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Frauen, Flak und Fantasie


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Rezension von

Paul Niemeyer

Frauen, Flak und Fantasie Erstaunliches Buch. Helmut Kellerhoff erzählt die Geschichte seines alter Ego, Heinrich. Angefangen bei der Kindheit im Ruhrgebiet, weiter zur Schul- und Studiumszeit im süddeutschen Raum bis zur Niederlassung in Berlin; zeitlicher Rahmen: Mitte der 20er bis Ende der 60er Jahre. Heinrichs grundlegender Konflikt besteht in der Frage nach Identität: Bin ich Mediziner oder Künstler? Ein positives Ende nimmt diese Suche in Berlin. Kellerhof besticht durch einen ununterbrochen belangvollen Erzählstil, der auch über idiomatische Ausflüge ins Rheinische oder Bayerische charmant hinweghilft. Geschrieben in schnörkelloser Sprache, sind viele Passagen gespickt, besser überspickt mit ironisierenden Momenten, "und so gegen zwölf war samstags im Saal ganz schön was los. Alle merkten, dass der liebe Gott zwei Geschlechter erfunden hatte, und wenn man beim Tanzen mit entsprechendem Anfassen feststellte, dass die Körper doch sehr unterschiedlich waren, dann fragte man sich montags wirklich, warum man deswegen zur Beichte gehen sollte. Rein erkenntnis-theoretisch sozusagen. Aber Pastor Stracke würde das einem schon erklären, nur wenn er im Beichtstuhl zu diesem Thema fragte, allein oder mit anderen, dann merkte man eben, dass er wohl selten tanzen ging.". Heinrichs "Reaktion" auf die Nachricht des ausbrechenden Zweiten Weltkrieges: "Heinrich schwamm am 1. September 1939 im moorigen Waldsee und hörte im lautgestellten Radio des Seecafés den Führer schreiend verkünden: AB 5 UHR WIRD ZURÜCKGESCHOSSEN! Aha, die Polacken hatten also geschossen, um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu verhindern. Typisch, dachte Heinrich und zeigte dadurch Verständnis, weil er sich bei der Einschulung auch entschieden gegen die Veränderung seiner Lebensgewohnheiten schreiend gewehrt hatte, und wenn er einen Knallfrosch bei sich gehabt hätte, wäre der losgegangen und alle hätten sein Verhalten respektiert.". Leser, die nach "Bedeutendem" suchen, finden eine unwiderstehliche Darstellung Martin Heideggers, oder die innige Auseinandersetzung mit dem Bamberger Reiter, der "als kunsthistorische Konstante den Krieg überlebt hatte".

Erstaunliches Buch. Helmut Kellerhoff erzählt die Geschichte seines alter Ego, Heinrich. Angefangen bei der Kindheit im Ruhrgebiet, weiter zur Schul- und Studiumszeit im süddeutschen Raum bis zur Niederlassung in Berlin; zeitlicher Rahmen: Mitte der 20er bis Ende der 60er Jahre. Heinrichs grundlegender Konflikt besteht in der Frage nach Identität: Bin ich Mediziner oder Künstler? Ein positives Ende nimmt diese Suche in Berlin. Kellerhof besticht durch einen ununterbrochen belangvollen Erzählstil, der auch über idiomatische Ausflüge ins Rheinische oder Bayerische charmant hinweghilft. Geschrieben in schnörkelloser Sprache, sind viele Passagen gespickt, besser überspickt mit ironisierenden Momenten, "und so gegen zwölf war samstags im Saal ganz schön was los. Alle merkten, dass der liebe Gott zwei Geschlechter erfunden hatte, und wenn man beim Tanzen mit entsprechendem Anfassen feststellte, dass die Körper doch sehr unterschiedlich waren, dann fragte man sich montags wirklich, warum man deswegen zur Beichte gehen sollte. Rein erkenntnis-theoretisch sozusagen. Aber Pastor Stracke würde das einem schon erklären, nur wenn er im Beichtstuhl zu diesem Thema fragte, allein oder mit anderen, dann merkte man eben, dass er wohl selten tanzen ging.". Heinrichs "Reaktion" auf die Nachricht des ausbrechenden Zweiten Weltkrieges: "Heinrich schwamm am 1. September 1939 im moorigen Waldsee und hörte im lautgestellten Radio des Seecafés den Führer schreiend verkünden: AB 5 UHR WIRD ZURÜCKGESCHOSSEN! Aha, die Polacken hatten also geschossen, um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu verhindern. Typisch, dachte Heinrich und zeigte dadurch Verständnis, weil er sich bei der Einschulung auch entschieden gegen die Veränderung seiner Lebensgewohnheiten schreiend gewehrt hatte, und wenn er einen Knallfrosch bei sich gehabt hätte, wäre der losgegangen und alle hätten sein Verhalten respektiert.". Leser, die nach "Bedeutendem" suchen, finden eine unwiderstehliche Darstellung Martin Heideggers, oder die innige Auseinandersetzung mit dem Bamberger Reiter, der "als kunsthistorische Konstante den Krieg überlebt hatte".

geschrieben am 30.11.2003 | 293 Wörter | 1837 Zeichen

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