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Endymion


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Rezension von

Wilhelm Castun

Endymion Uwe Lammlas Gedichtwerk umfasst bislang rund 44 tausend Verse, Versdramen nicht mitgerechnet. Wer weiß, dass ein Sonett gerade mal 14 Verse umfasst, kann ermessen, wie viel hier in Jambus, TrochĂ€us und Daktylus gefasst wurde. Die Gedichte sind in neun BĂ€nden erschienen, jeder rund 250 Seiten stark. Der erste Band, von dem hier die Rede sein soll, heißt »Endymion«. Bevor ich zum Inhalt komme ein Blick auf die Einbandgestaltung. Wenn man die neun BĂ€nde nebeneinander legt, fĂ€llt auf, dass die ersten vier optisch eine Einheit bilden: »Endymion«, »Der Seerosenritter«, »IdĂ€isches Licht« und »Deutsche Passion«. Ab dem fĂŒnften Band »TannhĂ€userland« ĂŒberwiegen Natur und Landschaften, bei den ersten vier steht ein junger Mann im Mittelpunkt. Der Kontext ist zweimal antik, zwei Mal mittelalterlich, die Haltung des jungen Mannes zeigt eine fortschreitende Aufrechtentwicklung. LĂ€sst er im ersten Bild Kopf und Arme hĂ€ngen, hat er im zweiten den Kopf nur leicht geneigt und das Kreuz gerade. Im dritten Bild hat er den Kopf aufrecht und legt den Arm waagerecht einem MĂ€dchen um die Schultern, im vierten hat er den Arm in Siegerpose erhoben. Hier scheint mir eine autobiographische Botschaft zu liegen. Der Dichter beginnt in Verzagtheit und Trauer, erreicht dann eine gewisse Gefasstheit, mit der Liebe wird er leichtfĂŒĂŸig und schließlich im christlichen Kontext zum Sieger. In der griechischen Mythologie ist Endymion ein schöner Hirte, in den sich die Mondgöttin Selene verliebt. Sie versetzt ihn in eine Höhle auf dem Berg Latmos in Karien. Dort lĂ€sst ihn Zeus in einen ewigen Schlaf verfallen, um ihn vor Alter und Tod zu bewahren. Als ewiger JĂŒngling ist Endymion seit je eine Metapher der Ephebophilie, die Kunst gewordene Furcht vor der Mannbarkeit, vor den Aufgaben und KĂ€mpfen des Lebens. Von griechischen JĂŒnglingen ist in dem Buch auch oft die Rede, von Ganymed und Narziss, Hyazinth und Hermes, auch der Apoll dieser Gedichte ist ein Ephebos. Diesen lunaren Stimmungen begegnet aber regelmĂ€ĂŸig ein ausgesprochen solarer Impuls, ein Weckruf, von dem aber schon der Titel der Sammlung »Weckruf und Mohn« sagt, dass sich dieser Weckruf immer wieder als »Mohn« entpuppt. Die Herausforderung steht nur scheinbar im Widerspruch zum VerdĂ€mmern. Der Dichter hat seine Aufgabe nicht gefunden. Wie sonst nur spĂ€ter im »TannhĂ€userland« entspricht der Titel des Buches keinem der zusammengefassten Sammlungen: »FliederblĂŒten«, »Gefangener Schwan« und »Weckruf und Mohn«, die 1981, 1984 und 1988 zuerst erschienen. Ihnen gemeinsam ist das Bewusstsein einer Krise, einer Welt, die meint, die Poesie nicht nötig zu haben. Von Sammlung zu Sammlung gestaltet der Autor seine Gebilde bei annĂ€hernd gleichbleibender Botschaft hermetischer, die dritte besteht fast ausschließlich aus Sonetten mit durchweg mĂ€nnlicher Kadenz. Was sich zunĂ€chst stark an der Tradition orientiert, wird allmĂ€hlich zum hortus conclusus, als zöge sich der Autor in ein Schneckenhaus zurĂŒck. Das wird allerdings in sprachlicher Pracht und mit einer Ă€ußerst raffinierten Satztechnik vollfĂŒhrt, als wolle uns eine Stimme sagen, dass immer mehr Kunst zu immer mehr Einsamkeit fĂŒhre. Erst in den nĂ€chsten BĂ€nden wird der Autor die vielen Knoten, die in den frĂŒhen Versen geschĂŒrzt werden, nacheinander auflösen. Das Dichterwerk als eine Allee von Sphinxen – so scheint es hier oft. Und mancher mag meinen, ein frĂŒh Vollendeter schlösse hier seinen Kreis. Aber im Text begegnen uns fortwĂ€hrend Hinweise, dass Endymion die Grotte doch verlassen wird, nicht voreilig, nicht in Inkonsequenz. Denn eine Kunst, die zur Kombinatorik geworden ist, die mit Bildern und Masken spielt und immer wieder ihre Perfektion beweist, wird sich nicht selber erlösen, sie bedarf einer Aufgabe von außen, die kommen wird, wenn die Zeit reif ist. Immer wieder die »Stunde vor Tag«, die der Autor nicht nur fĂŒr sich und sein Werk, sondern auch fĂŒr Deutschland und die abendlĂ€ndische Kultur empfindet. Ein Werk großen Krisenbewusstseins, das dennoch niemals ein freilich sehr unbestimmtes Gottvertrauen verliert.

