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Renaissance der Höflichkeit - Fragen zur Etikette im 21. Jahrhundert


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Renaissance der Höflichkeit - Fragen zur Etikette im 21. Jahrhundert Wozu Höflichkeit? Braucht ein menschlicher Umgang gewisse Benimmregeln? Wofür sollen sie nützlich sein? Die 68er lehnten all diese Tugenden aus ideologischen Motiven ab. Nach ihrer Auffassung stützten Höflichkeit, Vornehmheit und Etikette nur das herrschende, als ungerecht empfundene System. Umdenken mussten sie, als ihre eigenen Kinder vom Auslandsaufenthalt zurück kamen und vom englischen Gentleman-Ideal erzählten. Die Sprösslinge hatten es verstanden und aufgesogen und verteidigten nun dessen gesellschaftspolitisch bedeutende Funktion am Tisch der Eltern. Salka Schwarz, Autorin des Buches »Renaissance der Höflichkeit – Fragen zur Etikette im 21. Jahrhundert«, beobachtet seit etwa zehn Jahren eine Rückkehr der Manieren in den gesellschaftlichen Alltag. Schaden würde das jedenfalls nicht, vergegenwärtigt man sich die Verrohung der Öffentlichkeit gerade in der deutschen Hauptstadt Berlin. Die Autorin weiß, wovon sie schreibt, hat sie doch in Berlin ein Institut zur Vermittlung von Manieren gegründet. Nun ist es mit den Manieren genauso wie mit den sprichwörtlichen Beziehungen: Sie schaden nur demjenigen, der sie nicht hat. Wem es an Benehmen mangelt, wird seine Fehler meist selbst gar nicht bemerken. Und wenn der junge Mensch dann einen Job nicht bekommen hat, wird er zwar nach Ursachen suchen, letztlich jedoch entscheiden: Dem Chef habe seine Nase nicht geschmeckt. Dass er dem potenziellen Vorgesetzten seine Hand zur Begrüßung entgegen gestreckt hat, ist ihm als Fauxpas selbst nicht aufgefallen. Die Bedeutung der Manieren war immer eine große, - nur wurde das vom Zeitgeist geflissentlich ignoriert. In gewissen höheren Kreisen, wie in der Wirtschaft, war es niemals anders. Hier konnte man sich auch in den 1970er und 80er Jahren ein Bild davon machen, was es beispielsweise bedeutet, wenn der Gesprächspartner weiß, Konversation zu pflegen. Das opulente und aufwendig verarbeitete Buch ist in der Form von etwa 200 kürzeren Artikeln aufgebaut, die jeweils ein Thema abschließend behandeln. Sie basieren auf Zeitungskolumnen, die Salka Schwarz durch Leserkommentare ergänzt hat. Dem Verständnis so mancher Sitte förderlich ist eine Erläuterung ihres historischen Ursprungs oder ihrer Entwicklung. Diese Gliederung ermöglicht es, das schwere Buch auch einmal zwischendurch oder für eine halbe Stunde zur Hand zu nehmen. Man kann darin blättern; der Interessierte wird viele Stellen finden, an denen er hängen bleibt und einfach Lust hat, zu lesen. Der Leser ist nicht an lange Kapitel gebunden oder in der Gefahr, nach einer Lesepause nicht mehr in den Kontext zu gelangen. Dem Verständnis zuträglich ist auch die leichte, bisweilen ein wenig ironische Sprache der Manieren-Coacherin. So erfahren wir, dass es zu Tisch verboten ist, Zahnstocher zu benutzen. Vom Rezensenten auf dieses Beispiel angesprochen, erzählte Salka Schwarz die Anekdote, wie einer ihrer Seminar-Teilnehmer tatsächlich nach einem Lunch im Restaurant nach einem derartigen Hilfswerkzeug frug und auch das zweimalige Nichtverstehenwollen der Bedienung nicht erkennen konnte. Der 2005 gegründete Verlag DOM publishers ist im unmittelbaren Zentrum des politischen Berlins beheimatet, - direkt gegenüber vom Auswärtigen Amt. Seit der kurzen Zeit seines Bestehens hat er sich in einer artifiziellen Szene von Künstlern, Architekten und Bibliophilen für seine Bild- und Architekturbände, die höchste ästhetische Ansprüche befriedigen, einen Namen gemacht. Die Manieren sind ein tiefes, über Jahrhunderte gewachsenes Netzwerk von kulturellen Gepflogenheiten. Dem Buch kommt zugute, dass die Autorin zugleich Seminare abhält. Lebensnähe und Praxisbezug sind in jeder Zeile spürbar. Sie machen das gewichtige Buch tatsächlich zu einer Art Handbuch des Benehmens im 21. Jahrhundert, wie der Untertitel es andeutet. Salka Schwarz schreibt, heutige Umgangsformen seien längst keine gespreizten Benimmregeln mehr. »Vielmehr soll Etikette heute den Rahmen bieten, in dem die Würde der Menschen gegenseitig geachtet wird und somit die Kommunikation mit jedermann zu einem Vergnügen werden kann.« Friedrich Nietzsche notierte in seinen stichwortartigen Aufzeichnungen in den 1880er Jahren zur Frage »Was ist vornehm?«: Die Lust an den FORMEN; das In-Schutz-nehmen alles Förmlichen, die Überzeugung, daß Höflichkeit eine der großen Tugenden ist; das Mißtrauen gegen alle Arten des Sich-gehen-lassens, eingerechnet die Preß- und Denkfreiheit, weil unter ihnen der Geist bequem und tölpelhaft wird und die Glieder streckt.«

Wozu Höflichkeit? Braucht ein menschlicher Umgang gewisse Benimmregeln? Wofür sollen sie nützlich sein?

