ISBN | 381141495X | |
Autoren | Armin Schoreit , Herbert Dietmer , Bernd-Rüdeger Sonnen | |
Verlag | Müller (C.F.jur) Heidelberg | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 1108 | |
Erscheinungsjahr | 1999 | |
Extras | - |
Die Schlagzahl der JGG-Kommentare erhöht sich und das nicht nur wegen der VerĂ€nderungen im Vollzugsrecht in den vergangenen Jahren: die SensibilitĂ€t fĂŒr das Sujet wĂ€chst in Ausbildung und Praxis und sorgt fĂŒr den entsprechenden Bedarf an ErlĂ€uterungen. Neben dem Klassiker âEisenbergâ kommen nun oder in BĂ€lde auch die ĂŒbrigen etablierten Kommentare wieder mit einer Neuauflage in den Markt, so z.B. der âDöllingâ, der âOstendorfâ und gerade vorliegend der Heidelberger Kommentar zum JGG, herausgegeben von Diemer, neuerdings Schatz (statt Schoreit) und Sonnen. Dass dazu noch eine Neuerscheinung im Nomos-Verlag, herausgegeben von Meier, in den Startlöchern steht, erfreut den Jugendstrafrechtler noch mehr. Denn, man muss er klar sagen, die Unkenntnis von Prozessbeteiligten und damit auch die Fehlerquote im Jugendstrafverfahren sind in der Praxis haarstrĂ€ubend, sodass es gar nicht genug gute Erkenntnisquellen fĂŒr die Rechtsanwender geben kann. Das beginnt schon mit der Verwendung der richtigen Terminologie, wo mancher Staatsanwalt (zugegeben: kein Jugenddezernent) von âahndenâ (BuĂgeldrecht) und mal von âbestrafenâ (allgemeines Strafrecht) spricht, wo Weisungen und Auflagen selbst seitens der Jugendgerichtshilfe nicht korrekt auseinander gehalten werden und wo, dies allerdings von noch naiverer politischer Seite von âWarnschussarrestenâ geschwafelt wird, wo doch landauf landab nicht einmal normale Arreste rasch und damit sinnvoll vollstreckt werden können, fehlt es doch an genĂŒgend PlĂ€tzen fĂŒr die Delinquenten sowie am schnell arbeitenden Vollstreckungsapparat in der Justiz. Dabei ist die BeschĂ€ftigung mit dem Jugendstrafrecht sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch spĂ€ter in der Praxis nicht nur spannend, sondern fordert den Juristen auch in seiner geistigen FlexibilitĂ€t. Wo sonst flieĂen rechtliche, soziale und psychologische Komponenten gleichermaĂen bei der Entscheidungsfindung zusammen, wo sonst kann man stimmige Lösungen fĂŒr den Einzelfall abseits der starren Strafrahmen des StGB finden, um dem TĂ€tercharakter gerecht zu werden?
FĂŒr den vorliegenden Kommentar ist bereits nach drei Jahren eine Neuauflage nötig geworden, was zum einen der regen gesetzgeberischen TĂ€tigkeit geschuldet war, zum anderen aber auch der guten Akzeptanz des Werks auf dem Markt entspricht. Zahlreiche Entscheidungen und AufsĂ€tze wurden eingearbeitet, sodass der Kommentar auf dem Stand 01.01.2011 ist (bezĂŒglich der Ănderung bei der Sicherungsverwahrung nach der Entscheidung des BVerfG wurde ein Einlegeblatt ergĂ€nzt). Schon in allen Vorauflagen war das Markenzeichen dieses Kommentars, dass aktuelle Entwicklungen mit dogmatischer Grundlagenarbeit verknĂŒpft wurden, sodass der Leser gleich welchen Ausbildungsstands in medias res gefĂŒhrt wird und die Materie als lebendige Rechtsanwendung begreifen kann. Dies wird auch durch die sinnvolle VerknĂŒpfung der Verfahrensstadien Ermittlungsverfahren, Hauptverhandlung und Strafvollzug erreicht, denn die Kommentierung der vorhandenen Jugendstrafvollzugsgesetze wurde aus der Vorauflage fortgefĂŒhrt.
Anstelle einer lehrbuchgleichen Einleitung wird der Kommentarbenutzer an geeigneter Stelle mit allgemeinen Informationen konfrontiert, etwa zu den Grundlagen des Jugendstrafrechts in § 1 JGG oder zur Rolle der Jugendschöffen in § 35 JGG. Angereichert durch Tabellen und Statistiken werden die instruktiven ErlĂ€uterungen zu den einzelnen Normen recht plastisch, sodass man die durch die Autoren immer wieder vorgetragene Kritik, sei es dogmatischer, sei sie rein faktischer Art schnell begreift und vor dem geistigen Auge die Argumentation durchspielen kann. Auf diese Weise wird schon der studentische Nutzer angesprochen und gefordert, was dem Eindruck des Kommentars als âAlleskönnerâ durchaus gerecht wird. Erfreulich sind dabei auch die Abbildungen von Streitfragen anstelle einer pauschalen Festlegung auf eine Meinung, so zu sehen in § 32 JGG (Rn. 18 ff.).
Neben Standardschwerpunkten wie dem Sanktionensystem des JGG, das sogar in einem kleinen Schema komprimiert wurde, der Vorstellung der Verfahrensbeteiligten oder der Anwendung des JGG auf Heranwachsende setzen die Autoren auch Ausrufezeichen bei schwierigen Themen und stellen sich damit dem kritischen Auge des Lesers. Das beginnt schon bei der Jugendstrafe in § 17 JGG, wo diese mit ReformĂŒberlegungen und dogmatischen ErwĂ€gungen angegriffen wird, bevor dann erst die zu prĂŒfenden Voraussetzungen abgehandelt werden. Das ist dann zwar mehr Statement als reine Kommentierung, aber der Jugendstrafrechtler ist nie nur Theoretiker, sondern muss sich mit der RealitĂ€t stĂ€ndig auseinander setzen. Dies setzt sich fort bei der ausfĂŒhrlichen Kommentierung zu § 31 JGG, wo nicht nur die schwierigen Subsumtionsfragen angesprochen (bis hin zur Frage der Einbeziehung von OWis), sondern auch die Anforderungen an das Urteil sowie mögliche Rechtsbehelfe prĂ€zisiert werden. Diese nĂŒtzt dem Verteidiger gleichermaĂen wie dem Richter, um sich der hohen Bedeutung der zu treffenden Entscheidung gewiss zu werden.
Persönlich möchte ich noch die LektĂŒre der Normen zur TĂ€tigkeit des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter empfehlen. Sowohl die Fragen der ZustĂ€ndigkeit als auch die Vollstreckung der einzelnen Sanktionen werden prĂ€zise erklĂ€rt, sodass gerade Dezernatseinsteiger eine echte Hilfe aus der Kommentierung ziehen können. Insgesamt kann man diesen Kommentar ohne zu zögern sowohl fĂŒr den Erstzugriff auf das JGG als auch als KomplementĂ€rwerk fĂŒr Wissenschaft und Praxis empfehlen.
geschrieben am 23.10.2011 | 750 Wörter | 4843 Zeichen
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