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Rückkehr von den Sternen


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Rezension von

Friedrich Hanisch

Rückkehr von den Sternen Nach 127 Jahren kehrt Hal Bregg auf die Erde zurück. Auf dem Forschungsraumschiff "Prometheus" lediglich um neun Jahre gealtert, ist der Pilot in seiner Heimat nun ein Relikt einer längst vergangenen Epoche, vergessen und unverstanden. Vor Jahrzehnten schon, während seiner Reise, wurde der Menschheit dank Drogen und Gehirnoperationen die Aggressivität abgewöhnt. In dieser durch und durch friedlichen Gesellschaft fühlt sich Hal Bregg fremder als auf den fremdesten Planeten, wie ein Steinzeitmensch, psychisch und physisch unzivilisiert. Er stolpert ungebremst von einer Neuartigkeit in die nächste Unglaublichkeit. Langsam und widerwillig muss er erkennen, dass die Welt nicht verrückt geworden, sondern er der letzte Verrückte ist. Die totale "Betrisierung", d.h. die Einlullung der Welt, hat aber auch ihre Schattenseiten. Die Menschen wurden ignorant - alles, was mit Risiko zu tun hat, kümmert einfach nicht mehr, für solche Dinge werden Automaten gebaut. Angst gibt es keine, das Schlechte und Böse wurde durch reine Unwilligkeit ausgemerzt. Wie auch die Erotik; wie es heißt, ist es schwieriger, eine Frau zu finden als viele. So sind es dann unter anderem auch die Begegnungen mit zwei Frauen, die für Hal Bregg ausschlaggebend sind, die komplizierte Schlichtheit seiner neuen alten Heimat auf Distanz, zurückgezogen in den Bergen, verstehen zu lernen - war es doch auch die zehnjährige Einsamkeit auf einem Raumschiff, die ihn einen kühlen Kopf und Wissensdurst bewahren ließen. Dort angekommen ist es wieder eine Frau, die den ehemaligen Piloten in tiefe Verwirrung stürzt. Selbst sein Freund Olaf, Mitreisender und Leidensgenosse, kann nicht helfen, nur kommentieren. Und trotz oder gerade wegen seines fortschreitenden Begreifens über die Zusammenhänge benimmt sich Hal Bregg wie eine Marionette seiner eigenen Gefühle - verliebt, ohne es zu wollen, und verletzend, ohne es zu ahnen. "Rückkehr von den Sternen" ist Stanislaw Lems siebter Science-Fiction-Roman; mit ihm hat er Grundsteine für seinen "Futurologischen Kongress" und den "Lokaltermin" gelegt, indem er eine augenscheinlich bessere Welt erschuf, in der sich die Gesellschaft mehr oder weniger freiwillig selbst versklaven ließ. Anleihen aus Lems anderen Werken sind ebenfalls erkennbar, beispielsweise wenn der Protagonist gleichsam dem aus den "Memoiren, gefunden in der Badewanne" von Ort zu Ort geschubst wird, oder wenn die Pirx'sche Resignation durchscheint, sobald es um Zivilisationen auf anderen Planeten und den Mangel an Kontakt zu ihnen geht. Zentral bleibt selbstverständlich auch die Liebesgeschichte, die vom unumgänglichen Begreifen und auch Annehmen der veränderten Umstände begleitet wird. Ähnlich wie in "Solaris" scheint die Beziehung zum Scheitern verurteilt. In der Retrospektive ist "Rückkehr von den Sternen" ein Potpourri an verschiedenen Genres - mal ein Weltraumabenteuer, wenn der Pilot von seiner Reise erzählt, mal eine Art Geschichtsbuch über eine mögliche Zukunft der Erde, mal ein Lehrstück über menschliches Zusammenleben. Die Dialoge sind ehrlich und ungestüm, oft zwingen sie zum Mitdenken, denn es wird nicht alles gesagt, was gemeint ist. Nicht selten schimmern philosophische und moralische Betrachtungen durch, wie sie so gut wie immer bei Lem zu finden sind. Was spricht gegen die Zähmung der Menschheit? Was gibt es für rationale Gründe für interplanetares Reisen? Entwickelt sich eine Gesellschaft weiter, oder verändert sie sich lediglich? Eine meiner Lieblingsstellen ist die Inspektion einer Roboter-Entsorgungsstelle, auf der der Pilot die Agonie schrottreifer Automaten miterlebt. Einer dieser Leidenden beteuert unentwegt, ein Mensch zu sein, der sich eine Zeitlang für eine Maschine hielt, und jetzt wieder geheilt sei. Wie eine fast schon unbeabsichtigte Andeutung an eine düstere Zukunftsvision wird klargestellt, dass die Automaten und die Menschen wie zwei verschiedene Gesellschaften parallel existieren. Olaf bemerkt dazu zielsicher, dass die Menschen zwar nicht mehr töten können, die Roboter aber schon. Interessanterweise ist auch das erste Wesen, mit dem sich Hal Bregg seit seiner Wiederkehr normal unterhalten konnte, mechanisch. Über die literarischen Qualitäten Stanislaw Lems muss wohl nicht mehr viel gesagt werden. Es gelingt ihm wie immer, dank seines großen Allgemein- wie auch Spezialwissens eine glaubhafte Alternative zur Realität zu kreieren. Die notwendigen Wortschöpfungen wirken nie unpassend, was auch der Übersetzerin Maria Kurecka anzurechnen ist. Ist Hal Bregg verwirrt, so ist es auch der Leser, denn der Strudel unbekannter Eindrücke wird vom Autor erbarmungslos wiedergegeben; reift in Hal Bregg eine Erkenntnis, so versteht instinktiv auch der aufmerksam Lesende. Wie die meisten Romane von Lem erhält "Rückkehr von den Sternen" von mir das Prädikat "erleuchtend".

