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Der Outsider


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Rezension von

Thomas Stumpf

Der Outsider Mit „Der Outsider“ legt Stephen King einen hervorragenden Roman zur aktuellen Lage der USA vor. Kurz zum überschaubaren Kerngeschehen. In der von der Wirtschaftskrise gebeutelten, fiktiven Stadt Flint City wird der allseits bekannte und sehr beliebte Jugendbaseballtrainer Terry Maitland von der Polizei öffentlich auf dem Baseballplatz während eines Spiels festgenommen, vor den Augen zahlreicher Besucher, sowie seiner anwesenden Ehefrau und beiden Töchter. Der Vorwurf ist heftig: Er soll einen kleinen Jungen brutal vergewaltigt und ermordet haben. Augenzeugen haben ihn gesehen, seine DNS und Fingerabdrücke fanden sich an der Leiche. King spart dabei nicht an grausamen Details. Die Festnahme erfolgt in aller Öffentlichkeit ohne vorherige Anhörung des Beschuldigten und ohne dass wirklich alle Tatsachen ausermittelt sind. Schnell ergreifen die Bürger von Flint City Partei gegen Terry Maitland, freilich ohne hinreichende Kenntnis von Fakten. Die wenigen und unzureichenden Informationen führen beinahe umgehend zu Vorurteilen und schließlich zu offenem Hass, auch gegen Maitlands Ehefrau und Kinder. Der Mob rottet sich zusammen, denn man ist überzeugt, dass Terry Maitland ein Monster ist und seine Frau natürlich irgendetwas geahnt haben muss. Und dass Überzeugungen der größere Feind der Wahrheit sind als Lügen, hat Friedrich Nietzsche schon sehr treffend formuliert. Denn Lügen kann man aufdecken und entlarven, gegen Überzeugungen ist aber nur schwer anzukämpfen. Tatsächlich sprechen dann die Fakten schon bald eine andere Sprache. Es tauchen valide Spuren auf - Fingerabdrücke, DNS - die beweisen, dass Maitland zum Tatzeitpunkt überhaupt nicht in der Stadt war, sondern weit entfernt auf einer Lesereise mit Lehrerkollegen. Zahlreiche weitere Augenzeugen bestätigen das. Es ist aber nicht möglich, dass sich eine Person zeitgleich an zwei Orten aufhalten kann. Detective Ralp Anderson steht vor einem Rätsel, doch ihm schwant, dass die voreilige Verhaftung Maitlands vor der ganzen Stadt sich als schrecklicher Fehler entpuppen könnte. Er wendet sich an die Agentur „Finders Keepers“, die wir bereits aus der Mr. Mercedes-Trilogie kennen. Die schräge, aber sympathische Holly Gibney ermittelt diesmal alleine an der Seite von Anderson. Gemeinsam stoßen sie auf eine übernatürliche Kreatur, den Outsider, der Gestalt und Gesicht von anderen Personen annehmen kann und sich vom Leid anderer, bevorzugt Kinder, ernährt. Gemeinsam geht man auf die Jagd und versucht zugleich, die Reputation eines Unschuldigen wiederherzustellen. So viel zur Handlung. Wie schreibt man einen politischen Roman ohne über Politik zu schreiben? King macht genau das, und zwar sehr subtil. Die Geschichte beginnt als knallharter Kriminalfall, dem dann ein übernatürliches Element hinzugefügt wird - der unheimliche Outsider. Storymäßig benötigt man diesen Kniff, um das Rätsel zu lösen, dass sich eben niemand an zwei Orten zugleich aufhalten kann. Übertragen will King damit aber wohl etwas anderes vorführen: Die aktuelle gesellschaftliche Lage in den USA unter der Präsidentschaft Trump kann man sich mit gesundem Menschenverstand einfach nicht mehr erklären. Wer Stephen King auf Twitter folgt, weiß, was für ein scharfzüngiger und erbitterter Kritiker der Trump-Administration er ist. Und Donald Trump steckt überall in dem Buch, behutsam platziert auf heruntergekommenen Wahlplakaten, auf rostigen Stoßstangenaufklebern, vor allem aber in den Köpfen der agierenden Figuren. Wen interessieren bei komplexen Sachverhalten schon all die lästigen Fakten, wenn es so viel leichter ist, eine auf dem Silbertablett servierte einfache Antwort anzunehmen? Vor allem, wenn sie aggressiv von höchster Stelle als unumstößlich und alternativlos an den Mann gebracht wird. Wie bereits in Sleeping Beauties spielen Fake News hier eine noch wichtigere Rolle. Rufmord? Gängige politische Praxis, die von Teilen der Gesellschaft aufgegriffen und fortgeführt wird. Es dürfte zudem kaum ein Zufall sein, dass der unheimliche Outsider ausgerechnet gerade mexikanische Gesichtszüge trägt, denn die Bedrohung der amerikanischen Gesellschaft kann ja offensichtlich nur durch das Fremde jenseits der Staatsgrenze kommen, an der Donald Trump eine Mauer errichten möchte. Die Folge sind Unruhen im Inneren, hier dargestellt in Form des Lynchmobs, der sich gegen Terry Maitland richtet. Ganz zu Beginn des Romans, wenn die Leiche des Jungen gefunden wird, stehen zwei schwarze Jungs nicht weit entfernt und beobachten das Ganze. Als die Polizei anrückt, tun sie genau das, was ihr Instinkt ihnen rät: Sie machen sich vom Acker. Als Schwarzer auch nur in der Nähe eines Kriminaltatorts aufgegriffen zu werden, insbesondere, wenn das Opfer weiß ist, kann in den USA auch mal tödlich enden. King fängt das aktuelle Klima seiner Heimat kompromisslos, quasi im Vorbeigehen ein und legt die Risse offen, die durch die Gesellschaft, teilweise mitten durch Familien gehen. Wie zuletzt mit Sleeping Beauties agiert King direkt am Puls der Zeit, wobei - meiner Meinung nach - Der Outsider der bessere Roman ist, was vor allem an den gelungeneren, hervorragend ausgearbeiteten Figuren liegt und weil er mit weniger märchenhafter, phantastischer Verklärung auskommt und noch dazu kürzer ausgefallen ist. Einen klitzekleinen Schönheitsfehler macht für mich das Ende aus, da hätte ich mir ein wenig mehr erwartet, oder, um genauer zu sein, etwas anderes. Ich möchte nicht verraten, weshalb, denn das würde zu einem Spoiler führen. Wer aber Mr. Mercedes gelesen hat, wird die Duplizität der Ereignisse sofort erkennen. Aber letztlich ist das das einzige (kleine) Manko und Jammern auf hohem Niveau. Dem starken Auftritt des Romans insgesamt schadet es nicht, ich habe nur nicht verstanden, wieso diese Lösung gewählt wurde. Insgesamt ein starkes Buch mit tollen, natürlichen Figuren, einer sehr interessanten Geschichte und heftiger, aber subtiler Kritik am Status Quo der USA. Lesenswert.

