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Technik und Taktik der Befragung im Gerichtsverfahren


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Technik und Taktik der Befragung im Gerichtsverfahren Die Neuerscheinung des Werks von Wendler und Hoffmann behandelt eine Thematik, mit der man sich spätestens als Referendar auseinander setzen muss: die Befragung von Personen im Gerichtsverfahren. Nur knapp über 150 Seiten samt einer CD-Rom genügen den Autoren zur Darstellung des Stoffs. Die Gestaltung des Buchs birgt einiges an Abwechslung, aber das dichte Textbild ist oftmals eine Zumutung. Durch grau hinterlegte Merksätze, viele Beispiele, z.T. in Nachstellung von Befragungsszenen und graphische Abbildungen wird die Materie wenigstens rasch lebendig. Vier Kapitel führen den Leser durch die Thematik. Zunächst werden Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik behandelt, sodann die Frage nach Wahrheit oder Lüge, darauf folgt das Kapitel über den Irrtum und am Ende muss man sich mit der Befragung von Ausländern befassen. Um es voranzustellen: dieses Buch ist für engagierte Juristen eine ganz hervorragende Lektüre und ein Leitfaden zur ständigen Selbstreflexion in forensischen Situationen. Dennoch müssen einige Negativpunkte an den Anfang gestellt werden, die hoffentlich in der Folgeauflage beseitigt werden: Es ist höchst lästig, dass die Autoren in einem Anfall mittlerweile überholter politischer Korrektheit im Fließtext nahezu dauernd dem „/-innen“-Komplex frönen. Die Nennung von weiblicher und männlicher Bezeichnung ist für den Lesefluss eine Katastrophe und wird nicht einmal ganz konsequent durchgehalten. Also bitte: abschaffen! Zudem ist die beharrliche Großschreibung der „TAKTIK“ in der Vernehmung für den in der Regel hoffentlich intelligenten Leser ein gar überflüssiges Hinweisschild. Der Duktus des Textflusses gleicht des Weiteren eher einem Seminar als einem Lehrbuch, was aber Geschmackssache des einzelnen Lesers sein dürfte. Schließlich liegt der Fokus des Werks ganz klar auf der Sicht und Handlungsweise des Richters und es ist folglich nur mit Einschränkungen für Anwälte brauchbar. Letztere können immerhin die Gedankengänge des Gerichts studieren und dürfen so manche Theorie über ihre eigene Handlungsweise lesen. Auch Staatsanwälte sind in der Darstellung allenfalls Statisten, erhalten aber keine genuinen Informationen oder Handlungsvorschläge. In dieser Hinsicht sollte die Bewerbung des Buches vielleicht neutraler gehalten oder demnächst pointiertere Kapitel eingeflochten werden. Dennoch sind die Ausführungen für jeden Prozessbeteiligten lehrreich. Aus der Sicht des nur am Amtsgericht tätigen Richters sind darüber hinaus die durchaus lobenswerten Vorschläge von bereitstehenden Getränken für Zeugen, Vorab-Führungen durch den Gerichtssaal oder die Tonbandaufnahme der gesamten Vernehmung (samt nachträglichem Abtippen!) genauso utopisch wie die Hoffnung auf eine angemessen finanzierte Justiz: wer dem zeitlichen Stress (ohne das Unwort „Überlastung“ überhaupt nur zu denken, welches die Autoren en passant in den Bereich der Fabel zu verweisen bzw. als beliebte Ausrede zu brandmarken scheinen) und oft personellen Chaos am Amtsgericht ausgesetzt ist, kann über solche luxuriösen Ideen nur schmunzeln. Kommen wir aber nun zum deutlich überwiegenden positiven Part. Dieses Buch, „Lehrbuch“ wäre schon fast zu karg, Plädoyer für eine gute Vernehmung träfe es eher, konfrontiert den Leser mit etlichen Aspekten rund um die Vernehmung einer Person im Verfahren, wobei ohne inhaltliche Abstriche Zivil- und Strafverfahren abgedeckt werden. Die Rolle der Prozessbeteiligten wird klar herausgearbeitet und die dahinter stehenden Interessen werden auf die Art der Vernehmung projiziert. Auch die Parteien als Erkenntnisquelle werden mit Nachdruck zur Vernehmung empfohlen, leider eine im Zivilprozess zu selten genutzte Möglichkeit. Beachtlich sind auch die vielen herausgearbeiteten Details im Vernehmungsalltag, etwa das Verhältnis von Taktik, Prädestination des Fragenden und Zeitdruck im Prozess oder die schlichte Erkenntnis, dass die Einflussnahme aller Prozessbeteiligten auf die Auskunftsperson möglich, aber durchaus steuerbar ist. Selbst die psychologischen Auswirkungen der Sitzordnung auf die Vernehmung sind erwähnt und expliziert. Hinzu kommen die Unterscheidungen zwischen Rekonstruktion und Erinnerung sowie die hoch problematische Nutzung von suggestiven Fragen bzw. der Ersetzung von Fragen durch eigene Behauptungen, die bei schlechter Protokollierung oftmals unbemerkt oder ungeahndet bleiben. Umso wichtiger sind die Betonung der Kontrollpflicht aller Prozessbeteiligten und die Warnung vor der dabei leider leicht zu verletzenden Eitelkeit des Befragenden, der Richter vorneweg. Lobenswert ist außerdem der Appell an die Nutzung unjuristischer Sprache zur Herstellung einer Verständigungsebene mit der Auskunftsperson. Ganz exzellent werden die Unterschiede zwischen Lüge, Irrtum und Täuschung herausgestellt und der oftmals geschehende Selbstbetrug des Vernehmenden entlarvt, der vermeintliche Erfahrung für Vernehmungswissen hält und sich nicht neu auf jede Situation einlassen kann, um das Ungedachte vielleicht doch zuzulassen. Insbesondere der Vorhalt an die Juristen, gerade nicht besonders gut im Entlarven von Falschaussagen und Lügen zu sein, sollte manchem zu denken geben. Ebenfalls sorgfältig verarbeiten muss der Leser die ausführliche Unterscheidung zwischen Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit sowie den beachtlichen Kriterienkatalog zur Bemessung einer Aussage und deren Wahrheitsgehalt. Schließlich muss das Unterkapitel zur Erinnerung empfohlen werden, das auf knappem Raum die wesentlichen Probleme mit dem Wissensabruf präsentiert. Wie anfangs gesagt: engagierte Juristen werden dieses Buch lesen, d.h. durchlesen, und die Erkenntnisse zur selbstkritischen Reflexion nutzen. Der Rest wird die durchaus anspruchsvolle Lektüre leider ohnehin nicht durchhalten und weiter seinen eingefahrenen Stiefel im Gerichtssaal exerzieren. Wer also zu den echten Lesern gehört, der hat nach der Lektüre eine gewaltige geistige Anstrengung hinter sich und dürfte, egal ob er die Ratschläge der Autoren annimmt oder nicht, sein juristisches Wirken verbessern: bereits das Nachdenken über ein mögliches Problem (bei sich selbst) dient der Qualitätssicherung. Wer sich im Laufe der Ausbildung schon vorab zu einem guten Vernehmer mausern will, der sei gewarnt: selbst die Autoren geben zu, Fehler gemacht und aus diesen gelernt zu haben. Man darf als Richter und Anwalt durchaus Fehler bei Vernehmungen machen, sollte sich aber einer notfalls internen Supervision nie verschließen. Schon allein dieser Anstoß macht das Buch so lesenswert.

