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Verteidigung in Straßenverkehrs-Ordnungswidrigkeitenverfahren


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Verteidigung in Straßenverkehrs-Ordnungswidrigkeitenverfahren Auf Titel wie diesen ist man – zumal als Bußgeldrichter – besonders gespannt. Das Bußgeldrecht ist in Verkehrssachen zum einen sehr umkämpft und in einigen Bereichen so detailliert, was mögliche Fehler des Amtsgerichts angeht, dass man als Verteidiger eine Anleitung nur herbeiwünschen kann, sei es zur Ersteinführung, sei es zur Absicherung der eigenen Tätigkeit. Zum anderen ist ein Werk mit einem solchen Anspruch – die Abbildung der Verteidigung in verkehrsrechtlichen Bußgeldsachen – eine Herkulesaufgabe. Nach der Lektüre des Buches stellt sich dann die Frage nach der Nützlichkeit für Ausbildung, Berufseinstieg und Praxis. Man muss diese Frage insgesamt mit Ja beantworten: das Buch ist gut und empfehlenswert, aber es hat Verbesserungspotential. Auf Letzteres möchte ich zuerst eingehen, da tatsächlich nur eine Verbesserung erforderlich ist und im Buch nur vereinzelte Dinge wirklich falsch sind bzw. fehlen. Rein formal stört mich zunächst lediglich, dass keine Randnummern verwendet wurden, sodass man u.a. im recht kompakten Sachverzeichnis nur eine grobe Orientierung bekommt oder auch ein sinnvoller Fußnotenverweis auf vorhandene Muster, etwa bei der Rechtsbeschwerde, nicht erfolgen kann. Ein erstes stilistisches Manko ist, dass das Buch – und das wundert mich sehr – keinen stringenten Darstellungsaufbau verfolgt. Denn es wurden offensichtlich vom Autor zuvor veröffentlichte Aufsätze identisch in das Buch übernommen. Das ist kein Abstrich bei der inhaltlichen Qualität, denn die gegebenen Informationen sind ja richtig (wenngleich bei Erscheinen des Buchs im Jahr 2011 natürlich in Teilen nachbesserungsbedürftig, was aktuelle Rechtsprechung angeht). Aber man hat bei der Lektüre eben nicht den Eindruck, dass da ein Ratgeber „aus einem Guss“ geschrieben wurde, sondern dass teilweise Einzelstücke aneinandergereiht wurden, und das ist schade. Ebenso gibt es bei manchen Kapiteln zu Beginn Einleitungen oder am Schluss Zusammenfassungen, bei anderen nicht. Auch das ist inkonsequent. Stilistisch unglücklich ist auch, dass der Autor des Öfteren von „aktuellen“ oder „jüngeren“ Entscheidungen spricht: dies mag bei Erscheinen der Erstauflage der Fall sein, aber schon ab der zweiten Auflage ist dieses Adjektiv mglw. nicht mehr passend. Ein irritierender Einzelaspekt ist zudem, dass in scheinbar anonymisierender Absicht Städtenamen abgekürzt werden, obwohl sie in der zugehörigen Fußnote voll ausgeführt sind (S. 179). Für die Folgeauflage sollte das Buch noch einmal gründlich lektoriert werden, um all dies zu beseitigen. Ein echter stilistischer Ausrutscher ist allerdings die immer wieder durchscheinende Polemik des Autors gegenüber Ermittlungsbeamten und Bußgeldrichtern. Es werden zunächst – vielleicht weil das die „Verteidigerbrille“ gegenüber dem Mandanten so verlangt? – recht unausgewogene Behauptungen in den Raum gestellt; etwa wird das Vorgehen zur Belehrung oder zur Identifikation des Betroffenen durch die Polizei beanstandet (S. 4/5) oder später deren Erinnerungsfähigkeit per se angezweifelt (S. 47), was in einer die Beamten fast schon diskreditierenden Weise geschieht, ohne dass realistische Handlungsalternativen (was sollte die Polizei denn stattdessen tun?) aufgezeigt werden. Später wird die bundesweit uneinheitliche Vorgehensweise der Bußgeldrichter bezüglich der Verhängung von Fahrverboten hierzulande vom Autor euphemistisch als „Marotte“ tituliert, obwohl aus dem kurzen Kapitel dazu eine gehörige Portion Unbill über die offenbar als willkürlich angesehenen Verhältnisse zu entnehmen ist (S. 89/90). Dass Bußgeldrichter an weiteren zwei Stellen als offenbar arbeitsfaul präsentiert werden, mag man noch als typisches Klischee abtun. Wenn aber im Rahmen der Ausführungen zum Befangenheitsantrag generalisierend vom „rüpelhaften“ Verhalten von Richtern geredet wird (S. 168), ohne dies im Mindesten zu erläutern oder zu