ISBN | 3472075163 | |
Autoren | Günter Prechtel , Rainer Oberheim | |
Verlag | Luchterhand | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 921 | |
Erscheinungsjahr | 2009 | |
Extras | - |
Nur drei Jahre nach der letzten erfolgreichen Neuauflage des Werks von Prechtel kommt die vierte Auflage mit neuem Design und neuem Autor auf den Buchmarkt. Die Übernahme der Autorenschaft durch Oberheim ist gerade für Referendare ein Gewinn, hat dieser doch durch sein Lehrbuch zum Zivilprozessrecht Maßstäbe für die Referendarausbildung gesetzt. In diesem Werk wird der forensisch tätige Rechtsanwalt in den Mittelpunkt des Interesses und damit der Darstellung gebracht und so sollte die immer häufiger anzutreffende Klausuranforderung, eine für den Mandanten kluge Entscheidung dahin gehend zu treffen, wie er mit der Durchsetzung seiner Ansprüche fortfahren soll, gelassen angegangen werden können. Gerade im Laufe des Rechtsstreits kann ein findiger Anwalt den Richter durch klugen Vortrag von seiner Ansicht wenn nicht überzeugen so doch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung zu seinen Gunsten hervorrufen. Dies gilt allerdings erst recht für die Beklagtenseite, die hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wenigstens einen Anfangsvorteil hat. Auf mittlerweile über 900 Seiten werden das Erkenntnisverfahren und der einstweilige Rechtsschutz aus prozesstaktischer Sicht beleuchtet.
Die Erläuterungen beginnen mit allgemeinen Ausführungen, unter anderem zur taktischen Einstellung des Anwalts im Prozess. Nach einem Kapitel zu prozessvorbereitenden Maßnahmen, insbesondere solchen außergerichtlicher Art, liegt ein erster Schwerpunkt auf der Rechtssicherung. Dies umfasst den einstweiligen Rechtsschutz sowie das selbständige Beweisverfahren. Inhaltlich folgt der Autor danach der Chronologie des Verfahrens vor den Zivilgerichten. Er beginnt mit der Vorstellung der verschiedenen Grundentscheidungen gerichtlichen Vorgehens und führt den Leser danach sorgfältig durch die Anforderungen von Klageschrift und Klageanträgen, inklusive Aufbau, Beweisfragen und Rechtsausführungen. Nach Darlegung der Reaktionsmöglichkeiten bei Aussichtslosigkeit der Klage oder nachträglicher Erfüllung wird der Leser in die Geheimnisse einer erfolgreichen Klageerwiderung eingewiesen. Hier legt der Autor zu Recht Wert auf ein taugliches Bestreiten und die Vermeidung von Präklusion. Im Folgenden werden prozessuale Sondersituationen durchgespielt und der Leser erfährt Nützliches insbesondere zur Widerklage.
Einen verständlicherweise großen Teil des Buches nehmen dann die Ausführungen zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme ein. Hier setzt der Autor Schwerpunkte bei der richterlichen Hinweispflicht sowie bei klassischen Beweisproblemen wie dem Zugang von Dokumenten. Auch die Auseinandersetzung mit einem Sachverständigengutachten ist von großer Wichtigkeit für den Mandanten und kann gegebenenfalls nur mit externem Fachwissen bewältigt werden. Ebenfalls lesenswert ist die Darstellung der viel zu oft von Anwälten für sich proklamierten Beweiserleichterungen ausgestaltet. Gelungen ist zudem die Herstellung der Verknüpfung zwischen beweisrechtlichen Verfahrensfehlern und der nachfolgenden Berufung.
In einem eigenen Kapitel kann sich der Leser über die Titelerlangung in besonderen Verfahren informieren, darunter das Mahnverfahren und der Urkundenprozess sowie das Bagatellverfahren vor den Amtsgerichten. Ganz hervorragend gelungen und thematisch völlig korrekt eingebracht ist das kurze Unterkapitel zum Adhäsionsverfahren. Die Vermeidung von Zivilverfahren kann durch einen klug gestellten Adhäsionsantrag samt möglichem Vergleich im Strafverfahren nur begrüßt werden. Ebenfalls recht kompakt präsentiert sich das Kapitel zum Zwangsvollstreckungsrecht. Hier kann aber das Unterkapitel zu den Vollstreckungsanträgen gar nicht intensiv genug zur Lektüre empfohlen werden, erschöpft sich doch im Gegensatz zur Klausur die Tätigkeit des Anwalts gerade meistens nicht in der Titelerlangung. Vor allem die Vornahme vertretbarer und unvertretbarer Handlungen, etwa im Nachbarrecht oder im Baurecht, muss korrekt eingefordert werden. Nach einem Kapitel zu nachträglichen prozessualen Änderungen, z.B. der Gerichtszuständigkeit, der Klageänderung oder der Streitverkündung schließt das Buch mit einem umfangreichen Abschnitt zu Rechtsbehelfen. Dies umfasst nicht nur die Klassiker Beschwerde und Berufung, sondern auch die Befangenheitsablehnung, die Wiedereinsetzung oder die Gehörsrüge. Insoweit ist die Umstellung des Werks mit thematischer Neusortierung geglückt.
Die Gestaltung des Buches ist angenehm, wenngleich bisweilen etwas „lebendig“ durch eine Vielzahl von visualisierenden Elementen neben dem Fließtext. Gut gelungen ist die Integration der einschlägigen Rechtsprechung, einzelne besonders wichtige Punkte sind graphisch herausgehoben, Beispiele verdeutlichen die Materie an vielen Stellen. Zudem finden sich konkrete Hinweise zur korrekten Formulierung von Anträgen, Tatbestand oder Rechtsausführungen und Tipps zu prozessualen und materiell-rechtlichen Besonderheiten sowie taktische Ratschläge. Schaubilder sind ebenfalls vorhanden.
Die Lektüre dieses Werks ist für Referendare und Berufseinsteiger ein echter Gewinn, insbesondere mit der jüngsten Auflage: man muss sich, prozessuales Grundwissen vorausgesetzt, ständig und intensiv Problempunkte bei der Erlangung und Durchsetzung eines Vollstreckungstitels vergegenwärtigen und wird, ein wenig abseits von den üblichen Klausuranforderungen, auf die Praxis vorbereitet wie man es sonst in kaum einem Lehrbuch erfährt. Wer sich also bereits im Vorbereitungsdienst intensiv auf den Anwaltsberuf vorbereiten will und / oder den Sprung in die Selbständigkeit nach dem Assessorexamen wagen möchte, der kann mit dem Wissen aus diesem Werk nicht nur konsequent Punkte beim Mandanten (und Gebühren beim Gegner) sammeln, sondern sich auch ungeschriebene Meriten bei den Entscheidungskörpern verdienen: der Ruf, ein prozessförderlicher und effektiv arbeitender Anwalt zu sein, verbreitet sich unter potenziellen Mandanten ebenso wie in der Gerichtskantine. Dieses Werk kann also demjenigen nachdrücklich empfohlen werden, der sich voll und ganz dem Anwaltsdasein verschreiben will.
geschrieben am 21.01.2010 | 768 Wörter | 5377 Zeichen
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