ISBN | 3472080086 | |
Autor | Dorothea Prütting | |
Verlag | Luchterhand | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 2509 | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Extras | - |
Das Medizinrecht ist ein thematisch sehr offenes Rechtsgebiet und wird im Rahmen der juristischen Ausbildung nur dezent tangiert. Allenfalls erfährt man über Besonderheiten bei der Arzthaftung oder im Strafrecht zur Körperverletzungsproblematik oder streift einmal das Arzneimittelgesetz. Wieviele Gesetze aber vom Medizinrecht betroffen sind, wieviel mehr man mittelbar noch hinzurechnen könnte, kann man erst in der Praxis erahnen. Wer sich intensiv mit der Materie beschäftigt, wird als Anwalt über kurz oder lang die Überlegung nach einem Fachanwalt für Medizinrecht angehen. Der vorliegende Kommentar ist zum einen ein für die Ausbildung zum Fachanwalt erstellter Begleiter, zum anderen eine stete Anregung selbst für den erfahrenen Praktiker. Knapp über 2500 Seiten erwarten den Leser und beinhalten Kommentierungen und ausführliche Verzeichnisse.
Die Gestaltung des Kommentars ist dabei angenehm übersichtlich, wenngleich die Verweise auf Rechtsprechung und Literatur im Text platziert werden, sodass der Lektürefluss an einigen Stellen unangemessen behindert wird. Die Aufteilung der Rechtsgebiete erfolgt alphabetisch sortiert nach der Gesetzesabkürzung, sodass z.B. das Arzneimittelgesetz (AMG) vor dem Apothekengesetz (ApoG) erläutert wird. Diese Vorgehensweise ist insofern nicht ganz geschickt, weil z.B. im Verzeichnis über die Themengebiete der Bearbeiter die alphabetische Reihenfolge gerade anders, also nach dem Thema gewählt wurde, und andererseits passende Bereiche, etwa BGB und ZPO weit auseinander stehen. Wenn man sich aber an die Systematik gewöhnt hat, erschwert es die Arbeit mit dem Werk nicht.
Innerhalb des BGB findet der Nutzer verschiedene Rechtsgebiete vor, etwa das Arzthaftungsrecht, das Arbeitsrecht, Patientenverfügungen oder das Gesellschaftsrecht, jeweils mit konkretem Bezug zum Medizinrecht. Innerhalb der ZPO gibt es einen eigenen Schwerpunkt zum Beweisrecht (§§ 284-287 ZPO). Und das Sozialrecht, jedenfalls die einschlägigen Bücher des SGB, wird aufgeteilt in (allgemeines) Sozialrecht, Krankenhausrecht und Pflegeversicherungsrecht. Eigene Abschnitte sind Sondergebieten vorbehalten, etwa dem Transplantationsrecht, dem Heilmittelwerberecht oder dem Embryonenschutzgesetz.
Das Arbeiten mit dem Kommentar fällt leicht, vor allem weil die jeweiligen Bearbeiter eine gesunde Mischung aus grundlegenden, vertiefenden und aktuellen Informationen geschaffen haben. So kann z.B. in der Kommentierung zu § 299 StGB bereits die nunmehr durch den BGH entschiedene Problematik zur Bestechlichkeit von Ärzten nachgelesen werden. In der Diskussion der Einwilligung von Minderjährigen im Rahmen des § 228 StGB kann wunderbar der herrschende Meinungsstand nach allen Seiten nachverfolgt werden. Auch die genaue Darlegung der Indikationen für einen Schwangerschaftsabbruch in § 218a StGB, rechtlich und medizinisch kohärent (Rn. 23 ff.). Im Rahmen von § 19 GWB wird in Rn. 7 ff. für den Krankenhaussektor beispielhaft eine Marktabgrenzung vorgenommen und auf diese Weise beim Leser viel Grundlagenwissen abgerufen bzw. angelegt. Die Haftung für Organisationsfehler im Krankenhaus (§ 823 BGB, Rn. 123 ff.) wird präzise mit den zu beachtenden Standards, menschlich und technisch, dargestellt und auch die immer wichtigere Haftung wegen Aufklärungsfehlern (Rn. 155 ff.) wird mit zahlreichen Variationen, außerdem im Bezug auf Zeitpunkt und Adressat gründlich erarbeitet. Im prozessualen Abschnitt werden korrelierend die möglichen Beweiserleichterungen im Behandlungsfehlerbereich abgehandelt (§ 286 ZPO, Rn. 36 ff.). Positiv ist zudem zu vermerken, dass sich die jeweiligen Bearbeiter auch mit Kritik bzw. persönlichen Ansichten nicht zurückhalten und dies jeweils explizit kennzeichnen (z.B. § 286 ZPO, Rn. 47), sodass der Leser einerseits einen wirklich reichhaltigen Überblick erhält, andererseits aber auch abwägen kann, welche Linie er für das eigene Mandat wählen möchte. Hervorzuheben sind ebenfalls die zahlreichen Kommentierungen rund um die Bildung, Führung und Auflösung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis (z.B. § 705 BGB, Rn. 14; 714 BGB, Rn. 32 ff.).
Insgesamt kann man diesen Kommentar sowohl dem Einsteiger als auch dem erfahrenen Praktiker empfehlen. Aufgrund der Vielfalt der behandelten Gesetze, aber auch aufgrund der intensiven und aktuellen inhaltlichen Durchdringung der einzelnen Rechtsgebiete erhält man nicht nur solides Wissen im Themenkontext, sondern auch Sicherheit in der Detaildiskussion. Wünschenswert wäre meiner Ansicht nach noch ein Kapitel explizit zum Versicherungsrecht (Stichwort: medizinische Notwendigkeit bei Abrechnung mit der privaten Krankenkasse).
geschrieben am 02.07.2012 | 616 Wörter | 4065 Zeichen
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