Uwe Lammlas Gedichtwerk umfasst bislang rund 44 tausend Verse, Versdramen nicht mitgerechnet. Wer weiß, dass ein Sonett gerade mal 14 Verse umfasst, kann ermessen, wie viel hier in Jambus, TrochĂ€us und Daktylus gefasst wurde. Die Gedichte sind in neun BĂ€nden erschienen, jeder rund 250 Seiten stark. Der erste Band, von dem hier die Rede sein soll, heißt »Endymion«.

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Bevor ich zum Inhalt komme ein Blick auf die Einbandgestaltung. Wenn man die neun BĂ€nde nebeneinander legt, fĂ€llt auf, dass die ersten vier optisch eine Einheit bilden: »Endymion«, »Der Seerosenritter«, »IdĂ€isches Licht« und »Deutsche Passion«. Ab dem fĂŒnften Band »TannhĂ€userland« ĂŒberwiegen Natur und Landschaften, bei den ersten vier steht ein junger Mann im Mittelpunkt. Der Kontext ist zweimal antik, zwei Mal mittelalterlich, die Haltung des jungen Mannes zeigt eine fortschreitende Aufrechtentwicklung. LĂ€sst er im ersten Bild Kopf und Arme hĂ€ngen, hat er im zweiten den Kopf nur leicht geneigt und das Kreuz gerade. Im dritten Bild hat er den Kopf aufrecht und legt den Arm waagerecht einem MĂ€dchen um die Schultern, im vierten hat er den Arm in Siegerpose erhoben. Hier scheint mir eine autobiographische Botschaft zu liegen. Der Dichter beginnt in Verzagtheit und Trauer, erreicht dann eine gewisse Gefasstheit, mit der Liebe wird er leichtfĂŒĂŸig und schließlich im christlichen Kontext zum Sieger.

In der griechischen Mythologie ist Endymion ein schöner Hirte, in den sich die Mondgöttin Selene verliebt. Sie versetzt ihn in eine Höhle auf dem Berg Latmos in Karien. Dort lĂ€sst ihn Zeus in einen ewigen Schlaf verfallen, um ihn vor Alter und Tod zu bewahren. Als ewiger JĂŒngling ist Endymion seit je eine Metapher der Ephebophilie, die Kunst gewordene Furcht vor der Mannbarkeit, vor den Aufgaben und KĂ€mpfen des Lebens. Von griechischen JĂŒnglingen ist in dem Buch auch oft die Rede, von Ganymed und Narziss, Hyazinth und Hermes, auch der Apoll dieser Gedichte ist ein Ephebos. Diesen lunaren Stimmungen begegnet aber regelmĂ€ĂŸig ein ausgesprochen solarer Impuls, ein Weckruf, von dem aber schon der Titel der Sammlung »Weckruf und Mohn« sagt, dass sich dieser Weckruf immer wieder als »Mohn« entpuppt. Die Herausforderung steht nur scheinbar im Widerspruch zum VerdĂ€mmern. Der Dichter hat seine Aufgabe nicht gefunden.

Wie sonst nur spĂ€ter im »TannhĂ€userland« entspricht der Titel des Buches keinem der zusammengefassten Sammlungen: »FliederblĂŒten«, »Gefangener Schwan« und »Weckruf und Mohn«, die 1981, 1984 und 1988 zuerst erschienen. Ihnen gemeinsam ist das Bewusstsein einer Krise, einer Welt, die meint, die Poesie nicht nötig zu haben. Von Sammlung zu Sammlung gestaltet der Autor seine Gebilde bei annĂ€hernd gleichbleibender Botschaft hermetischer, die dritte besteht fast ausschließlich aus Sonetten mit durchweg mĂ€nnlicher Kadenz. Was sich zunĂ€chst stark an der Tradition orientiert, wird allmĂ€hlich zum hortus conclusus, als zöge sich der Autor in ein Schneckenhaus zurĂŒck. Das wird allerdings in sprachlicher Pracht und mit einer Ă€ußerst raffinierten Satztechnik vollfĂŒhrt, als wolle uns eine Stimme sagen, dass immer mehr Kunst zu immer mehr Einsamkeit fĂŒhre. Erst in den nĂ€chsten BĂ€nden wird der Autor die vielen Knoten, die in den frĂŒhen Versen geschĂŒrzt werden, nacheinander auflösen.

Das Dichterwerk als eine Allee von Sphinxen – so scheint es hier oft. Und mancher mag meinen, ein frĂŒh Vollendeter schlösse hier seinen Kreis. Aber im Text begegnen uns fortwĂ€hrend Hinweise, dass Endymion die Grotte doch verlassen wird, nicht voreilig, nicht in Inkonsequenz. Denn eine Kunst, die zur Kombinatorik geworden ist, die mit Bildern und Masken spielt und immer wieder ihre Perfektion beweist, wird sich nicht selber erlösen, sie bedarf einer Aufgabe von außen, die kommen wird, wenn die Zeit reif ist. Immer wieder die »Stunde vor Tag«, die der Autor nicht nur fĂŒr sich und sein Werk, sondern auch fĂŒr Deutschland und die abendlĂ€ndische Kultur empfindet. Ein Werk großen Krisenbewusstseins, das dennoch niemals ein freilich sehr unbestimmtes Gottvertrauen verliert.

geschrieben am 01.06.2013 | 617 Wörter | 3520 Zeichen

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