exemplifizieren, sorgt dies beim Leser für den falschen Eindruck eines gänzlich unkollegialen Verhaltens zwischen Verteidiger und Richter. Ob das der Sache dienlich ist? Die Negativbeleumundung geht auch später weiter (S. 262), wenn behauptet wird, der Richter wähle bei fehlendem Tatnachweis lieber die Einstellung nach § 47 OWiG anstelle des Freispruchs: Dass der Verteidiger die Einstellung viel lieber hat, weil er von der Rechtsschutzversicherung mehr Gebühren bekommt als von der Landeskasse, und deshalb meist initiativ diese Vorgehensweise beantragt, wird dezent unter den Tisch gekehrt. Inhaltlich ist (bei zumindest verlagsseits angegebenem Erscheinen des Buchs im Jahr 2011) nicht ganz nachvollziehbar, wieso die Diskussion um die Verwertbarkeit von Lichtbildern und Videoaufnahmen noch so „offen“ wiedergegeben wird (S. 20/21), obwohl die Rechtsprechung hier längst klare Verhältnisse geschaffen hat. Ähnliches gilt auch für den Stand der Debatte zu § 81a StPO bezüglich fehlender richterlicher Anordnung und Annahme eines Beweisverwertungsverbots als Rechtsfolge (S. 57/58). Im Kapitel zur Pflichtverteidigung fehlt die bereits im Herbst 2010 ergangene Entscheidung des OLG Dresden. Das Kapitel zur Geschwindigkeitsmessung sollte stärker gewichtet oder wenigstens noch stärker auf das Verteidigerverhalten pointiert werden. Zwar ist es ein großer Vorteil des Buches, eine Vielzahl von Problemen anzureißen und durch Fundstellen zur Detailarbeit einzuladen, aber gerade die Geschwindigkeitsmessung und die Angriffe dagegen sind ein prozessualer Schwerpunkt für den Verteidiger, der im Vergleich zu anderen Verstößen in seinen tatsächlichen Verästelungen weiter ausgeführt hätte werden können. Die Folgeauflage des Werks darf dann auch gerne um ein Unterkapitel zum Führen eines Fahrzeugs unter Drogeneinfluss ergänzt werden, bisher ist nur ein solches zu Alkohol am Steuer enthalten, das aber auf so engem Raum bemerkenswert präzise gehalten wurde. Unter dem Zielpunkt der Fokussierung auf das Verteidigerverhalten ließe sich auch einiges straffen, etwa wenn Fromm zum Teil nur Allgemeines zum Verfahren ausführt, ohne auf Besonderheiten des Verteidigerverhaltens einzugehen (Einspruchseinlegung; Zwischenverfahren) oder den Gesetzeswortlaut wiedergibt (Befangenheitsvoraussetzung; Verjährungsunterbrechung). Bei den Ausführungen zur Verjährungsunterbrechung nach § 33 OwiG wird zwar korrekt darauf verwiesen, dass die Anhörung nach Nr. 1 nur einmal unterbrechen kann (S. 103/104). Es wird aber der gar nicht so seltene Fall, dass zuerst ein Strafverfahren eingeleitet und der Mandant als Beschuldigter vernommen wurde, gerade nicht erwähnt, denn just da kann eine Anhörung die Verjährung im Bußgeldverfahren eben nicht mehr unterbrechen. Das Fehlen dieses Aspekts ist umso bedauerlicher, da ja später (S. 111/112) ein anderes Spezialproblem der Überleitung ins Bußgeldverfahren, nämlich die möglicherweise nicht mehr gültige Vollmacht, durchaus benannt wird. Überraschenderweise ist die Erörterung der Untervollmacht in Kapitel 7.C. nicht vorhanden, obwohl es dazu einiges an obergerichtlicher Rechtsprechung und einige Sonderprobleme gibt (Entbindungsantrag; Schriftform). Kleinere Ungenauigkeiten finden sich, die man so nicht erwarten würde: So spricht Fromm beim Entbindungsantrag zwar korrekt davon, dass dieser nur für die jeweilige Hauptverhandlung gilt, benennt aber nur die Aussetzung des Verfahrens als notwendigen Fall der erneuten Antragstellung durch den Verteidiger, nicht aber die viel häufigere Unterbrechung (S. 135). Und auch die Behauptung, dass man den Einspruch nur bis zur Hauptverhandlung ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft zurücknehmen könne (S. 118) mag ja in der Theorie stimmen, aber die Anzahl der Sitzungen mit Beteiligung der Anklagebehörde tendiert doch gegen Null (was Fromm wenig später auch selbst schreibt), sodass auch im Termin die Einspruchsrücknahme in der Regel unproblematisch möglich ist. Schließlich fehlen auch jegliche Ausführungen zu Besonderheiten bei Jugendlichen und Heranwachsenden, obwohl angesichts der drastischen Auswirkungen auf