ISBN | 3717540742 | |
Autor | Franziska zu Reventlow | |
Verlag | Manesse Verlag Zürich | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 107 | |
Erscheinungsjahr | 2008 | |
Extras | - |
„Und wie angenehm, daß man als Frau keine Logik zu haben braucht! Denken Sie, wenn ich all meine mühsam erworbene Lebensweisheit in Schachteln ordnen sollte – ach nein, ich werfe lieber alles durcheinander in eine Schublade und hole gelegentlich heraus, was mir – oder anderen Spaß macht.“ (Reventlow; 2008; 15)
Dieses Zitat stammt aus Franziska zu Reventlows „Von Paul zu Pedro“. Das Werkchen wurde im Züricher Manesse Verlag 2008 in einer sehr schön ausgestatteten Ausgabe wieder der geneigten Leser/inneschaft zur Verfügung gestellt.
Es handelt sich um einen kleinen Briefroman, der im Stil ein wenig an die „Liaison dangereuses“ erinnernd. Eine kokette Plauderei einer Frau, die das Bohème-Leben in vollen Zügen genießt und ihre Erlebnisse einem Mann schildert, der immer nur als „Freund“ apostrophiert wird.
Die Geschichte hat keinen wirklichen Anfang und kein wirkliches Ende im Sinne eines strengen Erzählbogens. Die beiden titelgebenden Gestalten Paul und Pedro sind eher Typologien von Liebhabern, wobei sich die Geschichte mit Pedro konkreter ausnimmt und nicht undramatisch ist. Paul ist eine Liebelei, ein Zeitvertreib auf der Sommerfrische, der schnell langweilig wird, während Pedro, ein Sizilianer ist, der sich nicht zwischen seiner Verlobten und der Geliebten entscheiden kann und versucht, trotz den Einwänden der Familie, beide unter einen Hut zu bringen. Köstlich auch die Episode mit der „eleganten Begleitdogge“ und dem „fremden Mann“.
Der kleine Briefroman „Von Pedro zu Paul“ erscheint 1912 bei Langen und gehört zu den galanten – angeblich stets autobiografisch – geprägten Texten der Gräfin. Form und Tonfall dürften durch die Beschäftigung und Übersetzung mit der Literatur von Abbé Prevost entstanden sein. Die „Liasons dangereuses“ sind ja auch ein einziges Sprach“spiel“ darstellen. Reventlow entwirft mit ihrer Ich-Erzählerin ein Frauenbild, das entgegen den Gepflogenheiten der damaligen Zeit stand. Die Ich-Erzählerin ist keine „femme fatale“ – dazu ist der Tonfall zu kokett und zu (selbst)ironisch. Auch stürzt sie ihre Liebhaber – welch\' eine Genugtuung, dass Reventlow das Wort Lebensabschnittspartner noch nicht kannte – nicht ins Verderbnis., noch anbetungswürdige „femme fragile“. Dazu erweist sich die Ich-Erzählerin zu jovial und bodenständig.
Der Tonfall ist merkwürdigerweise sehr modern. Der Inhalt auch. In Zeiten von „Sex and the City“ und ähnlichen Formaten, in denen Frauen die Hosen anhaben, die sie den Männern vorher ausziehen, wirkt daher ein Briefroman mit derart freimütigen Geständnissen erfrischend. Die Sprache ist geschliffen, die Begebenheiten ausgewählt, die pikanten Details niemal explizit, obwohl die Ich-Erzählerin es auch nie an der notwendigen Klarheit fehlen lässt. Alleine die vielen eingestreuten französischen Redewendungen – nebst einigen anderen Details - verraten, dass sich das Geschehen mit zur vorigen Jahrhundertwende zugetragen hat.
Münchner Bohèmienne
Franziska von Reventlow war eine Kultgestalt der Münchner Bohème. Eigentlich stammte sie aus dem Norden Deutschlangs. Ob ihres Lebenswandels wurde sie auch die „Skandalgräfin von Schwabing genannt“. Der Anarchist und Literat Erich Mühsam schwärmt in seinen „Unpolitischen Erinnerungen“ von Reventlow: „(...)hier kam ich zum erstenmal mit der einzigartigen Frau in Berührung, deren große Persönlichkeit, die sich nur im Milieu Schwabings frei entfalten konnte, allein genügen würde, um Schwabings Bedeutung als Kulturbegriff sicherzustellen: der Gräfin Franziska zu Reventlow. Von dieser außerordentlichen Frau, dem innerlich freiesten und natürlichsten Menschen, dem ich begegnet bin, gleichmäßig ausgezeichnet von höchstem weiblichen Charme, gepflegtester geistiger Kultur, kritischer Klugheit, anmutigstem Humor und vollkommenster Vorurteilslosigkeit, wird in anderen Zusammenhängen mehr zu sagen sein.“ (Mühsam, Unpolitische Erinnerungen, Edition Nautilus, 2001) Diese Charakterisierung Mühsams trifft auch auf die Ich-Erzählerin „Von Paul zu Pedro“ wieder. Franziska zu Reventlow ist mehr als eine Sünde wert.
Mannesse Verlag, ZĂĽrich
geschrieben am 26.11.2008 | 568 Wörter | 3641 Zeichen
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