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M - Eine Stadt sucht einen Mörder


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Rezension von

Frank Drehmel

M - Eine Stadt sucht einen Mörder Als jemand, der grundsätzlich nicht abgeneigt ist, mit seiner kulturellen Ignoranz zu kokettieren, gestehe ich ohne Reue: Fritz Langs hochgelobten Film, „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, habe ich vor etwa zwanzig Jahren zum ersten und zum letzten Mal gesehen und fand ihn in vielerlei Hinsicht – pardon – todlangweilig. Es gibt Kinofilme, zu denen habe ich keinen emotionalen Zugang, weder in filmästhetischer, noch in inhaltlicher Hinsicht. Von daher fällt es mir nicht nur schwer, einen Vergleich zwischen Film und Comic zu ziehen, sondern es ist mir schlichtweg unmöglich. Außerdem stellen eben diesen Vergleich der renommierte deutsche Feuilletonist und Filmkritiker Georg Seeßlen in einem umfangreichen, essayistischen Vorwort sowie CrossCult-Redakteur Jochen Ecke in einem ähnlich umfangreichen Nachwort zu dieser Graphik-Novel an, so dass ein Beitrag meinerseits auch noch überflüssig wäre. Also überlasse ich hier den wahrhaft Berufenen den Vortritt und richte mein Augenmerk auf die Frage, ob Muths Werk als Comic funktioniert und nicht, ob es eine – wie auch immer – angemessene Adaption von Langs Stoff darstellt, selbst wenn Letzteres Muths zentrale Intention gewesen sein mag. Die Geschichte ist ist in wenigen Worten erzählt: acht Monate, acht tote Kinder, ein verschwundenes Mädchen. In einer namenlosen Großstadt treibt ein Kindermörder sein Unwesen. Trotz einer Belohnung von 100.000 und 1500 Hinweisen hat die Polizei kaum verwertbare Spuren, so dass sich ihr Handeln in Aktionismus erschöpft. Eine massive Polizeipräsenz auf den Straßen soll die Illusion von Sicherheit erzeugen und tägliche Razzien in zwielichtigen Etablissements sollen weitere Indizien zur Identität des Mörders liefern. Die Stimmung in der Bevölkerung grenzt an Hysterie und Übergriffe auf harmlose, sich auf irgendeine Art und Weise verdächtig machende Mitbürger sind an der Tagesordnung. Da die Maßnahmen der Polizei sich negativ auf den Cashflow unterweltlicher Transaktionen auswirken, beschließen die Vertreter der Verbrecherorganisationen in einer Art Konzil, den Ordnungshütern die Angelegenheit nicht alleine zu überlassen, den Täter auf eigene Faust zu suchen und zu richten. Ein Verdächtiger ist schnell ausgemacht und die Jagd beginnt. Jon J. Muths Comic-Adaption hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Auf der einen Seite steht ein bahnbrechendes und Maßstäbe setzendes Artwork, auf der anderen eine relativ dünne und vordergründig umgesetzte Story. Beginnen wir mit ersterem: Ausgangspunkt für die Bilder ist ein Prozess, der gemeinhin als Reenactment bezeichnet wird. Muth lässt Szenen und Einstellungen des Films sowie eigene Ideen Personen durch Freunde und Bekannte nachstellen, fotografiert die Szenerien sodann, um die Fotos schließlich nachzubearbeiten. Bei der Nachbearbeitung bedient sich der Künstler unterschiedlichster grafischer und malerischer Techniken, setzt die Bilder zu Collagen zusammen und verfremdet das fotorealistische Ausgangsmaterial mehr oder weniger stark ins Surreale. Verwischte Konturen sowie eine monochrome, ins sepiafarbene spielende Koloration, die durch vereinzelte vage und in ihrer Verhaltenheit um so ausdrucksstärkere Buntfarbenuancen akzentuiert wird, verleihen Muths Bildern eine gleichermaßen ephemere wie verstörend tiefe Atmosphäre, in der man sich verlieren kann. Und genau das ist das Problem. Die Bilder sind in toto aber auch einzeln betrachtet so dekorativ und plakativ, dass ihre visuelle Macht die vagen, interpretationsbedürftigen Metaphern und dürftigen Botschaften der Story – Plädoyer gegen Lynchjustiz und Todesstrafe, die Frage nach der Schuldfähigkeit psychisch Kranker oder die Zeichnung bestimmter Milieus - zu erdrücken droht. Erschwerend kommt hinzu, dass in der modernen europäischen Rechtsetzung das in der Story vertretene Menschenbild sowie die angemahnten Normen längst ihren Niederschlag gefunden haben, sodass die Geschichte letztendlich dem Leser kaum neue oder kontroverse Ansichten bzw. Erkenntnisse zu vermitteln vermag und ihr daher auf dieser Seite kein großer Unterhaltungswert innewohnt.1931, im Jahr also als der nach Thea von Harbous und Fritz Langs Drehbuch inszenierte Film erschien, waren die Fragestellungen, die das Comic anspricht, zweifellos von aktueller Brisanz, heute wirkt das Ganze zumindest für den aufgeklärten Europäer anachronistisch. Aber auch als Historienspiel taugt Muths Graphic Novel nicht. Der Grund dafür liegt in der bemüht wirkenden, eher für Heiterkeit, denn für gefälliges Kopfnicken sorgenden Entlokalisierung des urbanen Handlungsortes. Einer Währung ohne Einheit, einem Stadtplan ohne Signifikanz, beliebiger Städtearchitektur oder einem holperig abgewandelten Kinderreim stehen in der deutschen Übersetzung ein Berliner Idiom, eine Bevölkerung von 4,5 Millionen Bürgern – was in etwa der Einwohnerzahl Berlins Mitte der 30'er Jahre des letzten Jahrhunderts entspricht - sowie die explizite Bezugnahme auf die Gefängnisse von Tegel und Brandenburg gegenüber, so dass zumindest für den deutschen Leser trotz der Verschleierungsversuche kaum Zweifel bezüglich des Ortes des Geschehens bestehen. Über Muths Motive diesbezüglich kann man spekulieren – mag sein, dass er die Allgemeingültigkeit seines Werkes betonen wollte, mag sein, dass er der Kritik keinen historisch konkreten Anknüpfungspunkte liefern wollte - doch letztlich bleiben sie im Dunkeln. Auf editorischer Seite leistet CrosCult einmal mehr großartige Arbeit: neben den beiden schon erwähnten umfangreichen redaktionellen Beiträgen Seeßlens und Eckes sowie einem kurzen Nachwort Jon J. Muths ist es die hervorragende Qualität des Drucks, welche auch die feinen Nuancen innerhalb der Sepia- und Grautöne erlebbar macht. Fazit: Das intensive und originelle Artwork setzte 1990 in der Comic-Kunst zwar Maßstäbe, bedauerlicherweise jedoch erdrückt es die einfache, wenig komplexe Geschichte. Für Freunde dekorativer Comics dennoch ein Must Have.