die Probezeit bei einer eintragungspflichtigen OWi durchaus Beratungsbedarf besteht und kreative Lösungen gefragt sind (z.B. die zulässige vorläufige Einstellung gegen Arbeitsauflage nach § 47 OWiG). Nun aber zum Positiven, das bei diesem Buch, wie geschrieben, überwiegt. Ganz abstrakt ist auffällig, wie akribisch der Autor arbeitet, was angesichts seiner Publikationsliste keine Überraschung ist. Er stellt rechtliche Diskussionen nicht nur vor, sondern auch dar, sodass man die einzelnen Abwägungen gut nachvollziehen kann, wenngleich man es manchmal auch kompakter machen könnte (Erklärungswert der Zahlung der Geldbuße auf 4 Seiten). Des Weiteren schafft es der Autor, den Leser auf die Vielfalt der möglichen rechtlichen Beratungskonstellationen aufmerksam zu machen, ohne sich dabei auf eine erschöpfende Darstellung zu berufen. Gerade dieser Gesamtüberblick ist für den Leser sinnvoll, für weitere Fragen mag er einen Kommentar benutzen. Für das Verständnis der Materie vorteilhaft ist auch der Ansatz, vor dem „theoretischen“ Teil des Verfahrens einige mögliche materiell-rechtliche Anwendungsbereiche zu skizzieren und abschließend mögliche Folgefragen zu thematisieren (z.B. aus dem Steuerrecht). Dem Ziel des Titels des Werks folgend gibt Fromm auch immer wieder nützliche Hinweise auf kleine Fallen des Beratungsalltags, die in manch anderem Werk so nicht zu finden sind. Man mag diesbezüglich statt vieler anderer nur die Erläuterungen zur korrekten Vollmachtserteilung (S. 4), zum Risiko der Fahrtenbuchauflage bei Schweigen des Mandanten (S. 4/5), zur Gurtanlegepflicht auf Parkplätzen (S. 60), zur Gebühr nach Nr. 5115 VV-RVG bei rechtzeitiger Einspruchsrücknahme oder zur Frage der Geltendmachung von Auslagenpauschale und Aktenversendungsgebühr (S. 253) heranziehen. Ebenfalls dem Impetus des Buches folgend stellt der Autor Möglichkeiten der Äußerung im Prozess (Einkommen) oder des zulässigen Verschweigens von Tatsachen (Ortskunde) an passender Stelle vor, womit er einen sinnvollen ersten Einblick in die reichhaltige Beratungsvarianz des Verteidigers gibt, ohne seine eigenen Erfolgsrezepte für den Mandanten allesamt preisgeben zu müssen. Die Kasuistik zu § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG wird gut aufgegriffen und das moralische Dilemma des „trickreichen“ Verteidigers offengelegt. Auch der (interne) Hinweis auf die mögliche Erfolglosigkeit eines Einspruchs und der Suche nach Verbüßungszeiten für ein Fahrverbot gehören zum Repertoire des Verteidigers (S. 81). Lobenswert ist das ausführliche Unterkapitel zur Selbstladung eines Sachverständigen durch den Verteidiger über den Gerichtsvollzieher samt der sinnvollen Anträge nach §§ 220 Abs. 3, 245 Abs. 2 StPO. Auch der Ablauf des Befangenheitsverfahrens wird exakt nachgearbeitet und mit wichtigen Details versehen, etwa dem Recht des Beschuldigten auf Kenntnis- und Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung des Richters. Klassische Folgefragen des Verfahrens, etwa im Vollstreckungsbereich die Vollstreckungsreihenfolge von Fahrverboten, finden sich in zuverlässiger Weise (S. 233-235), aber eben auch der nicht selbstverständliche Hinweis auf die Anwendung des Gnadenrechts im Vollstreckungsbereich. Das Kapitel zum Gebührenrecht mit Berechnungsbeispielen und Einzelfragen ist vorbildlich aufgebaut. Weitere nützliche Elemente des Buches, die das vermittelte Wissen beim Leser festigen sind viele eingerahmte Praxistipps, aber auch Musterschreiben und Fallbeispiele. Dem eingangs geäußerten Fazit folgend kann man dieses Buch bereits dann empfehlen, wenn man sich während des Vorbereitungsdienstes auf die Tätigkeit als Verteidiger vorbereitet, aber auch beim Berufseinstieg selbst. Wer nur gelegentlich Bußgeldsachen übernimmt, wird auch den einen oder anderen Hilfsanker finden. Nur wer sich regelmäßig mit Ordnungswidrigkeiten im Verkehrsrecht befasst, wird ähnlich kritisch wie der Rezensent diesem Buch zu Leibe rücken und sich wünschen, es wäre noch einmal so dick, um die Zuspitzung auf das Verteidigerverhalten zu befördern, aber gleichzeitig die nötige Detailfülle zu gewährleisten.

