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Bücher

Die Stille in Prag


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Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Die Stille in Prag Rudis, Stille in Prag Der Autor des Buches wird im Klappentext als Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker vorgestellt. Deswegen verwundert es zu Beginn kaum, in wie raschem Wechsel die handelnden Personen, Orte und Szenen am Leser vorĂŒberrauschen und erst nach einigen Seiten hat man sich an die Tempo- und Stimmungswechsel gewöhnt, erkennt die VerknĂŒpfungen zwischen den fĂŒnf Personen und kann den SprĂŒngen aus der Gegenwart in die Vergangenheit bzw. der Wiederholung von Szenen aus verschiedenen Perspektiven gut folgen. Dabei gelingt es dem Autor meistens, die unterschiedlichen Charaktere und Motive der handelnden Personen in der Sprache und den zugehörigen Bildern zu manifestieren. Gegen Ende werden einige der immer wiederkehrenden Formulierungen, die anfangs drastisch und rotzig wirkten, lahm und ĂŒberdrĂŒssig, gerade was die ĂŒbertriebene QuantitĂ€t an beschriebenem Geschlechtsverkehr und dem Wunsch danach angeht. Dass die bald volljĂ€hrige Punkerin Vanda nur davon spricht „es besorgt zu bekommen“, mag ja noch angehen, auch ein Buch lang, aber warum auch die wesentlich Ă€ltere Kulturwissenschaftlerin Hana diese Floskel in den Mund gelegt bekommen muss, sich aber ansonsten hochtrabend ĂŒber den „petite mort“ ergeht, ist auf die Dauer nur anödend. Auch die Geilheit des amerikanischen Anwalts Wayne ist nur zu Beginn spannend, wenn in harschen und schnellen Worten sein Masturbationsversuch unter der Dusche begleitet wird, spĂ€ter vermögen die rauen Dialoge zwischen ihm und seinen GeschĂ€ftspartnern nur noch ein mĂŒdes Brauenrunzeln erregen. Einzig ausgeglichen erscheint da inhaltlich und sprachlich der Straßenbahnfahrer Petr, der Vanda eines Abends aufgabelt, nachdem sie sich von ihrem Freund Harry abgewandt hat, der sie betrogen hatte. Petr wiederum hĂ€ngt noch an einer kurzen Liaison mit Karla, Vanda muss ĂŒber Harry hinwegkommen, Hana ist eigentlich mit Wayne zusammen, stĂŒrzt sich aber in eine letztlich erfolglose AffĂ€re mit einem deutschen EU-Beamten, um ĂŒber eine noch zuvor liegende Beziehung hinwegzukommen und im Laufe des Buches kreuzen sich die Wege aller vier immer wieder, bis am Ende, mit gelungen dramatischem Ende und treffend ausgewĂ€hlten Schlussworten das Buch sein Ende findet. Worum es aber eigentlich gehen soll, ist die Bedeutung der Stille fĂŒr die genannten vier Personen und dazu fĂŒr den alleine in seiner Wohnung lebenden alten Vladimir. Dieser hat vor einiger Zeit seine Frau verloren, deren Krankheit er u.a. dem allgemeinen LĂ€rm zuschreibt, den er fortan zu bekĂ€mpfen gedenkt, zynischerweise ist er ehemaliger Perkussionist. Dies soll mit einer selbst gebastelten Maschine geschehen, die den LĂ€rm aus seiner Wohnung fernhĂ€lt, aber in der Außenwelt nicht funktioniert. Ob sein Gehör nun aufgrund von Halluzinationen oder tatsĂ€chlich so gut ist, dass er Elektrowellen wahrnehmen oder das Liebesspiel zwischen zwei Menschen „hören“ kann, wird nicht aufgeklĂ€rt, jedenfalls treibt ihn der LĂ€rmwahn zuerst zum Projekt, die Mitmenschen zu bekehren, indem er Kabel zu GerĂ€uschquellen durchtrennt (Lautsprecherkabel, IPod-Kopfhörerkabel etc.), spĂ€ter in einen Suizidversuch und zuletzt in einen echten Suizid, als er mit einer Metallrohrzange in den Sicherungskasten des Musikclubs, der sich im Keller seines Wohnhauses befindet, hineinsticht, in dem Vanda gerade ein Konzert gibt. Der Stromstoß streckt Vladimir endlich dahin und er ist wieder in Stille mit seiner Frau vereint. Hana wiederum ist von der Stille, die in der Beziehung zwischen ihr und Wayne vorherrscht, abgeschreckt und will sich deshalb von ihm lösen, genießt aber in der Schlussszene gerade die Stille des stromlosen und nĂ€chtlichen Prag mit Petr, den sie nach dem Konzert zufĂ€llig kennen lernt. Vanda dagegen will die Stille mit ihrer Musik zerreißen, was authentisch fĂŒr ihren Charakter wirkt. Petr schließlich ist immer noch auf der Suche und unentschieden, was sein VerhĂ€ltnis zu LĂ€rm und Stille angeht, was auch zu seinen Beziehungsmustern passt. Sprachlich ist das Buch hochinteressant, die Kapitel sind zeitlich und dramatisch gut durchmischt und die Begegnungen und die daraus folgenden Konsequenzen wirken nicht aufgesetzt, sondern nachvollziehbar. Letztlich inkompatibel hingegen erscheint mir die Kombination der Themen „instabile Beziehungen moderner junger Menschen“ und der grĂ¶ĂŸtenteils metaphorischen Suche nach der Stille durch Vladimir und deren Bedeutung bzw. Verlust in der heutigen Zeit. Die Relationen zwischen Petr, Vanda, Hana und Wayne berĂŒhren zwar ab und zu das Thema der Stille, aber das wirkt insgesamt doch eher konstruiert. Deren Geschichten alleine sind zu substanzlos, um ein Buch wirklich spannend bzw. nachhaltig zu fĂŒllen. Der Fokus auf Vladimir hingegen hat LĂ€ngen, wirkt seltsam haftlos zu den Lebenswegen der anderen und die zufĂ€llig sich ergebenden Kontaktpunkte zwischen Vladimir und den ĂŒbrigen vermögen keine wirklich ĂŒbergreifende Liaison zu bilden - wenngleich die Begegnungen an sich realistisch geschildert sind. Deswegen verbleibt nach der LektĂŒre ein etwas fader Beigeschmack von nicht miteinander harmonierenden Zutaten, die aber durchaus hĂ€tten gelungen verbunden werden können, etwa durch mehr sprachliche Acht und Differenziertheit bei den vier Protagonisten und eine Ă€hnliche Erhöhung irgendeines Lebensaspekts wie bei Vladimir. Dennoch ist die LektĂŒre des Buches erfrischend und man kann sich an der Dynamik des Stils des Autors erfreuen, bisweilen an der rohen Ausdrucksweise und immer wieder an der Hassliebe fĂŒr die großartige Stadt Prag.

