ISBN | 3811406434 | |
Herausgeber | Klaus Leipold , Michael Tsambikakis , Mark Alexander Zöller | |
Verlag | Müller (C.F.jur) Heidelberg | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 2835 | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Extras | - |
Mit der Erstauflage des Werks habe ich mich schon vor 10 Jahren beschĂ€ftigt (http://webcritics.de/page/book.php?id=4337). Nunmehr sind, jeweils mit ca. 5 Jahren zeitlichen Abstands die Auflagen zwei und drei erschienen. Die Herausgeber, allesamt bekannte und etablierte Stimmen im Strafrecht, sind zum GlĂŒck erhalten geblieben, aber bei den Autoren gab es einige VerĂ€nderungen. Im Gegensatz zu den vorherigen Auflagen finden sich unter den Autoren tatsĂ€chlich nur noch drei Richter, dafĂŒr zahlreiche AnwĂ€lte und in ebenfalls groĂer StĂ€rke Vertreter der Wissenschaft, teilweise auch noch unterhalb der Professorenebene, was leider in letzter Zeit verstĂ€rkt bei Kommentaren exerziert wird. Keine Frage: irgendwann mĂŒssen auch wissenschaftliche Mitarbeiter oder Doktoranden und Habilitanden anfangen, im Schrifttum zu erscheinen, aber in Praktikerkommentaren erachte ich diesen Umstand verfehlt. Denn was soll ein âAnwaltkommentarâ anderes sein als ein Praktikerkommentar? WĂ€re er dies nicht, hĂ€tte er den Titel nicht verdient. Denn nachdem nicht nur AnwĂ€lte den Kommentar verfasst haben, muss es ja am Fokus der AusfĂŒhrungen liegen, dass man den Titel beibehalten hat. Ansonsten sollte man vielleicht darĂŒber nachdenken, das Werk einfach âHeidelberger Kommentar zum StGBâ zu nennen? Immerhin erscheint es ja auch in dieser Reihe des C.F. MĂŒller Verlages. Es gibt ja nicht einmal mehr ein erlĂ€uterndes Vorwort zur (originĂ€ren) Namensgebung.
Wie dem auch sei: das Werk wartet mit bald 3000 Seiten auf DĂŒnndruckpapier mit durchscheinender Schrift auf, ein echtes Manko bei LektĂŒre und eigenen Notizen. Die LektĂŒre selbst geht jedoch flĂŒssig voran, da die Untergliederung der Texte sowie die Verwendung von Leitwörtern im Fettdruck gut gelungen ist und ein echtes FuĂnotensystem zur Vertiefung des Gelesenen einlĂ€dt.
Wie schon seit der ersten Auflage liegt der Fokus der Kommentierungen nicht zwingend auf der Rechtsprechung des BGH, sondern teilweise wird (Professorenkommentierung) die âh.L.â vertreten (WaĂmer in § 28, Mitsch in §§ 211, 212). Ich bin weiterhin der Ansicht, dass dieser Aspekt in einem âAnwaltkommentarâ unglĂŒcklich ist, da der Anwalt vor Gericht und nicht in der Theorie oder gar in einer Klausur Erfolg haben muss. Wie man es eleganter lösen kann, zeigt Habetha in der Kommentierung zu § 249 StGB, der die Leserschaft mit dem Dualismus zwischen Rechtsprechung und h.L. fĂŒr die Abgrenzung Raub/Erpressung konfrontiert, sich auch klar zur h.L. positioniert, dann aber der Rechtsprechung den Raum gibt, der ihr in der Praxis eben zusteht.
Ganz generell wĂŒrde ich mir auĂerdem â unter dem Aspekt eines âAnwaltkommentarsâ â eine einheitlichere Abrundung der Normen unter den Aspekten Verfahrensrecht, GebĂŒhrenrecht sowie Prozesstaktik wĂŒnschen. Denn gerade das wĂ€re ein Mehrwert fĂŒr den Anwalt. Derzeit weisen jedoch nur wenige Kommentierungen solche Zusatzaspekte auf und das auch nicht einheitlich. Das wĂ€re ein schöner Aspekt zur Erweiterung des Werks in Auflage 4.