Auf Titel wie diesen ist man – zumal als Bußgeldrichter – besonders gespannt. Das Bußgeldrecht ist in Verkehrssachen zum einen sehr umkämpft und in einigen Bereichen so detailliert, was mögliche Fehler des Amtsgerichts angeht, dass man als Verteidiger eine Anleitung nur herbeiwünschen kann, sei es zur Ersteinführung, sei es zur Absicherung der eigenen Tätigkeit. Zum anderen ist ein Werk mit einem solchen Anspruch – die Abbildung der Verteidigung in verkehrsrechtlichen Bußgeldsachen – eine Herkulesaufgabe. Nach der Lektüre des Buches stellt sich dann die Frage nach der Nützlichkeit für Ausbildung, Berufseinstieg und Praxis. Man muss diese Frage insgesamt mit Ja beantworten: das Buch ist gut und empfehlenswert, aber es hat Verbesserungspotential.

weitere Rezensionen von Dr. Benjamin Krenberger


Auf Letzteres möchte ich zuerst eingehen, da tatsächlich nur eine Verbesserung erforderlich ist und im Buch nur vereinzelte Dinge wirklich falsch sind bzw. fehlen. Rein formal stört mich zunächst lediglich, dass keine Randnummern verwendet wurden, sodass man u.a. im recht kompakten Sachverzeichnis nur eine grobe Orientierung bekommt oder auch ein sinnvoller Fußnotenverweis auf vorhandene Muster, etwa bei der Rechtsbeschwerde, nicht erfolgen kann.

