ISBN | 3827012651 | |
Autor | Jochen Rausch | |
Verlag | Berlin Verlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 288 | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Extras | - |
Angelockt von einigen positiven Rezensionen des Feuilletons habe ich (zum ersten Mal) zu einem Buch des Autors Jochen Rausch gegriffen, nicht zwingend der Thematik wegen, sondern eher weil ich es bewundere, wenn Autoren das Format der Kurzgeschichte beherrschen. Diesbezüglich wurde ich nicht enttäuscht. Rausch hat in seinen elf Geschichten zwar bisweilen eine ähnliche Technik, aber man hat keinen Wiederholungseffekt beim Lesen. Manche Geschichten werden aus der Sicht der Beteiligten Stück für Stück erzählt, sodass sich erst am Ende ein Gesamtbild ergibt, andere sind klassische Ein-Perspektiven-Erzählungen, wiederum andere bieten einen Monolog. Insofern ist große Abwechslung geboten und bisweilen, nicht aber in allen Geschichten, sorgt der gewählte formale Aufbau auch für einen optimalen Spannungsverlauf.
Inhaltlich haben alle Geschichten die „Rache“ zwar zum Thema, aber es kommt immer wieder in anderen Schattierungen aufs Tableau, mal als aktives Element (enttäuschte Liebe in „Rache“), mal als passiv steuernder Faktor (Rache für jemand anderen in „Deine Antonia“), mal als im Nachhinein aufgedeckte Motivation eines auf den ersten Blick gar nicht erklärbaren Verhaltens. Auch in dieser Hinsicht ist genügend Abwechslung geboten. Dass man nun erwarten kann, dass man von allen Geschichten restlos begeistert ist, wäre zu viel verlangt. Dafür sind die individuellen Vorlieben und Ansprüche der Leser zu verschieden. Generell kann man sagen, dass das Buch einige Höhepunkte unter den elf Geschichten zu bieten hat, ansonsten solide und spannende Unterhaltung bietet und man das Buch, auch aufgrund des Formats, rasch verschlingt. Ein gutes Zeichen also. Zudem flackern immer wieder ganz grandiose Passagen auf, etwa wenn die Abgründe eines Denunzianten in „Räucherware“ dadurch erkannt werden, dass er dem Dissidenten vor seiner Verhaftung noch klarmacht, wem er diese zu verdanken haben wird (S.67, „Schreibt sich Jensen eigentlich mit E oder Ä?“).
Persönlich haben mich vor allem zwei der Geschichten beeindruckt. Zum einen der dünne Grat von Verzweiflungstat und psychischem Kammerspiel zwischen Priester und damaligem kindlichem Opfer, der in der Geschichte „Gloria Dei“ gekonnt beschritten wird und am Ende die durchaus schlüssige Erkenntnis bereithält, dass es Überlebende nicht zwingend leichter haben. Zum anderen die Geschichte „Die Wanderung“, in der die Summe von Lebensenttäuschungen aus einem vormals biederen Mann ein unberechenbares psychopathisch handelndes Wesen macht und die mit einem Ende aufwartet, das den Leser mehr erschauern lässt als die Taten an sich.
Insgesamt war ich von dem Buch durchaus angetan, formal und inhaltlich, aber für die Vergabe der Höchstbewertung genügt es in der Gesamtschau nicht. Da kommt die Kurzgeschichtensammlung einfach nicht an die Qualität etwa der Bücher von Schirach heran.
geschrieben am 09.07.2015 | 409 Wörter | 2497 Zeichen
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