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Elfter September


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Informationen zum Buch
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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Elfter September Eigentlich sollte das Buch ein Roman werden. Ein Roman, der die innere Soziologie der Macht porträtiert: Das Leben, den Alltag und die Charaktere von Politikern und Journalisten im politischen Berlin. Aber Rainald Goetz sah sich nicht in der Lage, das, was er sah, erfuhr, hörte, - ertragen musste, in eine sprachliche Form zu gießen. Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller hatte deswegen sogar schon beschlossen, in den Arztberuf zu wechseln. Schließlich hat er Medizin studiert, und sein Bruder, ebenfalls Arzt, wollte eine Praxis eröffnen, in die Rainald Goetz mit einstgestiegen wäre. Glücklicherweise hat es sich der Bruder anders überlegt. So gibt es ein neues Buch von Rainald Goetz. Der Bildband elfter september 2010. Bilder eines Jahrzehnts präsentiert Schwarz-Weiß-Photographien aus den sogenannten Nullerjahren, - also von 2000 bis heute. Dem Zeit-Magazin verriet der Schriftsteller, er habe diese Jahre als »extrem düster empfunden, ein Finsternisexzess«. Tatsächlich merkt man diese Grundstimmung den Photos nicht direkt an. Vielmehr vermag das großformatige Buch, das Goetz gerade im Haus des Suhrkamp Verlages in der Berliner Pappelallee vorstellte, auf unterschiedliche Weise gelesen zu werden. So wie es sich Rainald Goetz dachte: »Man nimmt es in die Hand, blättert ein bisschen darin und hat es sofort intuitiv erfasst, hat es drin. Andererseits kann man auch richtig einsteigen und sich sehr darin vertiefen.« Dass die Präsentation von einem riesigen Medien-Auflauf begleitet wurde, konnte nicht verwundern. Schließlich sehen sich seit den vergangenen Büchern klage und loslabern namhafte Journalisten gezwungen, Goetzens diaristische Literatur weniger aus poetischem Interesse als vielmehr Eitelkeitserwägungen zu studieren: Hat er mich erwähnt, finde ich bei ihm statt? Und wenn ja; positiv oder negativ? Kann ich damit leben? Damit leben können wohl die meisten, sind Sensibilität und Menschlichkeit doch eher etwas für Pfarrer und Sozialarbeiter. Rainald Goetz nahm diese Gegebenheit in die Inszenierung seiner Buchpräsentation in mehreren Akten auf, indem er die Namen aller in dem Photoband stattfindenden Relativen und Absoluten Personen der Zeitgeschichte - wie auf einem mittelalterlichen Marktplatz - laut vorlas. Der Photoband enthebt die Gegenwart ein wenig aus ihrer Gegenwärtigkeit, die sie so schwer greifbar sein lässt. Noch immer leben wir ja in diesen aufwühlenden, hektischen Nullerjahren. Noch immer ist Berlin-Mitte, die Heimat von Rainald Goetz, eine einzige laute, stinkende Baustelle. Knappe Bildunterschriften lassen jedwede Differenz zwischen unserem ersten Gedanken beim Betrachten des Bildes - unser Vor-Urteil -, einem Motiv des Photographen und einem eventuellen objektiven Inhalt fragil werden. Rainald Goetz ist manischer Photograph. Er geht tagelang durch die Stadt namens Wahnsinn und photographiert und photographiert. Für seinen riesigen Fundus musste er sich gerade weitere Billy-Regale zulegen, um überhaupt wieder einen Überblick zu gewinnen. Geprägt hat ihn seine Mutter, eine Berufs-Photographin, mit deren Dunkelkammer er aufwuchs. Der doppelt promovierte Mediziner und Historiker Goetz hängt riesig vergrößerte Zeitungsartikel in seinem Arbeitszimmer auf, um sie vollends auf sich wirken zu lassen. Einige davon hängte er in den Räumen der Präsentation auf. elfter september ist der vierte Band von Schlucht. In dem ersten Band der Schlucht-Reihe von Rainald Goetz, dem Internet-Tagebuch klage, heißt es: »Unverwischte Bilder, auf denen der Hass nicht das Zerstörte ist, nicht Präzision. Die Trottelwelt trotzdem nicht widerlegen, in ihr auch nicht mehr nicht mitleben, nicht schreckhaft aufflattern, nicht angstlos und nicht unabgehärtet. Nie vergessen wie das geht.« "Das Buch zum Film."

