ISBN | 3642198430 | |
Herausgeber | Gerhard Gründer , Otto Benkert | |
Verlag | Springer | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 1260 | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Extras | - |
In Zeiten von Schnelllebigkeit und hohen Anforderungen an den Menschen nehmen Erkrankungen der Seele zu. Psychosomatische Beschwerden wie Übelkeit und Migräne sind oftmals die Folge von Kummer oder Stress, immer häufiger treten auch Panikattacken und Depressionen auf. Die Begriff Burnout ist in aller Munde. Nach Prognosen der WHO soll die Depression bereits im Jahre 2020 auf Platz 1 der Volkskrankheiten liegen. Nie gab es so lange Wartelisten für Therapieplätze, nie wurden Psychopharmaka häufiger verschrieben. Durch die Einnahme dieser Medikamente, am besten kombiniert mit einer Gesprächstherapie, können etwa starke Ängste gemildert oder Schlafstörungen verbessert werden. Voraussetzung hierfür ist natürlich ein Psychiater, der in der Lage ist, seinem Patienten nach einer kompetenten Anamnese das für ihn geeignete Medikament in der richtigen Dosierung zu verordnen und der seine Kenntnisse auf dem neuesten Stand hält. Neben dem Besuch von Fortbildungen ist die Arbeit mit akuteller Literatur hierfür unerlässlich. Eine umfassende Übersicht über die Psychopharmakotherapie bietet das Standardwerk aus dem Springer Verlag, das „Handbuch der Psychopharmakotherapie“.
Vier Jahre nach dem Erscheinen der Erstauflage legen die Herausgeber Gerhard Gründer und Otto Benkert eine vollständig überarbeitete und aktualisierte Version vor. Das „Handbuch der Psychopharmakotherapie“ stellt den aktuellen Stand einer rationalen Therapie mit Psychopharmaka dar.
Ein einleitendes Kapitel, das neu in das Buch integriert wurde, vermittelt zunächst Konzeption und Grundlagen einer funktionalen Therapie. Im zweiten Kapitel wird die moderne Psychopharmakologie aus wissenschaftshistorischer Sicht dargestellt. Unter anderem gehen die Autoren hier auf die Entstehung der zentralen Begriffe „Psychopharmakon“ und „Serendipity“ ein und stellen die Entwicklung der Psychopharmakotherapie psychischer Erkrankungen mit Hilfe von Beispielen, von Opium bis hin zum ersten modernen Psychopharmakon Chloralhydrat, dar. Der erste große Themenkomplex, der rund 200 Seiten umfasst, ist den pharmakologischen und präklinischen Grundlagen gewidmet. Hier finden sich unter anderem Kapitel zu den Prinzipien neuronaler Signalketten, den Entdeckungsstrategien in der Wirkstoffforschung, zur Psychopharmaka-Entwicklung von der Entdeckung bis zu ihrer Zulassung, Neurotransmitterhypothesen oder Tiermodellen für unterschiedliche Krankheitsbilder. Auch die Rolle von Aminosäuren, Aminen, Peptiden, Steroiden und Endocannabinoiden auf das ZNS wird thematisiert. Es folgt ein Themenkomplex zur Neurobiologie der unterschiedlichen Erkrankungen. Neben der Neurobiologie von neurodegenerativen Erkrankungen wie etwa der Alzheimer-Demenz wird diejenige von abhängigem Verhalten, schizophrenen Störungen, affektiven Störungen, Angsterkrankungen, Essstörungen, sexuellen Funktionsstörungen, ADS, Schmerz, Schlaf-, und Persönlichkeitsstörungen behandelt. Die Darstellungen der neurobiologischen Erkenntnisse sind ähnlich aufgebaut. Meist enthalten sie etwa die folgenden Gliederungspunkte: Epidemiologie, Symptomatik, Genetik, Neurochemie, Bildgebung, Einfluss der Erkrankungen, Neuroendokrinologie oder Faktoren der Entstehung. Je nach Forschungsstand und Relevanz variieren die Gliederungspunkte allerdings.
In dem folgenden Themenkomplex, der sich mit Grundlagen und Methoden der klinischen Psychopharmakologie auseinandersetzt, stehen etwa Neuroendokrinologie, Neuroimmunologie, Magnetresonanzverfahren, nosologische Klassifikationssysteme, die Neurobiologie der Plazebowirkung und Studien mit Psychopharmaka im Blickpunkt.
Das folgende Kapitel, welches mit rund 200 Seiten wieder sehr ausführlich geworden ist, widmen die Autoren den verschiedenen Substanzgruppen, also namentlich:
Antidepressiva
Medikamente zur Behandlung bipolarer affektiver Störungen
Antipsychotika
Anxiolytika und Hypnotika
Antidementiva
Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeit und Entzugssymptomen
Mittel gegen sexuelle Funktionsstörungen
Psychostimulanzien
Cognitive Enhancers
Medikamente zur Behandlung von Essstörungen und Adipositas
Die Darstellungen der Substanzgruppen enthalten einen Überblick über die jeweilige Kategorie sowie Informationen zu Wirkmechanismen, Einteilung der Medikamentengruppe, Indikationen, Nebenwirkungen, Kontraindikationen, Wirksamkeitsnachweis und neurobiologischen Grundlagen. In dem Themenkomplex über die Substanzgruppen werden außerdem auch nichtpharmakologische somatische Therapien erläutert, etwa Hirnstimulationsverfahren, Schlafentzug oder Lichttherapie.
In dem nächsten großen Themenkomplex, der um die 300 Seiten umfasst, wird auf die klinische Psychopharmakotherapie von Demenzen, diversen Drogen und Stimulanzien, schizophrenen Störungen, unipolar depressiven wie bipolar affektiven Störungen, Angsterkrankungen, Zwangssymptomatiken, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen, Essstörungen und Adipositas, Schlafproblemen, ADHS im Erwachsenenalter, somatoformen Dysfunktionen, Persönlichkeits- sowie sexuellen Funktionsstörungen eingegangen. Abschließend wenden sich die Autoren der speziellen Psychopharmakotherapie zu. Der Benutzer des Nachschlagewerks erfährt unter anderem Wichtiges zur Pharmakotherapie psychiatrischer Notfallsituationen, zu Psychopharmaka und Recht und dem Einsatz von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit.
An der Entstehung der vorliegenden Auflage waren rund 140 renommierte Neurologen, Psychiater und Therapeuten beteiligt. Die Grundstruktur der Erstauflage ist weitgehend unverändert geblieben, s.o. Viele Abschnitte, wie jenes zu Cognitive Enhancers, wurden im Sinne des aktuellen Forschungsstandes neu abgefasst. Die Kapitel vermitteln in verständlicher Sprache alle wichtigen Informationen. Die Autoren verlieren sich nicht in Exkursen oder stilistische Ausschmückungen, zum Teil sind Inhalte einfach in Stichworten wiedergegeben. Definitionen, grundlegende oder weiterführende Infos finden sich in blauen Kästchen, die in die Darstellungen integriert wurden. Auch ist das Handbuch großzügig illustriert. Rund 200 Abbildungen und 160 Tabellen veranschaulichen Zusammenhänge oder vertiefen Thematiken. Die bei Springer gewohnte, übersichtliche Gliederung ermöglicht es, in der Menge an Stoff nicht den Überblick zu verlieren.
Mit dem „Handbuch der Psychopharmakotherapie“ haben Gründer und Benkert ein modernes, umfassendes Standardwerk der Psychopharmakotherapie vorgelegt. Studierenden dient es mit seiner immensen Fülle an Inhalten als Lehrbuch, erfahrenen Psychiatern, Neurologen und in Kliniken tätigen Psychologen als verlässliches Nachschlage- und Referenzwerk.
Einziger Wermutstropfen: Der Preis hat sich im Vergleich zur Erstauflage verdoppelt …
Ebenfalls empfehlenswert: Das „Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie“ für den schnellen Überblick.
geschrieben am 08.03.2012 | 795 Wörter | 6111 Zeichen
Kommentare zur Rezension (0)
Platz für Anregungen und Ergänzungen