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The Game Design Reader. A Rules of Play Anthology


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Rezension von

Friedrich Hanisch

The Game Design Reader. A Rules of Play Anthology Spiele sollen Spaß machen, aber trotzdem Kompetenzen fördern. Spiele sollen eine spannende Geschichte erzählen, aber trotzdem hochgradig interaktiv sein. Spiele sollen auf dem neuesten Stand sein, aber trotzdem das Gameplay nicht vernachlässigen. Spiele sollen herausfordernd sein, aber trotzdem Neueinsteiger nicht vergraulen. Spiele sollen mehr als nur ein paar Stunden lang dauern, aber trotzdem ununterbrochen bei Laune halten. Videospiele sind ganz offensichtlich ein paradoxes Medium, ein Ding der Unmöglichkeit. Oder nicht? Um in dieser Hinsicht Licht ins Dunkel zu bringen, veröffentlichten Katie Salen und Eric Zimmerman, zwei Gamedesigner und Kenner der Branche, mit „The Game Design Reader - A Rules of Play Anthology“ eine breitgefächerte Sammlung an Artikeln, die sich hauptsächlich mit den Themata Spiel, Videospiel und auch Spieledesign beschäftigen. Aufklärerisch wollen die beiden das große Paradoxon „Spiel“ entmystifizieren, analysieren und vor allem: lehren. Entstanden ist tatsächlich ein 850 Seiten schweres Sammelband, der nach Willen der Herausgeber als Lehrwerk verwendet werden soll für - ja, für wen eigentlich? Mit Sicherheit gibt es so gut wie niemanden, der nicht wenigstens aus einigen der im Buch enthaltenen 33 unterschiedlichen Essays etwas Nützliches und Wissenswertes ziehen kann. Die Spannweite der behandelten Themen reicht von der Grundsatzdiskussion, was „Spielen“ eigentlich ist (z.B. „The Definition of Play“), oder was genau „ein Spiel“ ist, und wie es aufgebaut ist, über die Beschäftigung mit der Frage, welche Lehren wir aus Spielen ziehen, und ob diese gut für uns sind oder nicht (z.B. „Semiotic Domains“), bis hin zur Analyse und Definition von Design-Werkzeugen für die Entwicklung von Computerspielen (z.B. „Tools for Creating Dramatic Game Dynamics“). Ab und zu sind Aufsätze eingestreut, die weniger belehrend sind und dennoch gut in die Gesamtauswahl passen, da sie den Bezug zum Oberthema von einer anderen, ungewöhnlicheren Richtung aus angehen. Beispielsweise beschreibt „Bow, Nigger“ die Achterbahnfahrt der Gefühle während eines Multiplayer-Duells auf eindringliche Art und Weise; der Text kann gewiss soziokulturellen Studien dienen. Auch werden theoretische Ansätze in Hinsicht auf das Design eines Videospiels nicht vernachlässigt; so erklärt Doug Church in „Formal Abstract Design Tools“ seinen Ansatz für Analysewerkzeuge, die vor allem zur Kommunikation über Features von Spielen dienen. Einige der Aufsätze beziehen sich völlig auf vorhandene Spiele, die auf unterschiedliche Weise beleuchtet werden – „Game Analysis: Centipede“ kennt man hierbei bereits aus Richard Rouses Buch „Game Design: Theory & Practice“. Half-Life, Adventure, Eastern Front oder Doom 3 sind weitere Titel, die ganz konkret und auch praxisnah hinsichtlich ihres Entwicklungsprozesses oder ihrer Spielspaßfaktoren besprochen werden. Interessant auch für die unterschiedlichen Ansichten, was das Gameplay betrifft, sind diejenigen Artikel, die sich mit von Ludologisten und Narrativisten geführten Diskussionen beschäftigen. Widerspricht eine ausgearbeitete Handlung einem interaktiven Spielgefühl? „Game Design as Narrative Architecture“ setzt ein ausformuliertes Zeichen durch die Ansicht, dass eine Geschichte in einem Computerspiel gerade mittels durch Interaktion erfahrbare Räume transportiert werden kann. Leider befinden sich keine echten Stimmen der Ludologisten im Buch. Die (seitenzahlbezogen) letzten Essays beschäftigen sich in der Hauptsache mit dem komplexesten und am stärksten wachsenden Genre, dem MMORPG (Massive-Multiplayer Online Role Playing Game) bzw. MUD (Multi User Domain). Die postulierbaren Rechte der Teilnehmer eines Spiels sind hier Gegenstand der Diskussion („Declaring the Rights of Players“), oder auch die unterschiedlichen Stereotypen, auf die ein MMORPG-Betreiber vorbereitet sollte („Hearts, Clubs, Diamonds, Spades: Players Who Suit MUDs“). Um dem Leser oder auch Lehrenden entgegenzukommen, werden die Essays zu Beginn des Buches thematisch in 14 Bereiche gegliedert, wobei es nicht selten vorkommt, dass ein Artikel in mehreren Bereichen zu finden ist. Diese Einordnungen sind hervorragende Einführungen in die jeweilige Problematik und demonstrieren die Intention der vorgestellten Texte unter anderem mittels ausgewählten Zitaten. Außerdem finden sich am Ende jedes Mal weiterführende Literaturhinweise. Als nützlich stellt sich überdies die tabellarische Gesamtübersicht auf Seite 93 heraus, da man sofort sieht, welche Artikel welche Themenbereiche berühren. Da die Reihenfolge der Artikel innerhalb der Anthologie einer eigenen Logik folgt, empfehlen Salen und Zimmerman übrigens, sich nicht an ein lineares Leseverhalten zu binden. Jeder der Beiträge besitzt einen so genannten „Context“, d.h. einen kurzen Absatz über den eigentlichen Ursprung des jeweiligen Textes, und eine ebenfalls recht kurze Biographie des Autors. Jeder Text blieb bei der Aufnahme laut Aussage der Herausgeber in Form und Schreibweise unverändert, auch eventuelle Abbildungen, Bibliographien und Endnoten sind konserviert worden. Der älteste Aufsatz im Buch stammt aus dem Jahre 1938, namentlich „Nature and Significance of Play as a Cultural Phenomenon“ von Johan Huizinga, markiert den Anfang der Essays und schwört auch gleich ein: „You can deny God, but not play.