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Interview mit Hauke Janssen, Autor von Milton Friedman und die 'monetaristische Revolution' in Deutschland


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Hauke Janssen wurde am 14. 5. 1958 geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugend auf Helgoland. Er studierte Volkswirtschaftslehre und war 1986-1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg. Seit 1991 ist Janssen in der Dokumentation des SPIEGEL- Verlages tätig und seit 1998 ihr Leiter. Er veröffentlichte Bücher zu den Themen „Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in der dreißiger Jahren.“ „Russische Ökonomen in Deutschland (1910-1933)“ und schließlich das hier besprochene Buch „Milton Friedman und die 'monetaristische Revolution' in Deutschland.

Gérard Bökenkamp: Am 16. November diesen Jahres ist der liberale Ökonom und „Erfinder“ des Monetarismus Milton Friedman im Alter von 94 Jahren verstorben. Sie beschreiben in ihrem Buch die Entwicklung seiner Theorie und seine Rezeption in Deutschland. Wird uns Friedman Ihrer Meinung nach in erster Linie als Geldtheoretiker oder als liberaler Denker in Erinnerung bleiben?

Hauke Janssen: Als Wirtschaftstheoretiker, nicht nur als Geldtheoretiker. Seine Bedeutung als liberaler Denker schätze ich etwa im Vergleich zu Hayek als nicht so hoch ein. Auch wenn er große politische Wirkung etwa auf Ronald Reagan und Margaret Thatcher hatte. Friedmans späterer Chicagoer Kollege Friedrich von Hayek übte zweifellos einen nachhaltigen Einfluss auf das polit-ökonomische Denken Friedmans aus, wenn auch dessen Hang zu tiefsinnigen Ausführungen dem eher pragmatischen und auf breite Wirkung bedachten Friedman fremd blieb. So pries Friedman vor allem Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“, die „Verfassung der Freiheit“ behandelte er meines Wissens nicht. Friedmans eigene Reflexionen zum Freiheitsbegriff sind, wenn man sie mit denen eines Friedrich August von Hayek vergleicht, nicht gerade tief schürfend.

Gérard Bökenkamp: Ihr Buch ist in der Reihe „Beiträge zur Geschichte der deutschsprachigen Ökonomie erschienen. Welchen Platz nimmt Friedmann in dieser Geschichte ein. Lässt er sich in deutsche wirtschaftsliberale Denktraditionen einordnen oder stellte sein Denken einen völlig neuen Ansatz in der „Geschichte der deutschsprachigen Ökonomie“ dar?

Hauke Janssen: In meinem Buch versuche ich zu zeigen, worin sich der Wirtschaftsliberalismus eines Milton Friedman von dem damals in der deutschen politischen Ökonomie vorherrschenden Ansatz Walter Euckens unterscheidet. Während Friedman im Staat, im Staatsversagen, den letzten Grund der Wirtschaftskrisen ausmacht, bildet ein starker Staat die Voraussetzung des Euckenschen Ordnungsdenkens und damit der Stabilität eines freiheitlichen Wirtschaftssystems. Nach Euckens Meinung hatte sich erwiesen, dass die Gewährung von Freiheit eine Gefahr für die Freiheit werden kann, wenn sie die Bildung privater Macht ermöglicht. Insbesondere wenn die Wirtschaftsakteure danach trachten, lästigen Wettbewerb auszuschalten. Deshalb sollte ein starker Staat die Spielregeln der Wirtschaft garantieren. In diesem Punkt gab es Differenzen zu Friedman, der die Gefahren der Monopole zwar sah, sie praktisch aber für geringfügiger hielt, als die, die von staatlichen Regelungsversuchen ausgingen. Seiner Meinung nach erfüllt die freie Wirtschaft ihre Aufgaben im Prinzip gut.

Gérard Bökenkamp: Der Monetarismus erreichte in der deutschen Wirtschaftswissenschaft seinen Durchbruch zeitgleich mit der linken Studentenrevolte 1967/68. In den Sozialwissenschaften wurde zu dieser Zeit der Marxismus wieder entdeckt und der Kapitalismus in Frage gestellt. Wie ist es erklärbar, dass ein radikalliberaler Denker wie Friedman wider den allgemeinen gesellschaftlichen Trend so schnell so großen Einfluss in der Bundesrepublik gewinnen konnte?

Hauke Janssen: Meine Arbeit über Milton Friedman und die „monetaristische Revolution“ in Deutschland ist ihrem Wesen nach theoriegeschichtlich und nicht politikwissenschaftlich, deshalb kann und will ich die Frage nach den sozio- bzw. politikökonomischen Hintergründen der Revolution nicht befriedigend beantworten. Ich glaube, Friedmans Lehren haben den Kritikern der sozialliberalen Gesellschaftsvisionen und der links orientierten Studenten- und Intellektuellenbewegung eine ökonomisch-wissenschaftliche Begründung geliefert auf der Basis der altehrwürdigen Tradition der Quantitätstheorie und Adam Smith und zwar für die Umkehr in der Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik, die diese Kritiker, darunter viele Unternehmer, Wirtschaftsfunktionäre und konservative Politiker, ohnehin wollten. Es ist politisch gesehen natürlich nicht so, dass Friedmans Lehre den Grund für die „konservative Konterrevolution“ abgegeben hätte. Politisch gesehen war sie bloß Mittel zum Zweck, also Ideologie, was allerdings ökonomisch gesehen nichts über die Richtigkeit seiner Geldlehre aussagt. Gerade weil die Zeichen auf rot standen, steigerte sich das Begehren nach einer neuen leistungsfähigen politischen Ökonomie. Nach dem Fall von Bretton Woods, bei steigender Inflation und wachsender Arbeitslosigkeit, eine Situation, die den Keynsianismus zunehmend diskreditierte, bot Friedmans Lehre alles, was in dieser Lage der Fortbestand einer freien Gesellschaft und freien Marktwirtschaft erforderte, deshalb nahm man sie; andernfalls hätte sie, ganz unabhängig von ihrem zeitlosen ökonomischen Wahrheitsgehalt möglicher Weise gar keine Wirkung entfaltet.

Gérard Bökenkamp: Die Bundesbank übernahm 1974 den monetaristischen Ansatz und begann Geldmengenziele festzulegen. Ist der Rückgang der Inflation und die Stabilität der DM Ihrer Ansicht nach auch auf diesen Umstand zurückzuführen? Oder allgemeiner gefragt, haben wir Deutschen ökonomisch von der „monetaristischen Revolution“ profitiert?

Hauke Janssen: Zum ersten Teil der Frage: Ja, das ist meines Erachtens der Fall, auch wenn die formulierten Geldmengenziele oft nicht getroffen wurden. Ob aber die Deutschen am Ende von dem wirtschaftspolitischen Primat der Preisstabilität nur profitiert haben, bleibt bis heute umstritten. Eine Keynesianer etwa würde auf die bis zu 5 Millionen Arbeitslosen verweisen und einen Teil von ihnen als Opfer des Monetarismus bezeichnen. Wenn aber einige Teile von Wirtschaft und Gesellschaft von einer Politik profitieren und andere darunter leiden, kann der Wirtschaftswissenschaftler nicht entscheiden, ob es insgesamt besser ist oder nicht. Er kann bestenfalls erklären, ob eine Maßnahme z. B. das Sozialprodukt steigert oder nicht, ob aber Wachstum oder Verteilungsgerechtigkeit primäres Ziel der Politik sein sollten, bleibt nach Max Weber eine Frage von Ethik und Gesinnung.

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