Ein erstes stilistisches Manko ist, dass das Buch – und das wundert mich sehr – keinen stringenten Darstellungsaufbau verfolgt. Denn es wurden offensichtlich vom Autor zuvor veröffentlichte Aufsätze identisch in das Buch übernommen. Das ist kein Abstrich bei der inhaltlichen Qualität, denn die gegebenen Informationen sind ja richtig (wenngleich bei Erscheinen des Buchs im Jahr 2011 natürlich in Teilen nachbesserungsbedürftig, was aktuelle Rechtsprechung angeht). Aber man hat bei der Lektüre eben nicht den Eindruck, dass da ein Ratgeber „aus einem Guss“ geschrieben wurde, sondern dass teilweise Einzelstücke aneinandergereiht wurden, und das ist schade. Ebenso gibt es bei manchen Kapiteln zu Beginn Einleitungen oder am Schluss Zusammenfassungen, bei anderen nicht. Auch das ist inkonsequent. Stilistisch unglücklich ist auch, dass der Autor des Öfteren von „aktuellen“ oder „jüngeren“ Entscheidungen spricht: dies mag bei Erscheinen der Erstauflage der Fall sein, aber schon ab der zweiten Auflage ist dieses Adjektiv mglw. nicht mehr passend. Ein irritierender Einzelaspekt ist zudem, dass in scheinbar anonymisierender Absicht Städtenamen abgekürzt werden, obwohl sie in der zugehörigen Fußnote voll ausgeführt sind (S. 179). Für die Folgeauflage sollte das Buch noch einmal gründlich lektoriert werden, um all dies zu beseitigen.

Ein echter stilistischer Ausrutscher ist allerdings die immer wieder durchscheinende Polemik des Autors gegenüber Ermittlungsbeamten und Bußgeldrichtern. Es werden zunächst – vielleicht weil das die „Verteidigerbrille“ gegenüber dem Mandanten so verlangt? – recht unausgewogene Behauptungen in den Raum gestellt; etwa wird das Vorgehen zur Belehrung oder zur Identifikation des Betroffenen durch die Polizei beanstandet (S. 4/5) oder später deren Erinnerungsfähigkeit per se angezweifelt (S. 47), was in einer die Beamten fast schon diskreditierenden Weise geschieht, ohne dass realistische Handlungsalternativen (was sollte die Polizei denn stattdessen tun?) aufgezeigt werden. Später wird die bundesweit uneinheitliche Vorgehensweise der Bußgeldrichter bezüglich der Verhängung von Fahrverboten hierzulande vom Autor euphemistisch als „Marotte“ tituliert, obwohl aus dem kurzen Kapitel dazu eine gehörige Portion Unbill über die offenbar als willkürlich angesehenen Verhältnisse zu entnehmen ist (S. 89/90). Dass Bußgeldrichter an weiteren zwei Stellen als offenbar arbeitsfaul präsentiert werden, mag man noch als typisches Klischee abtun. Wenn aber im Rahmen der Ausführungen zum Befangenheitsantrag generalisierend vom „rüpelhaften“ Verhalten von Richtern geredet wird (S. 168), ohne dies im Mindesten zu erläutern oder zu exemplifizieren, sorgt dies beim Leser für den falschen Eindruck eines gänzlich unkollegialen Verhaltens zwischen Verteidiger und Richter. Ob das der Sache dienlich ist? Die Negativbeleumundung geht auch später weiter (S. 262), wenn behauptet wird, der Richter wähle bei fehlendem Tatnachweis lieber die Einstellung nach § 47 OWiG anstelle des Freispruchs: Dass der Verteidiger die Einstellung viel lieber hat, weil er von der Rechtsschutzversicherung mehr Gebühren bekommt als von der Landeskasse, und deshalb meist initiativ diese Vorgehensweise beantragt, wird dezent unter den Tisch gekehrt.

Inhaltlich ist (bei zumindest verlagsseits angegebenem Erscheinen des Buchs im Jahr 2011) nicht ganz nachvollziehbar, wieso die Diskussion um die Verwertbarkeit von Lichtbildern und Videoaufnahmen noch so „offen“ wiedergegeben wird (S. 20/21), obwohl die Rechtsprechung hier längst klare Verhältnisse geschaffen hat. Ähnliches gilt auch für den Stand der Debatte zu § 81a StPO bezüglich fehlender richterlicher Anordnung und Annahme eines Beweisverwertungsverbots als Rechtsfolge (S. 57/58). Im Kapitel zur Pflichtverteidigung fehlt die bereits im Herbst 2010 ergangene Entscheidung des OLG Dresden.

