Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Trophäen


Statistiken
  • 6885 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Thomas Stumpf

TrophĂ€en Der Romanerstling von Isabella Feimer ist eine Wucht. Sprachgewaltig nimmt uns die Österreicherin mit auf eine dunkle Reise. Dabei kleiden wunderschöne Worte eine heftige, böse Geschichte in ein hypnotisches Gewand. Die Sogkraft des Textes entfaltet sich gleich von Anfang an und zieht den Leser bis zum schrecklichen Ende in den Bann. Geschuldet ist dies dem außergewöhnlichen Stil der Autorin und man fragt sich: wie schön kann man eine derart abtrĂŒnnige Story erzĂ€hlen? Das vorliegende RomandebĂŒt „TrophĂ€en“ (erschienen im Wiener BraumĂŒller Verlag) hebt sich vor allem durch seine sprachliche Eleganz deutlich aus der Masse von Veröffentlichungen hervor. Man muss das aber auch mögen: Ellenlange SĂ€tze, die sich ĂŒber zwei Seiten erstrecken, kreativ gesetzte Kommata, die nahezu jedes andere Satzzeichen verdrĂ€ngen und die eher GedankengĂ€nge als Worte und Satzteile untergliedern. Jeder Satz innerhalb der 46 Kapitel bildet zugleich einen eigenstĂ€ndigen Absatz. Zahlreiche Anaphern verleihen dem Text eine mantraartige Note. Diese und Ellipsen, denen bevorzugt Verben zum Opfer fallen, sind die vorrangig gewĂ€hlten Stilmittel der Autorin. Dies konnte man bereits in ihrer kleinen „Novelle einer ĂŒberschaubaren Apokalypse“ erkennen. Effektvoll dosierte Neologismen tragen ebenfalls zu dem kunstvoll arrangierten GesamtgefĂŒge bei. Worte wie „jugendstilverziert“ oder „schatzkistenversperrt“ stehen in ihrer Schönheit einer ShakespearÂŽschen Wortkreation wie „unsternbedroht“ in nichts nach. Ein Text, der geradezu danach schreit, laut gelesen zu werden. Um das Ganze noch zu toppen, fĂŒgt Feimer ihrer ErzĂ€hlung noch eine kafkaeske Wendung bei, denn die Protagonistin verwandelt sich langsam in eine KrĂ€he. Höhepunkt ist dabei sicherlich das in den Text gewebte Gedicht „Was sieht die KrĂ€he, wenn sie fĂ€llt?“. Doch bei alledem hat „TrophĂ€en“ mehr zu bieten als sprachliche KunststĂŒcke. Als Leser erwartet man im Falle eines Romans vor allem eine ansprechende Handlung. Und die Geschichte, die hier erzĂ€hlt wird, ist ein echter Horrortrip. Es geht um zwei Schwestern, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnten. Die namenlose Protagonistin hasst ihr „Schwesterchen“ (Natalia) seit der Kindheit, denn Natalia ist schon in jungen Jahren durchtrieben und bösartig, hat jedoch die FĂ€higkeit, ihre Umwelt nach Belieben zu manipulieren und mit allen Schandtaten davonzukommen. Eine FĂ€higkeit, die sie im Erwachsenenleben perfektioniert hat. Im heimlich gelesenen Tagebuch der Schwester konnte unsere ErzĂ€hlerin lesen, dass Natalia ihr sogar den Tod gewĂŒnscht hatte. Doch Natalia hat an einem heißen Sommertag etwas viel schlimmeres getan, etwas, das ihre Schwester ihr ein Leben lang nicht verziehen hat. Sie hat Henriette getötet (um die Spannung nicht zu verderben, möchte ich an dieser Stelle nicht mehr ĂŒber Henriette verraten). Die innerlich gebrochene Schwester verliebt sich zu Beginn des Buches ausgerechnet in einen TierprĂ€perator und fĂŒhlt sich, umgeben von ausgestopften Tieren und illusionierter Lebendigkeit erstmals seit vielen Jahren sicher und geborgen. Er ist der Mann, der Gestorbenem eine Geschichte verleiht. Es entwickelt sich eine unheilvoll-heilende Liaison zu dem nach „Jasmingeruch und Kirschtabak“ duftenden Mann, eine Mischung aus tiefem Vertrauen und dĂŒsterem, gewaltvollen Sex. Und irgendwann ahnt man, welche Richtung alles nehmen wird. Gruselig ist auch Steffen, Natalias kleiner Sohn, der heimlich gerne verbotene Videospiele zockt, in denen er Zombies töten kann und der in seinem Schulranzen ein Skizzenheft mit sich fĂŒhrt, in welches er zerstĂŒckelte Gliedmaße zeichnet. Auch er findet Gefallen am PrĂ€parieren von toten Tieren, sehr zum Missfallen seiner Mutter. Die Dinge nehmen ihren Lauf. Unsere Romanheldin hat Geheimnisse, selbst ihr Name, den sie nicht einmal ihrem Geliebten offenbaren will, ist eines davon. Die Schrecken der Vergangenheit offenbaren sich nur langsam. Nach und nach erfĂ€hrt der Leser mehr ĂŒber die Geschichte der beiden sich hassenden Schwestern. Natalia ist auch als Erwachsene gemein, manipulativ und egozentrisch, wĂ€hrend sich ihre Schwester mit fortschreitender Dauer der ErzĂ€hlung von einer depressiven, außerhalb des Lebens stehenden jungen Frau in eine willensstarke, zerstörerische RĂ€cherin verwandelt. StĂŒck fĂŒr StĂŒck wird bis zum Finale an der Schraube gedreht, immer weiter abwĂ€rts. Es gibt so vieles in diesem Text zu entdecken, zu deuten und zu interpretieren. Alleine ĂŒber die symbolische oder psychologische Bedeutung der KrĂ€he könnte man an dieser Stelle eine Menge schreiben. In der Regel wird die KrĂ€he als Unheilbringer gedeutet, als VerkĂŒnder von Tod und Untergang. Zugleich gilt sie aber als Krafttier im positiven Sinne. Im Buch selbst wird die KrĂ€he in Bezug gesetzt zur indischen Totengöttin Kali, Herrin ĂŒber Tod und Zerstörung, deren Begleittier die KrĂ€he ist. Eine stilisierte KrĂ€he ziert auch das reduziert gestaltete tolle Cover. Man kann sich aber auch einfach von der auf außergewöhnliche Weise erzĂ€hlten Story packen und mitreißen lassen. Von mir jedenfalls eine klare Leseempfehlung. Wer möchte, kann sich auf Youtube ĂŒbrigens einen kleinen Trailer zum Roman anschauen. Er vermittelt ein wenig die im Buch herrschende Grundstimmung.

