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Armageddon TV


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Informationen zum Buch
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Rezension von

Antje Jürgens

Armageddon TV Mein SuB, der seit 2011 irgendwie mit Hefeteig verwandt zu sein scheint, wenn ich die Ausmaße bedenke, die er mittlerweile angenommen hat, unterteilt sich in verschiedenen Kategorien. Die eine beinhaltet Bücher, die nur kurz darauf abgelegt und dann gelesen werden. Eine zweite solche, die quasi auf den richtigen Lesetag warten, weil sie mich nicht 100%ig ansprechen. In der dritten landen dann jene, die ich über mehrere Tage verteilt lesen muss, weil eventuelle Schockmomente und Gewaltszenen oder bisweilen ermüdende Erklärungen zu sehr ausufern. Es gibt noch eine vierte, die Bücher beinhaltet, die ich unbedingt noch einmal lesen muss. Dann gibt es noch jene Bücher, die es irgendwie schaffen, sich aus all diesen Bereichen meines SuBs herauszumogeln, hin und her zu wandern, oder - schlimmer noch - womöglich hinter den SuB und damit das Regal rutschen. Eins dieser Bücher ist "Armageddon TV" von Christian van Aster, dessen zweite überarbeitete Auflage bereits im März 2011 von periplaneta herausgegeben wurde (die Originalausgabe erschien bereits 2004 im Eigenverlag). Ich kann mich noch dunkel erinnern, dass es sich anfangs in der zweiten oder dritten Kategorie befand. Jedenfalls habe ich es gestern zufällig wiederentdeckt und siehe da, es war der richtige Lesetag dafür. Bevor ich damit angefangen konnte, sprach mich jemand auf meinen in seinen Augen abartig hohen Bücherkonsum an. Ich habe etwas in der Art erwidert, dass ich kein Fernsehgerät besitze, worauf ich zu hören bekam, dass das ja noch abartiger sei. Meine Erwiderung, dass angesichts des Fernsehprogramms quer durch alle Sender die Frage nach eventuellen Abartigkeiten vielleicht neu überdacht werden müsse, wurde achselzuckend abgetan. Auch ohne Fernseher kann man sich bedauerlicherweise Sendungen nicht gänzlich verschließen, die davon leben, andere lächerlich zu machen oder sie zu absonderlich anmutenden Taten anzustacheln. Ich war völlig geschockt, als ich mitbekommen habe, wer sich für so ‚hochgeistige‘ Sendeformate wie Big Brother oder das Dschungel-Camp oder diverse Casting-Dauerbrenner begeistert. Kein Wunder, dass Kinder und jugendliche heutzutage in Gruppen über (in ihren Augen) Schwächere herfallen, lernen sie in solchen Sendungen doch schon recht früh, wie angebliche Vorbilder sich Aasgeier-ähnlich verhalten und um der Einschaltquoten willen auf dafür prädestinierte Opfer einhacken. Wo das Selbstwertgefühl herkommen soll, wenn sie so mitbekommen, wie sehr manche Leute bereit sind, sich für wenige Momente im Rampenlicht zu erniedrigen, ist mir schleierhaft. Viele Erwachsene sind auch nicht besser und zwar nicht nur, weil sie die teils mehr als ätzenden Bemerkungen mancher 5-Minuten-Berühmtheiten oder Jury-Mitglieder cool finden, auch weil sie mit teils infantiler Begeisterung nacheifern, was sie sehen oder hören. Ich gebe gerne zu, dass meiner Lesewut nicht nur hochgeistige Literatur oder wissenschaftliche Abhandlungen zum Opfer fallen, aber ich lese lieber auch noch den trivialsten Heftroman und lasse mich notfalls auch als abartig titulieren, bevor ich mir so etwas antue. Warum ich das schreibe? Nun, in Armageddon TV geht es nicht um Außerirdische, wie der eine oder andere jetzt vielleicht angesichts des Genres vermutet. Die Geschichte spielt ganz normal hier auf der Erde, handelt von ganz normalen Menschen (meiner Ansicht zwar nicht unbedingt geistig normal, sondern einfach der Spezies Mensch angehörend). Und irgendwie von dem, was ich gerade erwähnt habe. Von Aster bietet seinen LeserInnen eine Lektüre, die pechschwarz satirisch für Schluckbeschwerden sorgt. Einen dystopischen Einblick in eine Fernsehlandschaft, die die oben erwähnten Sendeformate noch weiter pervertiert. Überaus gewinnbringend vermarktet das Medienimperium POE-Network eine Sendung, für die sie Sportler anwirbt. Klingt jetzt erst mal harmlos, ist es jedoch nicht. Neben dem Imperium selbst, verdienen sich Pharmaindustrie und Marketingunternehmen eine goldene Nase, nicht zu vergessen die Rüstungsindustrie. Ihre Produkte werden publikumswirksam bei Wettkämpfen eingesetzt, in der die Sportler eigentlich nur die gegnerische Fahne erobern müssen. Da dabei jedoch nicht mit Platzpatronen geschossen wird und sogar Panzer zum Einsatz kommen, werden die Zuschauer blutig unterhalten und Verluste kühl mit einkalkuliert. Moral war gestern, heute kann man bei Armageddon TV Chips knabbernd vom Sofa aus verfolgen, wie die um ihr Überleben kämpfenden Sportidole weggeputzt werden. Und ähnlich wie bei Unfällen, werden die Blicke unwillkürlich auf bestimmte Dinge gelenkt. Man fühlt sich geschockt, angewidert (etwa vom Sendeformat im Buch) und gleichzeitig ist alles so schrecklich, dass man kaum wegsehen geschweige denn nicht weiterlesen kann. Fazit: Bleibt zu hoffen, dass die bitterböse, medienkritische Vision des Autors nicht irgendwann Nachahmer findet. Wirkliche Unterhaltung sieht irgendwie anders aus. Denn auch wenn van Aster alles gleichermaßen zielsicher, bitterböse und überspitzt darstellt, zeigt die Realität, dass wir grundsätzlich gar nicht so weit entfernt davon sind. Während ich las, dachte ich beständig an die vorab genannten Sendungen, in denen nicht nur von Senderseite um der der Einschaltquote willen, sondern auch von Teilnehmerseite um des Geldes willen so vieles getan wird, was der gesunde Menschenverstand nicht begreifen will. Die Manipulationsfähigkeit mancher Leute trägt sich nur, wenn andere sich manipulieren lassen. Beide Seiten beleuchtet von Aster in seinem dystopischen Roman, mal lenkt er den Fokus auf die Sportler, mal auf die Strippenzieher hinter den Kulissen. Dabei hält er die vordergründig brutalen Beschreibungen der blutigen Wettkämpfe auf einem relativ erträglichen Maß. Er streut Intrigen und Machtspielchen ein, steuert auf den Schlusskampf im Armageddon Dome zu. Das alles nicht unbedingt in einem rasanten Tempo, aber trotzdem schockierend. Für alle, die Geschichten mögen, die sich etwas abseits des Mainstream-Geschmacks tummeln. 2012, Antje Jürgens (AJ)