Als jemand, der grundsätzlich nicht abgeneigt ist, mit seiner kulturellen Ignoranz zu kokettieren, gestehe ich ohne Reue: Fritz Langs hochgelobten Film, „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, habe ich vor etwa zwanzig Jahren zum ersten und zum letzten Mal gesehen und fand ihn in vielerlei Hinsicht – pardon – todlangweilig. Es gibt Kinofilme, zu denen habe ich keinen emotionalen Zugang, weder in filmästhetischer, noch in inhaltlicher Hinsicht.

weitere Rezensionen von Frank Drehmel

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Buchtitel
1
18.02.2018
4
18.02.2018
5
18.02.2018

Von daher fällt es mir nicht nur schwer, einen Vergleich zwischen Film und Comic zu ziehen, sondern es ist mir schlichtweg unmöglich. Außerdem stellen eben diesen Vergleich der renommierte deutsche Feuilletonist und Filmkritiker Georg Seeßlen in einem umfangreichen, essayistischen Vorwort sowie CrossCult-Redakteur Jochen Ecke in einem ähnlich umfangreichen Nachwort zu dieser Graphik-Novel an, so dass ein Beitrag meinerseits auch noch überflüssig wäre.

Also überlasse ich hier den wahrhaft Berufenen den Vortritt und richte mein Augenmerk auf die Frage, ob Muths Werk als Comic funktioniert und nicht, ob es eine – wie auch immer – angemessene Adaption von Langs Stoff darstellt, selbst wenn Letzteres Muths zentrale Intention gewesen sein mag.

Die Geschichte ist ist in wenigen Worten erzählt: acht Monate, acht tote Kinder, ein verschwundenes Mädchen. In einer namenlosen Großstadt treibt ein Kindermörder sein Unwesen. Trotz einer Belohnung von 100.000 und 1500 Hinweisen hat die Polizei kaum verwertbare Spuren, so dass sich ihr Handeln in Aktionismus erschöpft. Eine massive Polizeipräsenz auf den Straßen soll die Illusion von Sicherheit erzeugen und tägliche Razzien in zwielichtigen Etablissements sollen weitere Indizien zur Identität des Mörders liefern.

Die Stimmung in der Bevölkerung grenzt an Hysterie und Übergriffe auf harmlose, sich auf irgendeine Art und Weise verdächtig machende Mitbürger sind an der Tagesordnung.