Die Neuerscheinung des Werks von Wendler und Hoffmann behandelt eine Thematik, mit der man sich spätestens als Referendar auseinander setzen muss: die Befragung von Personen im Gerichtsverfahren. Nur knapp über 150 Seiten samt einer CD-Rom genügen den Autoren zur Darstellung des Stoffs.

weitere Rezensionen von Dr. Benjamin Krenberger


Die Gestaltung des Buchs birgt einiges an Abwechslung, aber das dichte Textbild ist oftmals eine Zumutung. Durch grau hinterlegte Merksätze, viele Beispiele, z.T. in Nachstellung von Befragungsszenen und graphische Abbildungen wird die Materie wenigstens rasch lebendig. Vier Kapitel führen den Leser durch die Thematik. Zunächst werden Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik behandelt, sodann die Frage nach Wahrheit oder Lüge, darauf folgt das Kapitel über den Irrtum und am Ende muss man sich mit der Befragung von Ausländern befassen.

Um es voranzustellen: dieses Buch ist für engagierte Juristen eine ganz hervorragende Lektüre und ein Leitfaden zur ständigen Selbstreflexion in forensischen Situationen. Dennoch müssen einige Negativpunkte an den Anfang gestellt werden, die hoffentlich in der Folgeauflage beseitigt werden: Es ist höchst lästig, dass die Autoren in einem Anfall mittlerweile überholter politischer Korrektheit im Fließtext nahezu dauernd dem „/-innen“-Komplex frönen. Die Nennung von weiblicher und männlicher Bezeichnung ist für den Lesefluss eine Katastrophe und wird nicht einmal ganz konsequent durchgehalten. Also bitte: abschaffen! Zudem ist die beharrliche Großschreibung der „TAKTIK“ in der Vernehmung für den in der Regel hoffentlich intelligenten Leser ein gar überflüssiges Hinweisschild. Der Duktus des Textflusses gleicht des Weiteren eher einem Seminar als einem Lehrbuch, was aber Geschmackssache des einzelnen Lesers sein dürfte. Schließlich liegt der Fokus des Werks ganz klar auf der Sicht und Handlungsweise des Richters und es ist folglich nur mit Einschränkungen für Anwälte brauchbar. Letztere können immerhin die Gedankengänge des Gerichts studieren und dürfen so manche Theorie über ihre eigene Handlungsweise lesen. Auch Staatsanwälte sind in der Darstellung allenfalls Statisten, erhalten aber keine genuinen Informationen oder Handlungsvorschläge. In dieser Hinsicht sollte die Bewerbung des Buches vielleicht neutraler gehalten oder demnächst pointiertere Kapitel eingeflochten werden. Dennoch sind die Ausführungen für jeden Prozessbeteiligten lehrreich.

