ISBN | 3940357049 | |
Autor | Otto E. Ehlers | |
Verlag | Lilienfeld Verlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 187 | |
Erscheinungsjahr | 2008 | |
Extras | - |
Der Dandy-Expediteur wurde wahrscheinlich von Kannibalen verspeist.
Der reiche deutsche Erbe und Weltreisende Otto E. Ehlers unternahm 1895 eine Expedition nach Neuguinea mit dem Ziel der erstmaligen Durchquerung der Insel von Nord nach Süd. Ehlers, ohne abgeschlossene Berufsausbildung aber dafür voller innerer Unruhe und Reisdrang, war scheinbar bestrebt, mit einer besonderen Leistung in die Geschichte einzugehen und dem deutschen Kaiser zu imponieren. Zuvor war er daran gescheitert, als erster Europäer den Kilimandscharo zu besteigen. Aber Ehlers Gruppe war denkbar schlecht vorbereitet. Sie hatten zuwenig Essen und Wasser dabei und waren nicht auf die Regenzeit eingestellt. Der Tross bestand insgesamt aus 43 Melanesiern, zwei Europäern und einem Mann aus Mauritius. Am Morgen des 14. August verließen sie das Schiff »Ysabel«, um von der Mündung des Franziskaflusses ins Landesinnere zu gelangen und die Durchquerung zu beginnen. Die Expedition verbrauchte die mitgenommenen Vorräte viel schneller als geplant. Darüber hinaus kam man wesentlich langsamer voran als gedacht. Nach der Ankunft der Überlebenden Einheimischen am 24. Oktober in der britischen Missionsstation Motu Motu widersprachen sich ihre Aussagen. Zuerst hieß es, Ehlers sei mit seinem Polizeimeister Wilhelm Piering, der die Leute in Griff halten sollte, ertrunken. Erst etwa ein Jahr später wurde von einem Überlebenden berichtet, Ehlers und andere seien von den melanesischen Trägern verspeist worden. Hungerkannibalismus.
All das erfährt der Leser der Neuausgabe von Ehlers damals betitelter »Perle der Südsee« in einem instruktiven Nachwort von Hermann Joseph Hiery. Der Düsseldorfer Lilienfeld Verlag hat sich dankenswerter Weise dieses kleinen Büchleins angenommen und entreißt es der Vergessenheit. Nicht nur wegen seines erheblichen Erbes und des fehlenden Berufes wird Ehlers heute als Dandy-Abenteurer bezeichnet. Auch seine Sprache und Ironie gleichen dandyistischen Allüren. Wie die Nähe zum Kaiser, so sucht Ehlers auch die Bekanntschaft des Königs von Samoa, der allerdings von der Kolonialmacht nicht mehr ganz für voll genommen wird. »Ich begrüßte Seine Majestät nicht nur in seiner Eigenschaft als Landesherrn, sondern auch als Kollegen; denn gleich mir hat Malietoa große Reisen unternommen, wenn auch nicht in ganz so ungezwungener Weise wie ich, wofür er aber andererseits den Vorteil hatte, seine Reisekosten vom Deutschen Reich getragen zu sehen, während ich leider die meinigen aus eigenen Mitteln bestreiten muß.« Ehlers meint damit, dass das Deutsche Reich Malietoa verhaftet hat und nach Hamburg verbrachte. Der Südsee-Dandy regt sich darüber auf, dass man den König die ganze Reise im Zwischendeck untergebracht hatte. Das findet er »empörend und unklug«. Da das nicht standesgemäß gewesen sei, bräuchte man sich in Deutschland nun nicht zu wundern, »daß er, nachdem er 1889 mit allen königlichen Ehren und allerlei Brimborium wieder auf den Thron zurückbefördert worden ist, keine sonderlichen Sympathien für eine Nation hegt, die ihn als ihren Gefangenen in so unwürdiger Weise behandelt hat«.
Ehlers berichtet von so allerlei Skurilitäten, die man erlebt, wenn man am Ende des 19. Jahrhunderts das Ende der Welt bereist. Er berichtet von offenen Gefängnissen, weil dem Deutschen Reich die Kosten für die permanente Betreuung zu hoch sind. Man erfährt aber auch, wie die unterschiedlichen Mentalitäten aufeinanderprallen. Schließlich ist die Inselgruppe von den USA, Briten und Deutschland zugleich beansprucht worden. Und schließlich müssen die Kolonialisten auch noch mit den Bewohnern auskommen: »Alle Versuche, die Samoaner an regelmäßige Arbeit zu gewöhnen, scheiterten an der diesen liebenswürdigen Menschen angeborenen Trägheit. Sie verlangten unverhältnismäßig hohe Löhne für außerordentlich geringe Leistungen und zeigten sich außerdem in jeder Hinsicht als unzuverlässig.« Ehlers amüsiert sich über die Spießigkeit seiner Landsleute in der Heimat und baut in jeden Bericht einen Kalauer ein.
Ehlers' Reisebericht ist aus heutigem Abstand immernoch äußerst lesenswert; skurril und dennoch intelligent und von historischem Wert. Bei allem amüsierten Kopfschütteln nach über 100 Jahren sollte man nicht vergessen, dass Ehlers Buch für lange Zeit das Bild über die Südsee bei den Deutschen geprägt hat. Es ist letztlich die Mischung aus Faktischem, Erzählung und bewusst Ofenbleibendem, die Bilder schafft.
geschrieben am 02.12.2008 | 633 Wörter | 3876 Zeichen
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