Der Romanerstling von Isabella Feimer ist eine Wucht. Sprachgewaltig nimmt uns die Österreicherin mit auf eine dunkle Reise. Dabei kleiden wunderschöne Worte eine heftige, böse Geschichte in ein hypnotisches Gewand. Die Sogkraft des Textes entfaltet sich gleich von Anfang an und zieht den Leser bis zum schrecklichen Ende in den Bann. Geschuldet ist dies dem außergewöhnlichen Stil der Autorin und man fragt sich: wie schön kann man eine derart abtrĂŒnnige Story erzĂ€hlen?

weitere Rezensionen von Thomas Stumpf

#
rezensiert seit
Buchtitel
1
05.12.2022
2
04.10.2022
3
02.09.2022
4
07.10.2021
5
17.05.2021

Das vorliegende RomandebĂŒt „TrophĂ€en“ (erschienen im Wiener BraumĂŒller Verlag) hebt sich vor allem durch seine sprachliche Eleganz deutlich aus der Masse von Veröffentlichungen hervor. Man muss das aber auch mögen: Ellenlange SĂ€tze, die sich ĂŒber zwei Seiten erstrecken, kreativ gesetzte Kommata, die nahezu jedes andere Satzzeichen verdrĂ€ngen und die eher GedankengĂ€nge als Worte und Satzteile untergliedern. Jeder Satz innerhalb der 46 Kapitel bildet zugleich einen eigenstĂ€ndigen Absatz. Zahlreiche Anaphern verleihen dem Text eine mantraartige Note. Diese und Ellipsen, denen bevorzugt Verben zum Opfer fallen, sind die vorrangig gewĂ€hlten Stilmittel der Autorin. Dies konnte man bereits in ihrer kleinen „Novelle einer ĂŒberschaubaren Apokalypse“ erkennen. Effektvoll dosierte Neologismen tragen ebenfalls zu dem kunstvoll arrangierten GesamtgefĂŒge bei. Worte wie „jugendstilverziert“ oder „schatzkistenversperrt“ stehen in ihrer Schönheit einer ShakespearÂŽschen Wortkreation wie „unsternbedroht“ in nichts nach. Ein Text, der geradezu danach schreit, laut gelesen zu werden. Um das Ganze noch zu toppen, fĂŒgt Feimer ihrer ErzĂ€hlung noch eine kafkaeske Wendung bei, denn die Protagonistin verwandelt sich langsam in eine KrĂ€he. Höhepunkt ist dabei sicherlich das in den Text gewebte Gedicht „Was sieht die KrĂ€he, wenn sie fĂ€llt?“.