Aus der Sicht des nur am Amtsgericht tätigen Richters sind darüber hinaus die durchaus lobenswerten Vorschläge von bereitstehenden Getränken für Zeugen, Vorab-Führungen durch den Gerichtssaal oder die Tonbandaufnahme der gesamten Vernehmung (samt nachträglichem Abtippen!) genauso utopisch wie die Hoffnung auf eine angemessen finanzierte Justiz: wer dem zeitlichen Stress (ohne das Unwort „Überlastung“ überhaupt nur zu denken, welches die Autoren en passant in den Bereich der Fabel zu verweisen bzw. als beliebte Ausrede zu brandmarken scheinen) und oft personellen Chaos am Amtsgericht ausgesetzt ist, kann über solche luxuriösen Ideen nur schmunzeln.

Kommen wir aber nun zum deutlich überwiegenden positiven Part. Dieses Buch, „Lehrbuch“ wäre schon fast zu karg, Plädoyer für eine gute Vernehmung träfe es eher, konfrontiert den Leser mit etlichen Aspekten rund um die Vernehmung einer Person im Verfahren, wobei ohne inhaltliche Abstriche Zivil- und Strafverfahren abgedeckt werden. Die Rolle der Prozessbeteiligten wird klar herausgearbeitet und die dahinter stehenden Interessen werden auf die Art der Vernehmung projiziert. Auch die Parteien als Erkenntnisquelle werden mit Nachdruck zur Vernehmung empfohlen, leider eine im Zivilprozess zu selten genutzte Möglichkeit. Beachtlich sind auch die vielen herausgearbeiteten Details im Vernehmungsalltag, etwa das Verhältnis von Taktik, Prädestination des Fragenden und Zeitdruck im Prozess oder die schlichte Erkenntnis, dass die Einflussnahme aller Prozessbeteiligten auf die Auskunftsperson möglich, aber durchaus steuerbar ist. Selbst die psychologischen Auswirkungen der Sitzordnung auf die Vernehmung sind erwähnt und expliziert. Hinzu kommen die Unterscheidungen zwischen Rekonstruktion und Erinnerung sowie die hoch problematische Nutzung von suggestiven Fragen bzw. der Ersetzung von Fragen durch eigene Behauptungen, die bei schlechter Protokollierung oftmals unbemerkt oder ungeahndet bleiben. Umso wichtiger sind die Betonung der Kontrollpflicht aller Prozessbeteiligten und die Warnung vor der dabei leider leicht zu verletzenden Eitelkeit des Befragenden, der Richter vorneweg. Lobenswert ist außerdem der Appell an die Nutzung unjuristischer Sprache zur Herstellung einer Verständigungsebene mit der Auskunftsperson. Ganz exzellent werden die Unterschiede zwischen Lüge, Irrtum und Täuschung herausgestellt und der oftmals geschehende Selbstbetrug des Vernehmenden entlarvt, der vermeintliche Erfahrung für Vernehmungswissen hält und sich nicht neu auf jede Situation einlassen kann, um das Ungedachte vielleicht doch zuzulassen. Insbesondere der Vorhalt an die Juristen, gerade nicht besonders gut im Entlarven von Falschaussagen und Lügen zu sein, sollte manchem zu denken geben. Ebenfalls sorgfältig verarbeiten muss der Leser die ausführliche Unterscheidung zwischen Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit sowie den beachtlichen Kriterienkatalog zur Bemessung einer Aussage und deren Wahrheitsgehalt. Schließlich muss das Unterkapitel zur Erinnerung empfohlen werden, das auf knappem Raum die wesentlichen Probleme mit dem Wissensabruf präsentiert.

Wie anfangs gesagt: engagierte Juristen werden dieses Buch lesen, d.h. durchlesen, und die Erkenntnisse zur selbstkritischen Reflexion nutzen. Der Rest wird die durchaus anspruchsvolle Lektüre leider ohnehin nicht durchhalten und weiter seinen eingefahrenen Stiefel im Gerichtssaal exerzieren. Wer also zu den echten Lesern gehört, der hat nach der Lektüre eine gewaltige geistige Anstrengung hinter sich und dürfte, egal ob er die Ratschläge der Autoren annimmt oder nicht, sein juristisches Wirken verbessern: bereits das Nachdenken über ein mögliches Problem (bei sich selbst) dient der Qualitätssicherung. Wer sich im Laufe der Ausbildung schon vorab zu einem guten Vernehmer mausern will, der sei gewarnt: selbst die Autoren geben zu, Fehler gemacht und aus diesen gelernt zu haben. Man darf als Richter und Anwalt durchaus Fehler bei Vernehmungen machen, sollte sich aber einer notfalls internen Supervision nie verschließen. Schon allein dieser Anstoß macht das Buch so lesenswert.

geschrieben am 11.01.2010 | 877 Wörter | 5725 Zeichen

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