Mein SuB, der seit 2011 irgendwie mit Hefeteig verwandt zu sein scheint, wenn ich die Ausmaße bedenke, die er mittlerweile angenommen hat, unterteilt sich in verschiedenen Kategorien. Die eine beinhaltet Bücher, die nur kurz darauf abgelegt und dann gelesen werden. Eine zweite solche, die quasi auf den richtigen Lesetag warten, weil sie mich nicht 100%ig ansprechen. In der dritten landen dann jene, die ich über mehrere Tage verteilt lesen muss, weil eventuelle Schockmomente und Gewaltszenen oder bisweilen ermüdende Erklärungen zu sehr ausufern. Es gibt noch eine vierte, die Bücher beinhaltet, die ich unbedingt noch einmal lesen muss. Dann gibt es noch jene Bücher, die es irgendwie schaffen, sich aus all diesen Bereichen meines SuBs herauszumogeln, hin und her zu wandern, oder - schlimmer noch - womöglich hinter den SuB und damit das Regal rutschen.

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Bevor ich damit angefangen konnte, sprach mich jemand auf meinen in seinen Augen abartig hohen Bücherkonsum an. Ich habe etwas in der Art erwidert, dass ich kein Fernsehgerät besitze, worauf ich zu hören bekam, dass das ja noch abartiger sei. Meine Erwiderung, dass angesichts des Fernsehprogramms quer durch alle Sender die Frage nach eventuellen Abartigkeiten vielleicht neu überdacht werden müsse, wurde achselzuckend abgetan.