Rudis, Stille in Prag

weitere Rezensionen von Dr. Benjamin Krenberger


Der Autor des Buches wird im Klappentext als Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker vorgestellt. Deswegen verwundert es zu Beginn kaum, in wie raschem Wechsel die handelnden Personen, Orte und Szenen am Leser vorĂŒberrauschen und erst nach einigen Seiten hat man sich an die Tempo- und Stimmungswechsel gewöhnt, erkennt die VerknĂŒpfungen zwischen den fĂŒnf Personen und kann den SprĂŒngen aus der Gegenwart in die Vergangenheit bzw. der Wiederholung von Szenen aus verschiedenen Perspektiven gut folgen. Dabei gelingt es dem Autor meistens, die unterschiedlichen Charaktere und Motive der handelnden Personen in der Sprache und den zugehörigen Bildern zu manifestieren. Gegen Ende werden einige der immer wiederkehrenden Formulierungen, die anfangs drastisch und rotzig wirkten, lahm und ĂŒberdrĂŒssig, gerade was die ĂŒbertriebene QuantitĂ€t an beschriebenem Geschlechtsverkehr und dem Wunsch danach angeht. Dass die bald volljĂ€hrige Punkerin Vanda nur davon spricht „es besorgt zu bekommen“, mag ja noch angehen, auch ein Buch lang, aber warum auch die wesentlich Ă€ltere Kulturwissenschaftlerin Hana diese Floskel in den Mund gelegt bekommen muss, sich aber ansonsten hochtrabend ĂŒber den „petite mort“ ergeht, ist auf die Dauer nur anödend. Auch die Geilheit des amerikanischen Anwalts Wayne ist nur zu Beginn spannend, wenn in harschen und schnellen Worten sein Masturbationsversuch unter der Dusche begleitet wird, spĂ€ter vermögen die rauen Dialoge zwischen ihm und seinen GeschĂ€ftspartnern nur noch ein mĂŒdes Brauenrunzeln erregen. Einzig ausgeglichen erscheint da inhaltlich und sprachlich der Straßenbahnfahrer Petr, der Vanda eines Abends aufgabelt, nachdem sie sich von ihrem Freund Harry abgewandt hat, der sie betrogen hatte. Petr wiederum hĂ€ngt noch an einer kurzen Liaison mit Karla, Vanda muss ĂŒber Harry hinwegkommen, Hana ist eigentlich mit Wayne zusammen, stĂŒrzt sich aber in eine letztlich erfolglose AffĂ€re mit einem deutschen EU-Beamten, um ĂŒber eine noch zuvor liegende Beziehung hinwegzukommen und im Laufe des Buches kreuzen sich die Wege aller vier immer wieder, bis am Ende, mit gelungen dramatischem Ende und treffend ausgewĂ€hlten Schlussworten das Buch sein Ende findet.

