ISBN | 3608938982 | |
Autor | Silvia Avallone | |
Verlag | Klett-Cotta | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 414 | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Extras | - |
Die Handlung und der Rahmen dazu sind rasch umrissen. In der italienischen Küstenstadt Piombino, gegenüber der mondänen Insel Elba gelegen, wird das Leben bestimmt durch das Stahlwerk vor Ort und die Bewohner können, abgesehen von wenigen Ausnahmen, dem Ort und seinen verkrusteten Strukturen nicht entfliehen, unter anderem wegen mangelnder Bildung, verfrühter Schwangerschaften und frustriertem Abfinden mit der Gegenwart, die keine Zukunft hat. Später wird das Stahlwerk auch noch durch einen Investor übernommen und viele Arbeiter erhalten die Kündigung. Davon nicht oder kaum betroffen sind die Familien der zwei Protagonistinnen, Anna und Francesca, die im Sturm der Pubertät das Leben genießen, jedoch ihre Freundschaft durch unterschiedliche Interessen und fehlenden Mut riskieren. Daneben erfährt der Leser allerlei über die mehr oder weniger zerstörten Familienbeziehungen zwischen den Eltern und den Kindern, der Eltern untereinander sowie zu den Nachbarn und Altersgenossinnen. Der Sprung von der Unreife der beiden Mädchen in die Frühreife samt den emotionalen und körperlichen Begleiterscheinungen ist der wesentliche Handlungsstrang, wenngleich die Autorin die gesellschaftlichen Umstände zumindest einzuflechten versucht, als da u.a. wären: Gewalt rückständiger Eltern gegen frühreife Kinder, Kriminalität als einzige Möglichkeit zur Verbesserung des Lebensstandards, falsche Moralvorstellungen aus dem dörflichen Milieu, im Verborgenen stattfindende aber allseits bekannte Sexualkontakte unter Jugendlichen, zweifelhaftes Erstreben einer Karriere als Showgirl im Fernsehen. Ob damit wirklich das System Berlusconi kritisiert werden soll, so eine Rezension, oder der allgemeine gesellschaftliche Verfall in Italien, wage ich zu bezweifeln. Die Beschreibung des Unterschichtmilieus mit tumben Arbeitern, passiven Hausfrauen, fehlender Perspektive, sexualisierter Jugend und klischeehaften Geschlechterzeichnungen könnte auch in jedem anderen europäischen Land spielen.
Einige Aspekte des Romans haben im Ergebnis dazu geführt, dass ich die Lektüre als am Ende enttäuschend bezeichnen muss. Die Schilderung der Beziehungen und der Strukturen zwischen den Personen bleibt simpel, oft unaufgeklärt bzw. nur angerissen und unnötigerweise nicht zu Ende geführt. Die Sprache ist mitunter holprig, was aber auch an der Übersetzung liegen könnte. Einige Druckfehler trüben den Eindruck zudem. Viele Emotionen werden hoch angesetzt, können aber angesichts des sprachlichen Niveaus nur in das Stadium des Versuchs einer Verarbeitung zurückfallen. Auch der Tod von Annas Bruder am Ende des Buches ist ein recht sinnloser Höhepunkt vor der Versöhnung der beiden jungen Mädchen.
Letzen Endes bietet der Roman einen interessanten Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit des regressiven industriellen Italien und eine passable Milieustudie. Die begeisterten Bewertungen im Feuilleton kann ich angesichts der sprachlichen Unausgewogenheit aber nicht teilen.
geschrieben am 12.11.2011 | 391 Wörter | 2604 Zeichen
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