Da die Maßnahmen der Polizei sich negativ auf den Cashflow unterweltlicher Transaktionen auswirken, beschließen die Vertreter der Verbrecherorganisationen in einer Art Konzil, den Ordnungshütern die Angelegenheit nicht alleine zu überlassen, den Täter auf eigene Faust zu suchen und zu richten. Ein Verdächtiger ist schnell ausgemacht und die Jagd beginnt.

Jon J. Muths Comic-Adaption hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Auf der einen Seite steht ein bahnbrechendes und Maßstäbe setzendes Artwork, auf der anderen eine relativ dünne und vordergründig umgesetzte Story.

Beginnen wir mit ersterem: Ausgangspunkt für die Bilder ist ein Prozess, der gemeinhin als Reenactment bezeichnet wird. Muth lässt Szenen und Einstellungen des Films sowie eigene Ideen Personen durch Freunde und Bekannte nachstellen, fotografiert die Szenerien sodann, um die Fotos schließlich nachzubearbeiten. Bei der Nachbearbeitung bedient sich der Künstler unterschiedlichster grafischer und malerischer Techniken, setzt die Bilder zu Collagen zusammen und verfremdet das fotorealistische Ausgangsmaterial mehr oder weniger stark ins Surreale.

Verwischte Konturen sowie eine monochrome, ins sepiafarbene spielende Koloration, die durch vereinzelte vage und in ihrer Verhaltenheit um so ausdrucksstärkere Buntfarbenuancen akzentuiert wird, verleihen Muths Bildern eine gleichermaßen ephemere wie verstörend tiefe Atmosphäre, in der man sich verlieren kann. Und genau das ist das Problem.

Die Bilder sind in toto aber auch einzeln betrachtet so dekorativ und plakativ, dass ihre visuelle Macht die vagen, interpretationsbedürftigen Metaphern und dürftigen Botschaften der Story – Plädoyer gegen Lynchjustiz und Todesstrafe, die Frage nach der Schuldfähigkeit psychisch Kranker oder die Zeichnung bestimmter Milieus - zu erdrücken droht. Erschwerend kommt hinzu, dass in der modernen europäischen Rechtsetzung das in der Story vertretene Menschenbild sowie die angemahnten Normen längst ihren Niederschlag gefunden haben, sodass die Geschichte letztendlich dem Leser kaum neue oder kontroverse Ansichten bzw. Erkenntnisse zu vermitteln vermag und ihr daher auf dieser Seite kein großer Unterhaltungswert innewohnt.1931, im Jahr also als der nach Thea von Harbous und Fritz Langs Drehbuch inszenierte Film erschien, waren die Fragestellungen, die das Comic anspricht, zweifellos von aktueller Brisanz, heute wirkt das Ganze zumindest für den aufgeklärten Europäer anachronistisch.

Aber auch als Historienspiel taugt Muths Graphic Novel nicht. Der Grund dafür liegt in der bemüht wirkenden, eher für Heiterkeit, denn für gefälliges Kopfnicken sorgenden Entlokalisierung des urbanen Handlungsortes. Einer Währung ohne Einheit, einem Stadtplan ohne Signifikanz, beliebiger Städtearchitektur oder einem holperig abgewandelten Kinderreim stehen in der deutschen Übersetzung ein Berliner Idiom, eine Bevölkerung von 4,5 Millionen Bürgern – was in etwa der Einwohnerzahl Berlins Mitte der 30'er Jahre des letzten Jahrhunderts entspricht - sowie die explizite Bezugnahme auf die Gefängnisse von Tegel und Brandenburg gegenüber, so dass zumindest für den deutschen Leser trotz der Verschleierungsversuche kaum Zweifel bezüglich des Ortes des Geschehens bestehen. Über Muths Motive diesbezüglich kann man spekulieren – mag sein, dass er die Allgemeingültigkeit seines Werkes betonen wollte, mag sein, dass er der Kritik keinen historisch konkreten Anknüpfungspunkte liefern wollte - doch letztlich bleiben sie im Dunkeln.

Auf editorischer Seite leistet CrosCult einmal mehr großartige Arbeit: neben den beiden schon erwähnten umfangreichen redaktionellen Beiträgen Seeßlens und Eckes sowie einem kurzen Nachwort Jon J. Muths ist es die hervorragende Qualität des Drucks, welche auch die feinen Nuancen innerhalb der Sepia- und Grautöne erlebbar macht.

Fazit: Das intensive und originelle Artwork setzte 1990 in der Comic-Kunst zwar Maßstäbe, bedauerlicherweise jedoch erdrückt es die einfache, wenig komplexe Geschichte. Für Freunde dekorativer Comics dennoch ein Must Have.

geschrieben am 06.07.2009 | 818 Wörter | 5102 Zeichen

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