Worum es aber eigentlich gehen soll, ist die Bedeutung der Stille fĂŒr die genannten vier Personen und dazu fĂŒr den alleine in seiner Wohnung lebenden alten Vladimir. Dieser hat vor einiger Zeit seine Frau verloren, deren Krankheit er u.a. dem allgemeinen LĂ€rm zuschreibt, den er fortan zu bekĂ€mpfen gedenkt, zynischerweise ist er ehemaliger Perkussionist. Dies soll mit einer selbst gebastelten Maschine geschehen, die den LĂ€rm aus seiner Wohnung fernhĂ€lt, aber in der Außenwelt nicht funktioniert. Ob sein Gehör nun aufgrund von Halluzinationen oder tatsĂ€chlich so gut ist, dass er Elektrowellen wahrnehmen oder das Liebesspiel zwischen zwei Menschen „hören“ kann, wird nicht aufgeklĂ€rt, jedenfalls treibt ihn der LĂ€rmwahn zuerst zum Projekt, die Mitmenschen zu bekehren, indem er Kabel zu GerĂ€uschquellen durchtrennt (Lautsprecherkabel, IPod-Kopfhörerkabel etc.), spĂ€ter in einen Suizidversuch und zuletzt in einen echten Suizid, als er mit einer Metallrohrzange in den Sicherungskasten des Musikclubs, der sich im Keller seines Wohnhauses befindet, hineinsticht, in dem Vanda gerade ein Konzert gibt. Der Stromstoß streckt Vladimir endlich dahin und er ist wieder in Stille mit seiner Frau vereint. Hana wiederum ist von der Stille, die in der Beziehung zwischen ihr und Wayne vorherrscht, abgeschreckt und will sich deshalb von ihm lösen, genießt aber in der Schlussszene gerade die Stille des stromlosen und nĂ€chtlichen Prag mit Petr, den sie nach dem Konzert zufĂ€llig kennen lernt. Vanda dagegen will die Stille mit ihrer Musik zerreißen, was authentisch fĂŒr ihren Charakter wirkt. Petr schließlich ist immer noch auf der Suche und unentschieden, was sein VerhĂ€ltnis zu LĂ€rm und Stille angeht, was auch zu seinen Beziehungsmustern passt.

Sprachlich ist das Buch hochinteressant, die Kapitel sind zeitlich und dramatisch gut durchmischt und die Begegnungen und die daraus folgenden Konsequenzen wirken nicht aufgesetzt, sondern nachvollziehbar. Letztlich inkompatibel hingegen erscheint mir die Kombination der Themen „instabile Beziehungen moderner junger Menschen“ und der grĂ¶ĂŸtenteils metaphorischen Suche nach der Stille durch Vladimir und deren Bedeutung bzw. Verlust in der heutigen Zeit. Die Relationen zwischen Petr, Vanda, Hana und Wayne berĂŒhren zwar ab und zu das Thema der Stille, aber das wirkt insgesamt doch eher konstruiert. Deren Geschichten alleine sind zu substanzlos, um ein Buch wirklich spannend bzw. nachhaltig zu fĂŒllen. Der Fokus auf Vladimir hingegen hat LĂ€ngen, wirkt seltsam haftlos zu den Lebenswegen der anderen und die zufĂ€llig sich ergebenden Kontaktpunkte zwischen Vladimir und den ĂŒbrigen vermögen keine wirklich ĂŒbergreifende Liaison zu bilden - wenngleich die Begegnungen an sich realistisch geschildert sind. Deswegen verbleibt nach der LektĂŒre ein etwas fader Beigeschmack von nicht miteinander harmonierenden Zutaten, die aber durchaus hĂ€tten gelungen verbunden werden können, etwa durch mehr sprachliche Acht und Differenziertheit bei den vier Protagonisten und eine Ă€hnliche Erhöhung irgendeines Lebensaspekts wie bei Vladimir.

Dennoch ist die LektĂŒre des Buches erfrischend und man kann sich an der Dynamik des Stils des Autors erfreuen, bisweilen an der rohen Ausdrucksweise und immer wieder an der Hassliebe fĂŒr die großartige Stadt Prag.

geschrieben am 11.06.2012 | 796 Wörter | 4794 Zeichen

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