Mit „Der Outsider“ legt Stephen King einen hervorragenden Roman zur aktuellen Lage der USA vor. Kurz zum überschaubaren Kerngeschehen. In der von der Wirtschaftskrise gebeutelten, fiktiven Stadt Flint City wird der allseits bekannte und sehr beliebte Jugendbaseballtrainer Terry Maitland von der Polizei öffentlich auf dem Baseballplatz während eines Spiels festgenommen, vor den Augen zahlreicher Besucher, sowie seiner anwesenden Ehefrau und beiden Töchter. Der Vorwurf ist heftig: Er soll einen kleinen Jungen brutal vergewaltigt und ermordet haben. Augenzeugen haben ihn gesehen, seine DNS und Fingerabdrücke fanden sich an der Leiche. King spart dabei nicht an grausamen Details. Die Festnahme erfolgt in aller Öffentlichkeit ohne vorherige Anhörung des Beschuldigten und ohne dass wirklich alle Tatsachen ausermittelt sind.

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Schnell ergreifen die Bürger von Flint City Partei gegen Terry Maitland, freilich ohne hinreichende Kenntnis von Fakten. Die wenigen und unzureichenden Informationen führen beinahe umgehend zu Vorurteilen und schließlich zu offenem Hass, auch gegen Maitlands Ehefrau und Kinder. Der Mob rottet sich zusammen, denn man ist überzeugt, dass Terry Maitland ein Monster ist und seine Frau natürlich irgendetwas geahnt haben muss. Und dass Überzeugungen der größere Feind der Wahrheit sind als Lügen, hat Friedrich Nietzsche schon sehr treffend formuliert. Denn Lügen kann man aufdecken und entlarven, gegen Überzeugungen ist aber nur schwer anzukämpfen.

Tatsächlich sprechen dann die Fakten schon bald eine andere Sprache. Es tauchen valide Spuren auf - Fingerabdrücke, DNS - die beweisen, dass Maitland zum Tatzeitpunkt überhaupt nicht in der Stadt war, sondern weit entfernt auf einer Lesereise mit Lehrerkollegen. Zahlreiche weitere Augenzeugen bestätigen das. Es ist aber nicht möglich, dass sich eine Person zeitgleich an zwei Orten aufhalten kann. Detective Ralp Anderson steht vor einem Rätsel, doch ihm schwant, dass die voreilige Verhaftung Maitlands vor der ganzen Stadt sich als schrecklicher Fehler entpuppen könnte. Er wendet sich an die Agentur „Finders Keepers“, die wir bereits aus der Mr. Mercedes-Trilogie kennen. Die schräge, aber sympathische Holly Gibney ermittelt diesmal alleine an der Seite von Anderson. Gemeinsam stoßen sie auf eine übernatürliche Kreatur, den Outsider, der Gestalt und Gesicht von anderen Personen annehmen kann und sich vom Leid anderer, bevorzugt Kinder, ernährt. Gemeinsam geht man auf die Jagd und versucht zugleich, die Reputation eines Unschuldigen wiederherzustellen. So viel zur Handlung.

Wie schreibt man einen politischen Roman ohne über Politik zu schreiben? King macht genau das, und zwar sehr subtil. Die Geschichte beginnt als knallharter Kriminalfall, dem dann ein übernatürliches Element hinzugefügt wird - der unheimliche Outsider. Storymäßig benötigt man diesen Kniff, um das Rätsel zu lösen, dass sich eben niemand an zwei Orten zugleich aufhalten kann. Übertragen will King damit aber wohl etwas anderes vorführen: Die aktuelle gesellschaftliche Lage in den USA unter der Präsidentschaft Trump kann man sich mit gesundem Menschenverstand einfach nicht mehr erklären.

Wer Stephen King auf Twitter folgt, weiß, was für ein scharfzüngiger und erbitterter Kritiker der Trump-Administration er ist. Und Donald Trump steckt überall in dem Buch, behutsam platziert auf heruntergekommenen Wahlplakaten, auf rostigen Stoßstangenaufklebern, vor allem aber in den Köpfen der agierenden Figuren. Wen interessieren bei komplexen Sachverhalten schon all die lästigen Fakten, wenn es so viel leichter ist, eine auf dem Silbertablett servierte einfache Antwort anzunehmen? Vor allem, wenn sie aggressiv von höchster Stelle als unumstößlich und alternativlos an den Mann gebracht wird. Wie bereits in Sleeping Beauties spielen Fake News hier eine noch wichtigere Rolle. Rufmord? Gängige politische Praxis, die von Teilen der Gesellschaft aufgegriffen und fortgeführt wird.

Es dürfte zudem kaum ein Zufall sein, dass der unheimliche Outsider ausgerechnet gerade mexikanische Gesichtszüge trägt, denn die Bedrohung der amerikanischen Gesellschaft kann ja offensichtlich nur durch das Fremde jenseits der Staatsgrenze kommen, an der Donald Trump eine Mauer errichten möchte. Die Folge sind Unruhen im Inneren, hier dargestellt in Form des Lynchmobs, der sich gegen Terry Maitland richtet. Ganz zu Beginn des Romans, wenn die Leiche des Jungen gefunden wird, stehen zwei schwarze Jungs nicht weit entfernt und beobachten das Ganze. Als die Polizei anrückt, tun sie genau das, was ihr Instinkt ihnen rät: Sie machen sich vom Acker. Als Schwarzer auch nur in der Nähe eines Kriminaltatorts aufgegriffen zu werden, insbesondere, wenn das Opfer weiß ist, kann in den USA auch mal tödlich enden. King fängt das aktuelle Klima seiner Heimat kompromisslos, quasi im Vorbeigehen ein und legt die Risse offen, die durch die Gesellschaft, teilweise mitten durch Familien gehen. Wie zuletzt mit Sleeping Beauties agiert King direkt am Puls der Zeit, wobei - meiner Meinung nach - Der Outsider der bessere Roman ist, was vor allem an den gelungeneren, hervorragend ausgearbeiteten Figuren liegt und weil er mit weniger märchenhafter, phantastischer Verklärung auskommt und noch dazu kürzer ausgefallen ist.

Einen klitzekleinen Schönheitsfehler macht für mich das Ende aus, da hätte ich mir ein wenig mehr erwartet, oder, um genauer zu sein, etwas anderes. Ich möchte nicht verraten, weshalb, denn das würde zu einem Spoiler führen. Wer aber Mr. Mercedes gelesen hat, wird die Duplizität der Ereignisse sofort erkennen. Aber letztlich ist das das einzige (kleine) Manko und Jammern auf hohem Niveau. Dem starken Auftritt des Romans insgesamt schadet es nicht, ich habe nur nicht verstanden, wieso diese Lösung gewählt wurde.

Insgesamt ein starkes Buch mit tollen, natürlichen Figuren, einer sehr interessanten Geschichte und heftiger, aber subtiler Kritik am Status Quo der USA. Lesenswert.

geschrieben am 31.10.2018 | 862 Wörter | 5079 Zeichen

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