Was gibt es ansonsten zum Kommentar zu sagen? Die straĂenverkehrsbezogenen Delikte wurden vorher von Burhoff, nunmehr von Krumm kommentiert, was in beiden FĂ€llen fĂŒr praxisorientierte AusfĂŒhrungen sorgt, auch mit versicherungsrechtlichen Zusatzinformationen. Was mir in einem âAnwaltkommentarâ jedoch zusĂ€tzlich gefallen wĂŒrde, wĂ€ren noch mehr ergĂ€nzende ErlĂ€uterungen zu prozessual wichtigen Situationen, gerade im Zusammenhang mit § 111a StPO oder anderen typischen Verfahrensfragen. Erfreulich ist, dass im Pendant des Allgemeinen Teils, also in den §§ 44 und 69 (Halecker/Scheffler), eine breite Rezeption der aktuellen Rechtsprechung erfolgt, etwa bei der Frage der Grenze des bedeutenden Fremdschadens oder der Bewertung von verkehrstherapeutischen SchulungsmaĂnahmen fĂŒr die Frage der Ungeeignetheit, und Verfahrensfragen gezielt zur Sprache kommen (z.B. § 69 Rn. 51 ff.). Zudem wird an den richtigen Stellen in § 69 und § 69a bspw. auf die Unmöglichkeit des âbeschrĂ€nktenâ Fahrerlaubnisentzugs hingewiesen, was sich grundlegend von der Nebenstrafe Fahrverbot unterscheidet.
Einzelne Normen sind mir bei der LektĂŒre besonders positiv aufgefallen. Dazu gehört zunĂ€chst die Kommentierung von RĂŒbenstahl zu § 73d, der die Frage des Abzugs von Positionen sehr breit aufbereitet und spĂ€ter nach Fallgruppen sortiert. Auch die ErlĂ€uterung von MĂŒckenberger im Rahmen des § 153, was denn genau eine âfalscheâ Aussage ist, ist trotz der relativen Kompaktheit der Kommentierung sehr lesenswert und in erster Instanz direkt anwendbar. Durchweg empfehlenswert erachte ich auch die Darstellung der Sexualdelikte durch Lederer, die nicht nur Aktuelles (Cybergrooming; Neufassung des § 177) ohne BrĂŒche integriert, sondern auch Standardfragen souverĂ€n aufgreift (Vorbemerkungen vor § 174) oder auch an geeigneter Stelle eigene Positionen kritisch und gut verstĂ€ndlich ausarbeitet (§ 176a Rn. 2, § 177 Rn. 11). SchlieĂlich möchte ich noch die Kommentierungen zu §§ 299, 299a durch WollschlĂ€ger nennen, der die Rechtsentwicklung der Normen und der Rechtsprechung sehr schön nachzeichnet und zudem anhand von berufsspezifischen Besonderheiten und Fallgruppen Klarheit in die komplexe Norm bringt.
Man könnte noch zahlreiche weitere Kommentierungen positiv benennen, andererseits natĂŒrlich auch solche, die ein bisschen karg und ausbaufĂ€hig wirken, aber das ist in jedem Kommentarwerk so. Insgesamt ist der Eindruck sehr gut, es ist ein profundes, belastbares Werk, das als KomplementĂ€rwerk gut in jeden Handapparat eines Strafrechtlers passt. Weiterhin unzufrieden bin ich mit der Firmierung âAnwaltkommentarâ, denn darunter stelle ich mir etwas anderes vor, sowohl personell als auch inhaltlich. Wer sich an diesem Etikett aber nicht stört, der wird mit dem Kommentar viel Freude haben. Verbesserungspotential gibt es wie gesehen aber durchaus noch.
geschrieben am 14.06.2020 | 825 Wörter | 5121 Zeichen
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