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Die 68er lehnten all diese Tugenden aus ideologischen Motiven ab. Nach ihrer Auffassung stützten Höflichkeit, Vornehmheit und Etikette nur das herrschende, als ungerecht empfundene System. Umdenken mussten sie, als ihre eigenen Kinder vom Auslandsaufenthalt zurück kamen und vom englischen Gentleman-Ideal erzählten. Die Sprösslinge hatten es verstanden und aufgesogen und verteidigten nun dessen gesellschaftspolitisch bedeutende Funktion am Tisch der Eltern.

Salka Schwarz, Autorin des Buches »Renaissance der Höflichkeit – Fragen zur Etikette im 21. Jahrhundert«, beobachtet seit etwa zehn Jahren eine Rückkehr der Manieren in den gesellschaftlichen Alltag. Schaden würde das jedenfalls nicht, vergegenwärtigt man sich die Verrohung der Öffentlichkeit gerade in der deutschen Hauptstadt Berlin. Die Autorin weiß, wovon sie schreibt, hat sie doch in Berlin ein Institut zur Vermittlung von Manieren gegründet.

Nun ist es mit den Manieren genauso wie mit den sprichwörtlichen Beziehungen: Sie schaden nur demjenigen, der sie nicht hat. Wem es an Benehmen mangelt, wird seine Fehler meist selbst gar nicht bemerken. Und wenn der junge Mensch dann einen Job nicht bekommen hat, wird er zwar nach Ursachen suchen, letztlich jedoch entscheiden: Dem Chef habe seine Nase nicht geschmeckt. Dass er dem potenziellen Vorgesetzten seine Hand zur Begrüßung entgegen gestreckt hat, ist ihm als Fauxpas selbst nicht aufgefallen. Die Bedeutung der Manieren war immer eine große, - nur wurde das vom Zeitgeist geflissentlich ignoriert. In gewissen höheren Kreisen, wie in der Wirtschaft, war es niemals anders. Hier konnte man sich auch in den 1970er und 80er Jahren ein Bild davon machen, was es beispielsweise bedeutet, wenn der Gesprächspartner weiß, Konversation zu pflegen.

Das opulente und aufwendig verarbeitete Buch ist in der Form von etwa 200 kürzeren Artikeln aufgebaut, die jeweils ein Thema abschließend behandeln. Sie basieren auf Zeitungskolumnen, die Salka Schwarz durch Leserkommentare ergänzt hat. Dem Verständnis so mancher Sitte förderlich ist eine Erläuterung ihres historischen Ursprungs oder ihrer Entwicklung. Diese Gliederung ermöglicht es, das schwere Buch auch einmal zwischendurch oder für eine halbe Stunde zur Hand zu nehmen. Man kann darin blättern; der Interessierte wird viele Stellen finden, an denen er hängen bleibt und einfach Lust hat, zu lesen. Der Leser ist nicht an lange Kapitel gebunden oder in der Gefahr, nach einer Lesepause nicht mehr in den Kontext zu gelangen.

Dem Verständnis zuträglich ist auch die leichte, bisweilen ein wenig ironische Sprache der Manieren-Coacherin. So erfahren wir, dass es zu Tisch verboten ist, Zahnstocher zu benutzen. Vom Rezensenten auf dieses Beispiel angesprochen, erzählte Salka Schwarz die Anekdote, wie einer ihrer Seminar-Teilnehmer tatsächlich nach einem Lunch im Restaurant nach einem derartigen Hilfswerkzeug frug und auch das zweimalige Nichtverstehenwollen der Bedienung nicht erkennen konnte.

Der 2005 gegründete Verlag DOM publishers ist im unmittelbaren Zentrum des politischen Berlins beheimatet, - direkt gegenüber vom Auswärtigen Amt. Seit der kurzen Zeit seines Bestehens hat er sich in einer artifiziellen Szene von Künstlern, Architekten und Bibliophilen für seine Bild- und Architekturbände, die höchste ästhetische Ansprüche befriedigen, einen Namen gemacht.

Die Manieren sind ein tiefes, über Jahrhunderte gewachsenes Netzwerk von kulturellen Gepflogenheiten. Dem Buch kommt zugute, dass die Autorin zugleich Seminare abhält. Lebensnähe und Praxisbezug sind in jeder Zeile spürbar. Sie machen das gewichtige Buch tatsächlich zu einer Art Handbuch des Benehmens im 21. Jahrhundert, wie der Untertitel es andeutet. Salka Schwarz schreibt, heutige Umgangsformen seien längst keine gespreizten Benimmregeln mehr. »Vielmehr soll Etikette heute den Rahmen bieten, in dem die Würde der Menschen gegenseitig geachtet wird und somit die Kommunikation mit jedermann zu einem Vergnügen werden kann.«

Friedrich Nietzsche notierte in seinen stichwortartigen Aufzeichnungen in den 1880er Jahren zur Frage »Was ist vornehm?«: Die Lust an den FORMEN; das In-Schutz-nehmen alles Förmlichen, die Überzeugung, daß Höflichkeit eine der großen Tugenden ist; das Mißtrauen gegen alle Arten des Sich-gehen-lassens, eingerechnet die Preß- und Denkfreiheit, weil unter ihnen der Geist bequem und tölpelhaft wird und die Glieder streckt.«

geschrieben am 24.07.2008 | 637 Wörter | 3865 Zeichen

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