Eigentlich sollte das Buch ein Roman werden. Ein Roman, der die innere Soziologie der Macht porträtiert: Das Leben, den Alltag und die Charaktere von Politikern und Journalisten im politischen Berlin. Aber Rainald Goetz sah sich nicht in der Lage, das, was er sah, erfuhr, hörte, - ertragen musste, in eine sprachliche Form zu gießen. Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller hatte deswegen sogar schon beschlossen, in den Arztberuf zu wechseln. Schließlich hat er Medizin studiert, und sein Bruder, ebenfalls Arzt, wollte eine Praxis eröffnen, in die Rainald Goetz mit einstgestiegen wäre.

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Glücklicherweise hat es sich der Bruder anders überlegt.

So gibt es ein neues Buch von Rainald Goetz. Der Bildband elfter september 2010. Bilder eines Jahrzehnts präsentiert Schwarz-Weiß-Photographien aus den sogenannten Nullerjahren, - also von 2000 bis heute. Dem Zeit-Magazin verriet der Schriftsteller, er habe diese Jahre als »extrem düster empfunden, ein Finsternisexzess«. Tatsächlich merkt man diese Grundstimmung den Photos nicht direkt an. Vielmehr vermag das großformatige Buch, das Goetz gerade im Haus des Suhrkamp Verlages in der Berliner Pappelallee vorstellte, auf unterschiedliche Weise gelesen zu werden. So wie es sich Rainald Goetz dachte: »Man nimmt es in die Hand, blättert ein bisschen darin und hat es sofort intuitiv erfasst, hat es drin. Andererseits kann man auch richtig einsteigen und sich sehr darin vertiefen.«

Dass die Präsentation von einem riesigen Medien-Auflauf begleitet wurde, konnte nicht verwundern. Schließlich sehen sich seit den vergangenen Büchern klage und loslabern namhafte Journalisten gezwungen, Goetzens diaristische Literatur weniger aus poetischem Interesse als vielmehr Eitelkeitserwägungen zu studieren: Hat er mich erwähnt, finde ich bei ihm statt? Und wenn ja; positiv oder negativ? Kann ich damit leben? Damit leben können wohl die meisten, sind Sensibilität und Menschlichkeit doch eher etwas für Pfarrer und Sozialarbeiter.

Rainald Goetz nahm diese Gegebenheit in die Inszenierung seiner Buchpräsentation in mehreren Akten auf, indem er die Namen aller in dem Photoband stattfindenden Relativen und Absoluten Personen der Zeitgeschichte - wie auf einem mittelalterlichen Marktplatz - laut vorlas.

Der Photoband enthebt die Gegenwart ein wenig aus ihrer Gegenwärtigkeit, die sie so schwer greifbar sein lässt. Noch immer leben wir ja in diesen aufwühlenden, hektischen Nullerjahren. Noch immer ist Berlin-Mitte, die Heimat von Rainald Goetz, eine einzige laute, stinkende Baustelle. Knappe Bildunterschriften lassen jedwede Differenz zwischen unserem ersten Gedanken beim Betrachten des Bildes - unser Vor-Urteil -, einem Motiv des Photographen und einem eventuellen objektiven Inhalt fragil werden.

Rainald Goetz ist manischer Photograph. Er geht tagelang durch die Stadt namens Wahnsinn und photographiert und photographiert. Für seinen riesigen Fundus musste er sich gerade weitere Billy-Regale zulegen, um überhaupt wieder einen Überblick zu gewinnen. Geprägt hat ihn seine Mutter, eine Berufs-Photographin, mit deren Dunkelkammer er aufwuchs. Der doppelt promovierte Mediziner und Historiker Goetz hängt riesig vergrößerte Zeitungsartikel in seinem Arbeitszimmer auf, um sie vollends auf sich wirken zu lassen. Einige davon hängte er in den Räumen der Präsentation auf.

elfter september ist der vierte Band von Schlucht. In dem ersten Band der Schlucht-Reihe von Rainald Goetz, dem Internet-Tagebuch klage, heißt es: »Unverwischte Bilder, auf denen der Hass nicht das Zerstörte ist, nicht Präzision. Die Trottelwelt trotzdem nicht widerlegen, in ihr auch nicht mehr nicht mitleben, nicht schreckhaft aufflattern, nicht angstlos und nicht unabgehärtet. Nie vergessen wie das geht.«

"Das Buch zum Film."

geschrieben am 14.09.2010 | 529 Wörter | 3223 Zeichen

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