Das Kapitel zur Geschwindigkeitsmessung sollte stärker gewichtet oder wenigstens noch stärker auf das Verteidigerverhalten pointiert werden. Zwar ist es ein großer Vorteil des Buches, eine Vielzahl von Problemen anzureißen und durch Fundstellen zur Detailarbeit einzuladen, aber gerade die Geschwindigkeitsmessung und die Angriffe dagegen sind ein prozessualer Schwerpunkt für den Verteidiger, der im Vergleich zu anderen Verstößen in seinen tatsächlichen Verästelungen weiter ausgeführt hätte werden können. Die Folgeauflage des Werks darf dann auch gerne um ein Unterkapitel zum Führen eines Fahrzeugs unter Drogeneinfluss ergänzt werden, bisher ist nur ein solches zu Alkohol am Steuer enthalten, das aber auf so engem Raum bemerkenswert präzise gehalten wurde. Unter dem Zielpunkt der Fokussierung auf das Verteidigerverhalten ließe sich auch einiges straffen, etwa wenn Fromm zum Teil nur Allgemeines zum Verfahren ausführt, ohne auf Besonderheiten des Verteidigerverhaltens einzugehen (Einspruchseinlegung; Zwischenverfahren) oder den Gesetzeswortlaut wiedergibt (Befangenheitsvoraussetzung; Verjährungsunterbrechung).

Bei den Ausführungen zur Verjährungsunterbrechung nach § 33 OwiG wird zwar korrekt darauf verwiesen, dass die Anhörung nach Nr. 1 nur einmal unterbrechen kann (S. 103/104). Es wird aber der gar nicht so seltene Fall, dass zuerst ein Strafverfahren eingeleitet und der Mandant als Beschuldigter vernommen wurde, gerade nicht erwähnt, denn just da kann eine Anhörung die Verjährung im Bußgeldverfahren eben nicht mehr unterbrechen. Das Fehlen dieses Aspekts ist umso bedauerlicher, da ja später (S. 111/112) ein anderes Spezialproblem der Überleitung ins Bußgeldverfahren, nämlich die möglicherweise nicht mehr gültige Vollmacht, durchaus benannt wird.

Überraschenderweise ist die Erörterung der Untervollmacht in Kapitel 7.C. nicht vorhanden, obwohl es dazu einiges an obergerichtlicher Rechtsprechung und einige Sonderprobleme gibt (Entbindungsantrag; Schriftform). Kleinere Ungenauigkeiten finden sich, die man so nicht erwarten würde: So spricht Fromm beim Entbindungsantrag zwar korrekt davon, dass dieser nur für die jeweilige Hauptverhandlung gilt, benennt aber nur die Aussetzung des Verfahrens als notwendigen Fall der erneuten Antragstellung durch den Verteidiger, nicht aber die viel häufigere Unterbrechung (S. 135). Und auch die Behauptung, dass man den Einspruch nur bis zur Hauptverhandlung ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft zurücknehmen könne (S. 118) mag ja in der Theorie stimmen, aber die Anzahl der Sitzungen mit Beteiligung der Anklagebehörde tendiert doch gegen Null (was Fromm wenig später auch selbst schreibt), sodass auch im Termin die Einspruchsrücknahme in der Regel unproblematisch möglich ist. Schließlich fehlen auch jegliche Ausführungen zu Besonderheiten bei Jugendlichen und Heranwachsenden, obwohl angesichts der drastischen Auswirkungen auf die Probezeit bei einer eintragungspflichtigen OWi durchaus Beratungsbedarf besteht und kreative Lösungen gefragt sind (z.B. die zulässige vorläufige Einstellung gegen Arbeitsauflage nach § 47 OWiG).

