ein Augenschmaus für jeden an Mode Interessierten. Mit 45 Farbtafeln und 127 Abbildungen in Farbe präsentiert das Katalogbuch den vollständigen Querschnitt der Ausstellung: die Phantasie der Createurs vom immer wieder anderer Mode – und die Vorstellungen und Hoffnungen, die Künstler-Interpretatoren mit ihr verbinden. Drei kurz-prägnante Einführungstexte umrunden das pittoreske Thema: die Mode und ihre künstlerische und karikatureske Darstellung. So wird aus dem Katalogbuch eine Einladung zum Weiterträumen. Weiterträumen des Kommenden oder vielleicht sogar einer neuen Interpretation von sich selbst.

»Kleider machen Leute« lautet eine alte Spruchweisheit. Sie wirkt abgedroschen, bringt dennoch die Essenz der Mode auf den Punkt: Man kann der Mode nicht entrinnen. Egal, wie man sich kleidet. Jedwede Art der Umhüllung ist ein Bekenntnis. Ist Stellungnahme, ein Spiegel von Seele und Charakter.

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Das ist die Crux mit der Mode. Selbst der Finanzbeamte mit grauer Flanellhose und betont unmodischem graumeliert- kariertem Sakko, der bewusst versucht, jeglicher modischen Veränderung auszuweichen, gibt Aufschluss über sich. Unsere Kleidung ist stets Stellungnahme: Gegenüber der Gesellschaft, der Umwelt, unseren Gästen, dem Zeitgeist und der augenblicklichen Situation, zu der sie schließlich passen soll. So ist nachlässige Kleidung stets auch Nachlässigkeit dem anderen gegenüber: dem Gast oder dem Gesprächspartner. Letztlich natürlich gegenüber sich selbst.

So aufschlussreich wie die Mode selbst sind deren Darstellungen. Modekarikaturen und Modezeichnungen von 1800 bis heute zeigt seit Ende August bis zum 11. Januar 2009 das Wilhelm-Busch-Museum Hannover. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen neue Moden und Extravaganzen. Diese sind ja immer Ausdruck und Symbol ihrer Zeit und entweder Bekenntnis oder Opposition. »Schick und Schrill«, so lautet der Titel der Schau, präsentiert 200 Zeichnungen. Sie werden in dem Katalog aus dem renommierten Hirmer Verlag dokumentiert.

Wesentlich stärker als die Modephotographie, die in den Zeitschriften seit etwa 100 Jahren die Zeichnung als Dokumentation der neuen Kreationen verdrängt hat, sind letztere immer auch Interpretationen. Der Künstler versucht neben der reinen Darstellung eine Stellungnahme. Dies scheint der besondere Reiz von Ausstellung und Bildband zu sein. Die Mode ist der eine Spiegel ihrer Zeit. Deren gezeichnetes Porträt ist die zweite Stufe der Perzeption des jeweiligen Zeitgeistes.

Gisela Vetter-Liebenow, die die Ausstellung konzipierte, schreibt in der Einleitung des Ausstellungskataloges, die Modezeichnung liefere kein genaues Abbild, sondern gebe ein unbestimmtes Versprechen. Sie vermittle eine Ahnung des Modisch-Gewollten. Das mag der Grund für ihre Renaissance sein, die sie seit einigen Jahren erlebt. Schau und Katalog dokumentieren das angefangen vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur aktuellen Gegenwart mit Werken des 1961 geborenen Franςois Berthoud und von Aurore de la Morinerie (geboren 1962).

Die Bedeutung der Kleidung reicht in tiefe Gründe. An ihr lässt sich kulturhistorisch der ganze Facettenreichtum einer Epoche ablesen. So sind Modehistoriker eigentlich nichts anderes als Neuzeit-Archäologen. Walter Benjamin hat die Mode darüber hinaus als Vorzeichen des da Kommenden gesehen, quasi als Ankündigung: »Jede Saison bringt mit ihren neuesten Kreationen irgendwelche geheimen Flaggensignale der kommenden Dinge. Wer sie zu lesen verstünde, der wüßte im voraus nicht nur um neue Strömungen der Kunst, sondern um neue Gesetzbücher, Kriege und Revolutionen.« Der Berliner Kulturphilosoph sah darin Segen und Fluch zugleich und schrieb weiter: »Zweifellos liegt hierin der größte Reiz der Mode, aber auch die Schwierigkeit, ihn fruchtbar zu machen.«

Der mondäne Katalog aus dem Hirmer Verlag macht Lust auf mehr. Das 1700 Gramm schwere, aufwendig verarbeitete Buch ist ein Augenschmaus für jeden an Mode Interessierten. Mit 45 Farbtafeln und 127 Abbildungen in Farbe präsentiert das Katalogbuch den vollständigen Querschnitt der Ausstellung: die Phantasie der Createurs vom immer wieder anderer Mode – und die Vorstellungen und Hoffnungen, die Künstler-Interpretatoren mit ihr verbinden. Drei kurz-prägnante Einführungstexte umrunden das pittoreske Thema: die Mode und ihre künstlerische und karikatureske Darstellung.

So wird aus dem Katalogbuch eine Einladung zum Weiterträumen. Weiterträumen des Kommenden oder vielleicht sogar einer neuen Interpretation von sich selbst.

geschrieben am 09.09.2008 | 538 Wörter | 3337 Zeichen

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