Auch ohne Fernseher kann man sich bedauerlicherweise Sendungen nicht gänzlich verschließen, die davon leben, andere lächerlich zu machen oder sie zu absonderlich anmutenden Taten anzustacheln. Ich war völlig geschockt, als ich mitbekommen habe, wer sich für so ‚hochgeistige‘ Sendeformate wie Big Brother oder das Dschungel-Camp oder diverse Casting-Dauerbrenner begeistert. Kein Wunder, dass Kinder und jugendliche heutzutage in Gruppen über (in ihren Augen) Schwächere herfallen, lernen sie in solchen Sendungen doch schon recht früh, wie angebliche Vorbilder sich Aasgeier-ähnlich verhalten und um der Einschaltquoten willen auf dafür prädestinierte Opfer einhacken. Wo das Selbstwertgefühl herkommen soll, wenn sie so mitbekommen, wie sehr manche Leute bereit sind, sich für wenige Momente im Rampenlicht zu erniedrigen, ist mir schleierhaft. Viele Erwachsene sind auch nicht besser und zwar nicht nur, weil sie die teils mehr als ätzenden Bemerkungen mancher 5-Minuten-Berühmtheiten oder Jury-Mitglieder cool finden, auch weil sie mit teils infantiler Begeisterung nacheifern, was sie sehen oder hören. Ich gebe gerne zu, dass meiner Lesewut nicht nur hochgeistige Literatur oder wissenschaftliche Abhandlungen zum Opfer fallen, aber ich lese lieber auch noch den trivialsten Heftroman und lasse mich notfalls auch als abartig titulieren, bevor ich mir so etwas antue.

Warum ich das schreibe? Nun, in Armageddon TV geht es nicht um Außerirdische, wie der eine oder andere jetzt vielleicht angesichts des Genres vermutet. Die Geschichte spielt ganz normal hier auf der Erde, handelt von ganz normalen Menschen (meiner Ansicht zwar nicht unbedingt geistig normal, sondern einfach der Spezies Mensch angehörend). Und irgendwie von dem, was ich gerade erwähnt habe. Von Aster bietet seinen LeserInnen eine Lektüre, die pechschwarz satirisch für Schluckbeschwerden sorgt. Einen dystopischen Einblick in eine Fernsehlandschaft, die die oben erwähnten Sendeformate noch weiter pervertiert.

Überaus gewinnbringend vermarktet das Medienimperium POE-Network eine Sendung, für die sie Sportler anwirbt. Klingt jetzt erst mal harmlos, ist es jedoch nicht. Neben dem Imperium selbst, verdienen sich Pharmaindustrie und Marketingunternehmen eine goldene Nase, nicht zu vergessen die Rüstungsindustrie. Ihre Produkte werden publikumswirksam bei Wettkämpfen eingesetzt, in der die Sportler eigentlich nur die gegnerische Fahne erobern müssen. Da dabei jedoch nicht mit Platzpatronen geschossen wird und sogar Panzer zum Einsatz kommen, werden die Zuschauer blutig unterhalten und Verluste kühl mit einkalkuliert. Moral war gestern, heute kann man bei Armageddon TV Chips knabbernd vom Sofa aus verfolgen, wie die um ihr Überleben kämpfenden Sportidole weggeputzt werden.

Und ähnlich wie bei Unfällen, werden die Blicke unwillkürlich auf bestimmte Dinge gelenkt. Man fühlt sich geschockt, angewidert (etwa vom Sendeformat im Buch) und gleichzeitig ist alles so schrecklich, dass man kaum wegsehen geschweige denn nicht weiterlesen kann.

Fazit:

Bleibt zu hoffen, dass die bitterböse, medienkritische Vision des Autors nicht irgendwann Nachahmer findet. Wirkliche Unterhaltung sieht irgendwie anders aus. Denn auch wenn van Aster alles gleichermaßen zielsicher, bitterböse und überspitzt darstellt, zeigt die Realität, dass wir grundsätzlich gar nicht so weit entfernt davon sind. Während ich las, dachte ich beständig an die vorab genannten Sendungen, in denen nicht nur von Senderseite um der der Einschaltquote willen, sondern auch von Teilnehmerseite um des Geldes willen so vieles getan wird, was der gesunde Menschenverstand nicht begreifen will. Die Manipulationsfähigkeit mancher Leute trägt sich nur, wenn andere sich manipulieren lassen. Beide Seiten beleuchtet von Aster in seinem dystopischen Roman, mal lenkt er den Fokus auf die Sportler, mal auf die Strippenzieher hinter den Kulissen. Dabei hält er die vordergründig brutalen Beschreibungen der blutigen Wettkämpfe auf einem relativ erträglichen Maß. Er streut Intrigen und Machtspielchen ein, steuert auf den Schlusskampf im Armageddon Dome zu. Das alles nicht unbedingt in einem rasanten Tempo, aber trotzdem schockierend. Für alle, die Geschichten mögen, die sich etwas abseits des Mainstream-Geschmacks tummeln.

2012, Antje Jürgens (AJ)

geschrieben am 21.11.2012 | 858 Wörter | 5148 Zeichen

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