ISBN | 3406613756 | |
Herausgeber | Helmuth Caspar von Moltke , Ulrike von Moltke | |
Autoren | Helmut James von Moltke , Freya von Moltke | |
Verlag | C.H.Beck | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 608 | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Extras | - |
„Diese Briefe sind Liebesbriefe zwischen einem Mann, der seinen Tod erwartet, und einer Frau, die das gemeinsam Begonnene fortsetzen muss und auf die noch viele Aufgaben im Leben warten.“ So beginnt die Einleitung des Herausgebers der Abschiedsbriefe seiner Eltern Helmuth James und Freya von Moltke. Das Buch ist jenem Ehepaar Poelchau gewidmet, das so mutig war, die Korrespondenz durch das Ein- und Ausschmuggeln der Moltke-Briefe zu ermöglichen.
Der Briefwechsel startet Ende September 1944 mit der Verlegung Helmuths vom Konzentrationslager Ravensbrück in das Strafgefängnis Tegel und endet am 23. Januar 1945, dem Tag seiner Hinrichtung. Es ist ein Wunder, dass diese in der damaligen Zeit so gefährlichen Briefe den Krieg unbeschadet überstanden haben. Sie wurden durch den Gefängnispfarrer Harald Poelchau aus der Zelle geschmuggelt, von Freya an Helmuths Sekretärin zur Zwischenlagerung gegeben und von dort durch Freya wieder abgeholt und in den Bienenstöcken auf dem Moltkeschen Gut versteckt. Nach dem Krieg begleiteten die Briefe Freya auf ihren Stationen in Südafrika, Berlin und schließlich Vermont in Kanada.
Das vorliegende über 600 Seiten starke Buch ist eine Herausforderung und ein Schatz. Die Herausforderung liegt in der Vielzahl der Andeutungen und Querverweise, den in den Briefen als bekannt vorausgesetzten und heute fremden Alltäglichkeiten der damaligen Zeit und der schier unübersichtlichen Anzahl an Personen, die in den Briefen erwähnt werden. Das sorgsam aufgebaute und mit Quellen, Registern und Fußnoten versehene Werk gibt dem Leser möglichst viele Hilfestellungen. Doch fehlen dennoch ab und zu die gedanklichen Bindeglieder und das Hintergrundwissen zu den genannten Personen, um die Briefe vor allem bei den sachlichen Themen betreffend Helmuths Verteidigungsstrategie und Freyas unzählige Boten- und Bittstellergänge wirklich vollumfänglich zu verstehen.
Helmuth und Freya schmieden in den Briefen Pläne, wie die Gnadengesuche und Verteidungsschriften formuliert werden sollten und wie diese Schriftstücke ihren Weg durch den Behördendschungel des Naziregimes nehmen konnten. Beide waren sich darüber im Klaren, dass das Urteil des gefürchteten und berüchtigten Richter Freisler mit höchster Wahrscheinlichkeit auf die Todesstrafe lauten werde. Doch wollten sie nichts unversucht lassen, zumindest eine Aussetzung des Todesurteils zu erreichen. Für Freya.
Und genau hierin liegt der Schatz des Buches: Dem Leser wird erlaubt, dem schmalen Grat zwischen der Vorbereitung auf den Tod und dem verzweifelten Festklammern am Leben zu folgen und Anteil zu nehmen an einer Beziehung zweier Menschen, die über einen viermonatigen Zeitraum zwar räumlich getrennt, doch im Herzen eng verbunden gemeinsam den Schicksalsschlag erwarten. Dass Helmuth und Freya dieses ständige Bangen und die Ungewissheit über den Zeitpunkt und den Ausgang der Verhandlung zusetzte und sie mehrmals verzweifeln ließ, ist die eine Seite – dass beide sich bewusst waren, welch glückliche Fügung ihnen die Korrespondenz miteinander ermöglichte, spricht aus jedem Brief. Als Beispiel sei zitiert (Helmuth an Freya, S. 214): „Jeden Tag, den Gott uns noch zusammen auf dieser Erde schenkt, müssen wir und werden wir mit Dank genießen, jedes Krümchen Glück aufpicken.“
Es berührt zutiefst, wenn man sich die Situation vor Augen hält, in der Helmuth und Freya befinden: Er in einer Zelle, nur selten ohne Fesseln, das Todesurteil erwartend. Sie von ihren Kindern getrennt, unermüdlich zwischen Bombenangriffen durch Berlin unterwegs um Fürsprecher zu finden. In dieser Situation schreibt Freya an Helmuth (S. 313): „Wir hatten ein reiches, glückliches, harmonisches, gesegnetes, nie getrübtes gemeinsames Leben hinter uns und erkannten es voll Dankbarkeit und Glück, wir waren reich im Anblick der Vergangenheit, aber mein geliebtes Herz, jetzt sind wir reich im Hinblick auf die Zukunft. Wir beide sind vollkommen durchdrungen von der Gewissheit, dass wir nicht nur für dieses Leben zusammen gehören, dass unsere Liebe stärker ist als der Tod, dass ich Dir genau so zugehörig bleiben darf, kann, werde, auch wenn Du von mir gehst, dass die Trennung nur in der Materie, nicht im Geist liegen wird, dass Du mich und ich Dich in Gott immer finden kann.“
Es sei jedem Leser empfohlen, dieses berührende Werk der Zeitgeschichte zu lesen.
geschrieben am 14.05.2011 | 638 Wörter | 3762 Zeichen
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