Doch bei alledem hat „TrophĂ€en“ mehr zu bieten als sprachliche KunststĂŒcke. Als Leser erwartet man im Falle eines Romans vor allem eine ansprechende Handlung. Und die Geschichte, die hier erzĂ€hlt wird, ist ein echter Horrortrip. Es geht um zwei Schwestern, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnten. Die namenlose Protagonistin hasst ihr „Schwesterchen“ (Natalia) seit der Kindheit, denn Natalia ist schon in jungen Jahren durchtrieben und bösartig, hat jedoch die FĂ€higkeit, ihre Umwelt nach Belieben zu manipulieren und mit allen Schandtaten davonzukommen. Eine FĂ€higkeit, die sie im Erwachsenenleben perfektioniert hat. Im heimlich gelesenen Tagebuch der Schwester konnte unsere ErzĂ€hlerin lesen, dass Natalia ihr sogar den Tod gewĂŒnscht hatte. Doch Natalia hat an einem heißen Sommertag etwas viel schlimmeres getan, etwas, das ihre Schwester ihr ein Leben lang nicht verziehen hat. Sie hat Henriette getötet (um die Spannung nicht zu verderben, möchte ich an dieser Stelle nicht mehr ĂŒber Henriette verraten). Die innerlich gebrochene Schwester verliebt sich zu Beginn des Buches ausgerechnet in einen TierprĂ€perator und fĂŒhlt sich, umgeben von ausgestopften Tieren und illusionierter Lebendigkeit erstmals seit vielen Jahren sicher und geborgen. Er ist der Mann, der Gestorbenem eine Geschichte verleiht. Es entwickelt sich eine unheilvoll-heilende Liaison zu dem nach „Jasmingeruch und Kirschtabak“ duftenden Mann, eine Mischung aus tiefem Vertrauen und dĂŒsterem, gewaltvollen Sex. Und irgendwann ahnt man, welche Richtung alles nehmen wird. Gruselig ist auch Steffen, Natalias kleiner Sohn, der heimlich gerne verbotene Videospiele zockt, in denen er Zombies töten kann und der in seinem Schulranzen ein Skizzenheft mit sich fĂŒhrt, in welches er zerstĂŒckelte Gliedmaße zeichnet. Auch er findet Gefallen am PrĂ€parieren von toten Tieren, sehr zum Missfallen seiner Mutter. Die Dinge nehmen ihren Lauf.

Unsere Romanheldin hat Geheimnisse, selbst ihr Name, den sie nicht einmal ihrem Geliebten offenbaren will, ist eines davon. Die Schrecken der Vergangenheit offenbaren sich nur langsam. Nach und nach erfĂ€hrt der Leser mehr ĂŒber die Geschichte der beiden sich hassenden Schwestern. Natalia ist auch als Erwachsene gemein, manipulativ und egozentrisch, wĂ€hrend sich ihre Schwester mit fortschreitender Dauer der ErzĂ€hlung von einer depressiven, außerhalb des Lebens stehenden jungen Frau in eine willensstarke, zerstörerische RĂ€cherin verwandelt. StĂŒck fĂŒr StĂŒck wird bis zum Finale an der Schraube gedreht, immer weiter abwĂ€rts.

Es gibt so vieles in diesem Text zu entdecken, zu deuten und zu interpretieren. Alleine ĂŒber die symbolische oder psychologische Bedeutung der KrĂ€he könnte man an dieser Stelle eine Menge schreiben. In der Regel wird die KrĂ€he als Unheilbringer gedeutet, als VerkĂŒnder von Tod und Untergang. Zugleich gilt sie aber als Krafttier im positiven Sinne. Im Buch selbst wird die KrĂ€he in Bezug gesetzt zur indischen Totengöttin Kali, Herrin ĂŒber Tod und Zerstörung, deren Begleittier die KrĂ€he ist. Eine stilisierte KrĂ€he ziert auch das reduziert gestaltete tolle Cover. Man kann sich aber auch einfach von der auf außergewöhnliche Weise erzĂ€hlten Story packen und mitreißen lassen. Von mir jedenfalls eine klare Leseempfehlung. Wer möchte, kann sich auf Youtube ĂŒbrigens einen kleinen Trailer zum Roman anschauen. Er vermittelt ein wenig die im Buch herrschende Grundstimmung.

geschrieben am 30.11.2015 | 750 Wörter | 4586 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen