ISBN | 3824011230 | |
Autoren | Wolf-Dieter Beck , Ulrich Löhle , Jost H. Kärger | |
Verlag | Deutscher Anwaltverlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 522 | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Extras | - |
Messungen im Straßenverkehr haben inzwischen eine beachtliche Bedeutung im Prozess erlangt, was sich nicht nur beim 51. Verkehrsgerichtstag in Goslar gezeigt hat, sondern was sich auch in einer derzeit höchst dynamischen Rechtsprechung manifestiert. Sowohl für Gerichte als auch Verteidiger ist es deshalb wichtig, ein gemeinsames technisches Grundwissen zu erlangen.
Auf den ersten Blick könnte der rein juristisch vorgebildete Leser von der Gewichtung des Buches abgeschreckt werden, denn der „technische“ Teil mit detaillierten Erläuterungen zu Geschwindigkeitsmessverfahren (u.a. Multanova, Traffipax, Leivtec, PoliScan Speed, ES 3.0, ProViDa), Abstandsmessverfahren (VAMA, VKS), Rotlichtüberwachungsanlagen, Waagen und Gewichtskontrollen sowie Atemalkoholmessungen nimmt mit ca. 370 Seiten gute 80% des darstellenden Teils ein, wohingegen sich die rechtlichen Erörterungen auf ca. 100 Seiten erschöpfen und von einem neu aufgenommenen Anhang mit den Richtlinien der Bundesländer zur Geschwindigkeitsüberwachung ergänzt werden. Aber das Besondere an diesem Buch ist gerade die eingängige und effektiv zu rezipierende Darstellung der technischen Vorgänge, mit denen es sich von Konkurrenzwerken wohltuend abhebt. Die Beigabe von Skizzen, Bildern, Graphiken und Berechnungen ist zwar mittlerweile Standard in den besseren Werken zu Messverfahren, aber auf den Ton der Beschreibungen kommt es an: dieser darf sich nicht im Tech-Sprech erschöpfen, sondern muss den Leser mitnehmen, so wie dies hier geschieht. Wer auf einer Tagung oder Fortbildung einmal die Gelegenheit hatte, den Autor Löhle vortragen oder diskutieren zu hören, wird sich über die hier vorgenommene Einschätzung aber kaum wundern. Interessant ist im Übrigen zu beobachten, wie die Anregungen Löhles von Verteidigern direkt im Prozess eingebracht werden: dieser fordert z.B. die Bildung von vier Messwerten statt zwei beim Alcotest 7110 Evidential (S. 363) und in jüngerer Zeit wurde dieser Einwand mehrfach in Strafverfahren vorgetragen - allerdings erfolglos.
Bei den rechtlichen Erläuterungen von Kärger fällt meine Beurteilung insgesamt leider nicht ganz so positiv aus wie beim technischen Teil. Gut gelungen sind die kompakten Kapitel zur Rotlichtmessung, insbesondere der angreifbaren (zufälligen) Einzelbeobachtung durch einen Polizeibeamten, oder auch zu den Rechtsbehelfen. Und ganz allgemein ist die komprimierte Darstellung der Themen hier geglückt. Aber es ergeben sich doch ein paar Anregungen zur Verbesserung für die Folgeauflage: einige Kapitel erscheinen ein wenig zu umfangreich bzw. zu allgemein für das Kernthema des Werks (z.B. zu § 47 OWiG, S. 371 ff., oder zu Entbindung und Verwerfungsurteil, S. 395 ff.). Auch könnten Flüchtigkeitsfehler ausgemerzt werden: so wird zwar die Rechtsprechung zu § 8 GKG, aber auch die Norm selbst zitiert (S. 378), obwohl die Kostenniederschlagung mittlerweile in § 21 GKG geregelt ist; Rechtsprechung wird z.T. falsch wiedergegeben (S. 420, Rn. 109: hier erfolgten Freisprüche, keine Einstellungen). Auch hätte sich eine Vereinheitlichung im Sprachgebrauch zwischen Technik und Recht angeboten: bei ES 3.0 spricht Löhle korrekt vom vorauseilenden Schatten (S. 205), Kärger aber vom „durchlaufenden“ Schatten (S. 419). Schön wäre, da das Problem des anthropologischen Gutachtens benannt wird (S. 379), wenn auch ein eigenes Kapitel zur Technik dieser Begutachtung eingefügt würde. Die Nennung der Messstreckenlänge von 250-300m bei Abstandsmessungen (S. 422/423), zwar mit der Einschränkung „bei hohen Geschwindigkeiten“, wirkt so, dass der Leser den Eindruck gewinnen könnte, dass stets diese Strecke eingehalten sein muss - dem ist aber nicht so (so zuletzt OLG Hamm, NStZ-RR 2013, 48). Im Kapitel zu den Rechtsfolgen des Verkehrsverstoßes werden zum Absehen vom Fahrverbot (S. 454 ff.) zwar zahlreiche Einzelbeispiele und das über Seiten hinweg aufgeführt; hier wäre aber (so wie das Krumm in seinem Werk zum Fahrverbot beispielhaft vornimmt) eine rechtliche Systematisierung wünschenswert. Als Beispiel mag der Satz dienen „Wird von der Anordnung eines Regelfahrverbots abgesehen, ist grundsätzlich die als Regelsatz vorgesehene Geldbuße angemessen zu erhöhen“ (S. 457): Das Fahrverbot kann nämlich durchaus ersatzlos wegfallen, mglw. hilfsweise auch gegen Erhöhung der Geldbuße. Diese Dogmatik muss man sich aber vergegenwärtigen, um die Verteidigungsstrategie zu optimieren.
Am Fazit ändert sich jedoch durch die Kritik am rechtlichen Teil nichts: die Einführung in die Technik der Messungen gelingt vorzüglich und ist gut verständlich, die Beigabe der Richtlinien zu den Messungen ist ein hervorragender Zusatzaspekt des Werks. Insofern wird dieses Praxisbuch auch weiterhin ein wichtiger und valider Ratgeber für den gerichtlichen Alltag sein.
geschrieben am 06.03.2013 | 660 Wörter | 4191 Zeichen
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