“ Ansonsten reicht die Spanne der Artikel bis ins Jahr 2005, also kurz vor dem Veröffentlichungsjahr vom „Game Design Reader“. Die zumeist amerikanischen Autoren - zu viele, um sie hier aufzulisten, unter anderem Warren Spector (nur Vorwort), Henry Jenkins, William Poundstone, Marc LeBlanc, Chris Crawford und Warren Robinett - stammen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen, vereinen sich aber in ihrer Kongenialität unter der Kappe des Buchuntertitels; denn stets geht es mehr oder weniger um die „Rules of Play“, d.h. um das ominöse Gameplay, den Begriff, der ein Spiel erst zu einem Spiel werden lässt. Jeder Artikel geht die Beschäftigung mit den Regeln von Spielen anders an, manchmal vorder-, manchmal hintergründig. So theoretisiert Brian Sutton-Smith in seinem Essay „Play and Ambiguity“ von 1972, dass Spiele in ihrer Vieldeutigkeit vor allem die Mannigfaltigkeit ihrer Teilnehmer widerspiegeln, zumal „Spiel“ eine Unzahl an Bedeutungen hat, ob es sich nun um Hobby, Sport, Musik oder Träumen dreht. Zudem bietet er eine „Rethorical Solution“ an, die das Spielen in ‚Fortschritt’, ‚Schicksal', ‚Macht', ‚Identität', ‚Einbildung', ‚das Selbst' und ‚Leichtfertigkeit' einteilt, er also eine weitfassende Definition sucht, die alle Aspekte menschlichen Spielens beinhaltet. Aus einer ganz anderen literarischen Welt entspringt Mochan, der in seiner „Evil Summoner FAQ", Untertitel „How to Be a Cheap Ass", die Regeln eines bekannten Computerrollenspiels akribisch analysiert. Mit ironischen, beizeiten auch deftigen Kommentaren gibt Mochan Tipps und Tricks wieder, mit denen man „Summoner" am ehesten durchzuspielen vermag, und zwar so, wie es vermutlich nicht einmal die Entwickler angedacht hätten. Leider ist dieser Essay für Leute, die das Spiel nicht kennen, eine leicht zähflüssige Lektüre. Wie die Herausgeber selbst zugeben, ist die Auswahl der 33 Artikel nicht ganz optimal, ab und an fragt man sich, ob es wirklich so sinnreich war, diesen oder jenen Essay hineinzunehmen - auch wenn man mit etwas gutem Willen stets einen Bezug zum übergeordneten Thema findet. Was übrigens nicht unbedingt auf „Videospiele" hinausläuft - eine Tatsache, die für manche, die wie ich in diese Richtung gedacht haben, eine Neuigkeit sein könnte. Viele Texte, die Salen und Zimmerman gerne im Kanon gehabt hätten, durften sie leider nicht hinzufügen. Dennoch befindet sich die Qualität der Artikel durchweg auf hohem Niveau (vielleicht von den „Evil Summoner FAQ“ abgesehen), für Laien aber mag das teilweise stark fremdwortgetränkte Englisch zum Beispiel in „Semiotic Domains: Is Playing Video Games a ‚Waste of Time'?" von James Gee (welches zusätzlich mit einer recht abgehobenen Metapher aus dem Bereich der Linguistik aufwartet) ein Hemmnis sein. Überdies sind einige der Texte, selbstverständlich eigentlich, gekürzt und/oder aus ihrem Kontext gerissen. Hier zeigt sich meiner Meinung nach negativ die mangelnde Überarbeitung (wenigstens mittels Anmerkungen) der Herausgeber, wenn in einem Essay auf Dinge Bezug genommen wird, die man selbst nicht auf die Schnelle nachprüfen kann. Glücklicherweise kommt dies nur selten vor und fällt auch nicht weiter auf. Ebenfalls selbstverständlich ist die Tatsache, dass man manche Essays, beispielsweise Greg Costikyans „I Have No Words & I Must Design", im Internet finden kann - kostenlos ... Nach Aussage des Rückseitentextes ist das Buch gedacht als „classroom sourcebook", als „reference working game developers" und als „great read for game fans and players", oder anders gesagt „for anyone who takes games seriously". Wird das Buch diesen Ansprüchen gerecht? Ja, auf jeden Fall. Für den praktischen Gebrauch im (fachbezogenen) Unterricht mögen die meisten der enthaltenen Essays gut aufgehoben sein, und auch der (im Bereich Game-Design tätige) Spielentwickler wird hoffentlich so manches Mal Inspirationen darin finden. Der Großteil der Texte ist interessant und gut geschrieben, leider kann ich sie in dieser Rezension nicht alle ansprechen (das wäre äußerst langwierig und vermutlich auch langweilig für alle Beteiligten). Warren Spector schreibt es im Vorwort recht treffend: “See how a cultural theorist writing in the '60s enhances your understanding of a first-person shooter released in 2004." Ich zweifle ebenfalls nicht daran, dass die Kenntnis von längst erarbeiteten Definitionen, Theorien und Methoden schädlich sein kann.

Spiele sollen Spaß machen, aber trotzdem Kompetenzen fördern. Spiele sollen eine spannende Geschichte erzählen, aber trotzdem hochgradig interaktiv sein. Spiele sollen auf dem neuesten Stand sein, aber trotzdem das Gameplay nicht vernachlässigen. Spiele sollen herausfordernd sein, aber trotzdem Neueinsteiger nicht vergraulen. Spiele sollen mehr als nur ein paar Stunden lang dauern, aber trotzdem ununterbrochen bei Laune halten. Videospiele sind ganz offensichtlich ein paradoxes Medium, ein Ding der Unmöglichkeit. Oder nicht?

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Um in dieser Hinsicht Licht ins Dunkel zu bringen, veröffentlichten Katie Salen und Eric Zimmerman, zwei Gamedesigner und Kenner der Branche, mit „The Game Design Reader - A Rules of Play Anthology“ eine breitgefächerte Sammlung an Artikeln, die sich hauptsächlich mit den Themata Spiel, Videospiel und auch Spieledesign beschäftigen. Aufklärerisch wollen die beiden das große Paradoxon „Spiel“ entmystifizieren, analysieren und vor allem: lehren. Entstanden ist tatsächlich ein 850 Seiten schweres Sammelband, der nach Willen der Herausgeber als Lehrwerk verwendet werden soll für - ja, für wen eigentlich?

Mit Sicherheit gibt es so gut wie niemanden, der nicht wenigstens aus einigen der im Buch enthaltenen 33 unterschiedlichen Essays etwas Nützliches und Wissenswertes ziehen kann. Die Spannweite der behandelten Themen reicht von der Grundsatzdiskussion, was „Spielen“ eigentlich ist (z.B. „The Definition of Play“), oder was genau „ein Spiel“ ist, und wie es aufgebaut ist, über die Beschäftigung mit der Frage, welche Lehren wir aus Spielen ziehen, und ob diese gut für uns sind oder nicht (z.B. „Semiotic Domains“), bis hin zur Analyse und Definition von Design-Werkzeugen für die Entwicklung von Computerspielen (z.B. „Tools for Creating Dramatic Game Dynamics“). Ab und zu sind Aufsätze eingestreut, die weniger belehrend sind und dennoch gut in die Gesamtauswahl passen, da sie den Bezug zum Oberthema von einer anderen, ungewöhnlicheren Richtung aus angehen. Beispielsweise beschreibt „Bow, Nigger“ die Achterbahnfahrt der Gefühle während eines Multiplayer-Duells auf eindringliche Art und Weise; der Text kann gewiss soziokulturellen Studien dienen.

Auch werden theoretische Ansätze in Hinsicht auf das Design eines Videospiels nicht vernachlässigt; so erklärt Doug Church in „Formal Abstract Design Tools“ seinen Ansatz für Analysewerkzeuge, die vor allem zur Kommunikation über Features von Spielen dienen. Einige der Aufsätze beziehen sich völlig auf vorhandene Spiele, die auf unterschiedliche Weise beleuchtet werden – „Game Analysis: Centipede“ kennt man hierbei bereits aus Richard Rouses Buch „Game Design: Theory & Practice“. Half-Life, Adventure, Eastern Front oder Doom 3 sind weitere Titel, die ganz konkret und auch praxisnah hinsichtlich ihres Entwicklungsprozesses oder ihrer Spielspaßfaktoren besprochen werden.

Interessant auch für die unterschiedlichen Ansichten, was das Gameplay betrifft, sind diejenigen Artikel, die sich mit von Ludologisten und Narrativisten geführten Diskussionen beschäftigen. Widerspricht eine ausgearbeitete Handlung einem interaktiven Spielgefühl? „Game Design as Narrative Architecture“ setzt ein ausformuliertes Zeichen durch die Ansicht, dass eine Geschichte in einem Computerspiel gerade mittels durch Interaktion erfahrbare Räume transportiert werden kann. Leider befinden sich keine echten Stimmen der Ludologisten im Buch.

Die (seitenzahlbezogen) letzten Essays beschäftigen sich in der Hauptsache mit dem komplexesten und am stärksten wachsenden Genre, dem MMORPG (Massive-Multiplayer Online Role Playing Game) bzw. MUD (Multi User Domain). Die postulierbaren Rechte der Teilnehmer eines Spiels sind hier Gegenstand der Diskussion („Declaring the Rights of Players“), oder auch die unterschiedlichen Stereotypen, auf die ein MMORPG-Betreiber vorbereitet sollte („Hearts, Clubs, Diamonds, Spades: Players Who Suit MUDs“).

Um dem Leser oder auch Lehrenden entgegenzukommen, werden die Essays zu Beginn des Buches thematisch in 14 Bereiche gegliedert, wobei es nicht selten vorkommt, dass ein Artikel in mehreren Bereichen zu finden ist. Diese Einordnungen sind hervorragende Einführungen in die jeweilige Problematik und demonstrieren die Intention der vorgestellten Texte unter anderem mittels ausgewählten Zitaten. Außerdem finden sich am Ende jedes Mal weiterführende Literaturhinweise. Als nützlich stellt sich überdies die tabellarische Gesamtübersicht auf Seite 93 heraus, da man sofort sieht, welche Artikel welche Themenbereiche berühren. Da die Reihenfolge der Artikel innerhalb der Anthologie einer eigenen Logik folgt, empfehlen Salen und Zimmerman übrigens, sich nicht an ein lineares Leseverhalten zu binden.

Jeder der Beiträge besitzt einen so genannten „Context“, d.h. einen kurzen Absatz über den eigentlichen Ursprung des jeweiligen Textes, und eine ebenfalls recht kurze Biographie des Autors. Jeder Text blieb bei der Aufnahme laut Aussage der Herausgeber in Form und Schreibweise unverändert, auch eventuelle Abbildungen, Bibliographien und Endnoten sind konserviert worden.

Der älteste Aufsatz im Buch stammt aus dem Jahre 1938, namentlich „Nature and Significance of Play as a Cultural Phenomenon“ von Johan Huizinga, markiert den Anfang der Essays und schwört auch gleich ein: „You can deny God, but not play.“

Ansonsten reicht die Spanne der Artikel bis ins Jahr 2005, also kurz vor dem Veröffentlichungsjahr vom „Game Design Reader“. Die zumeist amerikanischen Autoren - zu viele, um sie hier aufzulisten, unter anderem Warren Spector (nur Vorwort), Henry Jenkins, William Poundstone, Marc LeBlanc, Chris Crawford und Warren Robinett - stammen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen, vereinen sich aber in ihrer Kongenialität unter der Kappe des Buchuntertitels; denn stets geht es mehr oder weniger um die „Rules of Play“, d.h. um das ominöse Gameplay, den Begriff, der ein Spiel erst zu einem Spiel werden lässt. Jeder Artikel geht die Beschäftigung mit den Regeln von Spielen anders an, manchmal vorder-, manchmal hintergründig. So theoretisiert Brian Sutton-Smith in seinem Essay „Play and Ambiguity“ von 1972, dass Spiele in ihrer Vieldeutigkeit vor allem die Mannigfaltigkeit ihrer Teilnehmer widerspiegeln, zumal „Spiel“ eine Unzahl an Bedeutungen hat, ob es sich nun um Hobby, Sport, Musik oder Träumen dreht. Zudem bietet er eine „Rethorical Solution“ an, die das Spielen in ‚Fortschritt’, ‚Schicksal', ‚Macht', ‚Identität', ‚Einbildung', ‚das Selbst' und ‚Leichtfertigkeit' einteilt, er also eine weitfassende Definition sucht, die alle Aspekte menschlichen Spielens beinhaltet. Aus einer ganz anderen literarischen Welt entspringt Mochan, der in seiner „Evil Summoner FAQ", Untertitel „How to Be a Cheap Ass", die Regeln eines bekannten Computerrollenspiels akribisch analysiert. Mit ironischen, beizeiten auch deftigen Kommentaren gibt Mochan Tipps und Tricks wieder, mit denen man „Summoner" am ehesten durchzuspielen vermag, und zwar so, wie es vermutlich nicht einmal die Entwickler angedacht hätten. Leider ist dieser Essay für Leute, die das Spiel nicht kennen, eine leicht zähflüssige Lektüre.

Wie die Herausgeber selbst zugeben, ist die Auswahl der 33 Artikel nicht ganz optimal, ab und an fragt man sich, ob es wirklich so sinnreich war, diesen oder jenen Essay hineinzunehmen - auch wenn man mit etwas gutem Willen stets einen Bezug zum übergeordneten Thema findet. Was übrigens nicht unbedingt auf „Videospiele" hinausläuft - eine Tatsache, die für manche, die wie ich in diese Richtung gedacht haben, eine Neuigkeit sein könnte. Viele Texte, die Salen und Zimmerman gerne im Kanon gehabt hätten, durften sie leider nicht hinzufügen. Dennoch befindet sich die Qualität der Artikel durchweg auf hohem Niveau (vielleicht von den „Evil Summoner FAQ“ abgesehen), für Laien aber mag das teilweise stark fremdwortgetränkte Englisch zum Beispiel in „Semiotic Domains: Is Playing Video Games a ‚Waste of Time'?" von James Gee (welches zusätzlich mit einer recht abgehobenen Metapher aus dem Bereich der Linguistik aufwartet) ein Hemmnis sein.

Überdies sind einige der Texte, selbstverständlich eigentlich, gekürzt und/oder aus ihrem Kontext gerissen. Hier zeigt sich meiner Meinung nach negativ die mangelnde Überarbeitung (wenigstens mittels Anmerkungen) der Herausgeber, wenn in einem Essay auf Dinge Bezug genommen wird, die man selbst nicht auf die Schnelle nachprüfen kann. Glücklicherweise kommt dies nur selten vor und fällt auch nicht weiter auf. Ebenfalls selbstverständlich ist die Tatsache, dass man manche Essays, beispielsweise Greg Costikyans „I Have No Words & I Must Design", im Internet finden kann - kostenlos ...

Nach Aussage des Rückseitentextes ist das Buch gedacht als „classroom sourcebook", als „reference working game developers" und als „great read for game fans and players", oder anders gesagt „for anyone who takes games seriously". Wird das Buch diesen Ansprüchen gerecht?

Ja, auf jeden Fall. Für den praktischen Gebrauch im (fachbezogenen) Unterricht mögen die meisten der enthaltenen Essays gut aufgehoben sein, und auch der (im Bereich Game-Design tätige) Spielentwickler wird hoffentlich so manches Mal Inspirationen darin finden. Der Großteil der Texte ist interessant und gut geschrieben, leider kann ich sie in dieser Rezension nicht alle ansprechen (das wäre äußerst langwierig und vermutlich auch langweilig für alle Beteiligten). Warren Spector schreibt es im Vorwort recht treffend: “See how a cultural theorist writing in the '60s enhances your understanding of a first-person shooter released in 2004." Ich zweifle ebenfalls nicht daran, dass die Kenntnis von längst erarbeiteten Definitionen, Theorien und Methoden schädlich sein kann.

geschrieben am 30.07.2006 | 1363 Wörter | 8345 Zeichen

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