Nun aber zum Positiven, das bei diesem Buch, wie geschrieben, überwiegt. Ganz abstrakt ist auffällig, wie akribisch der Autor arbeitet, was angesichts seiner Publikationsliste keine Überraschung ist. Er stellt rechtliche Diskussionen nicht nur vor, sondern auch dar, sodass man die einzelnen Abwägungen gut nachvollziehen kann, wenngleich man es manchmal auch kompakter machen könnte (Erklärungswert der Zahlung der Geldbuße auf 4 Seiten). Des Weiteren schafft es der Autor, den Leser auf die Vielfalt der möglichen rechtlichen Beratungskonstellationen aufmerksam zu machen, ohne sich dabei auf eine erschöpfende Darstellung zu berufen. Gerade dieser Gesamtüberblick ist für den Leser sinnvoll, für weitere Fragen mag er einen Kommentar benutzen. Für das Verständnis der Materie vorteilhaft ist auch der Ansatz, vor dem „theoretischen“ Teil des Verfahrens einige mögliche materiell-rechtliche Anwendungsbereiche zu skizzieren und abschließend mögliche Folgefragen zu thematisieren (z.B. aus dem Steuerrecht). Dem Ziel des Titels des Werks folgend gibt Fromm auch immer wieder nützliche Hinweise auf kleine Fallen des Beratungsalltags, die in manch anderem Werk so nicht zu finden sind. Man mag diesbezüglich statt vieler anderer nur die Erläuterungen zur korrekten Vollmachtserteilung (S. 4), zum Risiko der Fahrtenbuchauflage bei Schweigen des Mandanten (S. 4/5), zur Gurtanlegepflicht auf Parkplätzen (S. 60), zur Gebühr nach Nr. 5115 VV-RVG bei rechtzeitiger Einspruchsrücknahme oder zur Frage der Geltendmachung von Auslagenpauschale und Aktenversendungsgebühr (S. 253) heranziehen. Ebenfalls dem Impetus des Buches folgend stellt der Autor Möglichkeiten der Äußerung im Prozess (Einkommen) oder des zulässigen Verschweigens von Tatsachen (Ortskunde) an passender Stelle vor, womit er einen sinnvollen ersten Einblick in die reichhaltige Beratungsvarianz des Verteidigers gibt, ohne seine eigenen Erfolgsrezepte für den Mandanten allesamt preisgeben zu müssen. Die Kasuistik zu § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG wird gut aufgegriffen und das moralische Dilemma des „trickreichen“ Verteidigers offengelegt. Auch der (interne) Hinweis auf die mögliche Erfolglosigkeit eines Einspruchs und der Suche nach Verbüßungszeiten für ein Fahrverbot gehören zum Repertoire des Verteidigers (S. 81). Lobenswert ist das ausführliche Unterkapitel zur Selbstladung eines Sachverständigen durch den Verteidiger über den Gerichtsvollzieher samt der sinnvollen Anträge nach §§ 220 Abs. 3, 245 Abs. 2 StPO. Auch der Ablauf des Befangenheitsverfahrens wird exakt nachgearbeitet und mit wichtigen Details versehen, etwa dem Recht des Beschuldigten auf Kenntnis- und Stellungnahme zur dienstlichen Äußerung des Richters. Klassische Folgefragen des Verfahrens, etwa im Vollstreckungsbereich die Vollstreckungsreihenfolge von Fahrverboten, finden sich in zuverlässiger Weise (S. 233-235), aber eben auch der nicht selbstverständliche Hinweis auf die Anwendung des Gnadenrechts im Vollstreckungsbereich. Das Kapitel zum Gebührenrecht mit Berechnungsbeispielen und Einzelfragen ist vorbildlich aufgebaut. Weitere nützliche Elemente des Buches, die das vermittelte Wissen beim Leser festigen sind viele eingerahmte Praxistipps, aber auch Musterschreiben und Fallbeispiele.

Dem eingangs geäußerten Fazit folgend kann man dieses Buch bereits dann empfehlen, wenn man sich während des Vorbereitungsdienstes auf die Tätigkeit als Verteidiger vorbereitet, aber auch beim Berufseinstieg selbst. Wer nur gelegentlich Bußgeldsachen übernimmt, wird auch den einen oder anderen Hilfsanker finden. Nur wer sich regelmäßig mit Ordnungswidrigkeiten im Verkehrsrecht befasst, wird ähnlich kritisch wie der Rezensent diesem Buch zu Leibe rücken und sich wünschen, es wäre noch einmal so dick, um die Zuspitzung auf das Verteidigerverhalten zu befördern, aber gleichzeitig die nötige Detailfülle zu gewährleisten.

geschrieben am 09.07.2011 | 1624 Wörter | 10415 Zeichen

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