Nach 127 Jahren kehrt Hal Bregg auf die Erde zurück. Auf dem Forschungsraumschiff "Prometheus" lediglich um neun Jahre gealtert, ist der Pilot in seiner Heimat nun ein Relikt einer längst vergangenen Epoche, vergessen und unverstanden. Vor Jahrzehnten schon, während seiner Reise, wurde der Menschheit dank Drogen und Gehirnoperationen die Aggressivität abgewöhnt. In dieser durch und durch friedlichen Gesellschaft fühlt sich Hal Bregg fremder als auf den fremdesten Planeten, wie ein Steinzeitmensch, psychisch und physisch unzivilisiert. Er stolpert ungebremst von einer Neuartigkeit in die nächste Unglaublichkeit. Langsam und widerwillig muss er erkennen, dass die Welt nicht verrückt geworden, sondern er der letzte Verrückte ist.

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Die totale "Betrisierung", d.h. die Einlullung der Welt, hat aber auch ihre Schattenseiten. Die Menschen wurden ignorant - alles, was mit Risiko zu tun hat, kümmert einfach nicht mehr, für solche Dinge werden Automaten gebaut. Angst gibt es keine, das Schlechte und Böse wurde durch reine Unwilligkeit ausgemerzt. Wie auch die Erotik; wie es heißt, ist es schwieriger, eine Frau zu finden als viele. So sind es dann unter anderem auch die Begegnungen mit zwei Frauen, die für Hal Bregg ausschlaggebend sind, die komplizierte Schlichtheit seiner neuen alten Heimat auf Distanz, zurückgezogen in den Bergen, verstehen zu lernen - war es doch auch die zehnjährige Einsamkeit auf einem Raumschiff, die ihn einen kühlen Kopf und Wissensdurst bewahren ließen.

Dort angekommen ist es wieder eine Frau, die den ehemaligen Piloten in tiefe Verwirrung stürzt. Selbst sein Freund Olaf, Mitreisender und Leidensgenosse, kann nicht helfen, nur kommentieren. Und trotz oder gerade wegen seines fortschreitenden Begreifens über die Zusammenhänge benimmt sich Hal Bregg wie eine Marionette seiner eigenen Gefühle - verliebt, ohne es zu wollen, und verletzend, ohne es zu ahnen.

"Rückkehr von den Sternen" ist Stanislaw Lems siebter Science-Fiction-Roman; mit ihm hat er Grundsteine für seinen "Futurologischen Kongress" und den "Lokaltermin" gelegt, indem er eine augenscheinlich bessere Welt erschuf, in der sich die Gesellschaft mehr oder weniger freiwillig selbst versklaven ließ. Anleihen aus Lems anderen Werken sind ebenfalls erkennbar, beispielsweise wenn der Protagonist gleichsam dem aus den "Memoiren, gefunden in der Badewanne" von Ort zu Ort geschubst wird, oder wenn die Pirx'sche Resignation durchscheint, sobald es um Zivilisationen auf anderen Planeten und den Mangel an Kontakt zu ihnen geht.

Zentral bleibt selbstverständlich auch die Liebesgeschichte, die vom unumgänglichen Begreifen und auch Annehmen der veränderten Umstände begleitet wird. Ähnlich wie in "Solaris" scheint die Beziehung zum Scheitern verurteilt.

In der Retrospektive ist "Rückkehr von den Sternen" ein Potpourri an verschiedenen Genres - mal ein Weltraumabenteuer, wenn der Pilot von seiner Reise erzählt, mal eine Art Geschichtsbuch über eine mögliche Zukunft der Erde, mal ein Lehrstück über menschliches Zusammenleben. Die Dialoge sind ehrlich und ungestüm, oft zwingen sie zum Mitdenken, denn es wird nicht alles gesagt, was gemeint ist.

Nicht selten schimmern philosophische und moralische Betrachtungen durch, wie sie so gut wie immer bei Lem zu finden sind. Was spricht gegen die Zähmung der Menschheit? Was gibt es für rationale Gründe für interplanetares Reisen? Entwickelt sich eine Gesellschaft weiter, oder verändert sie sich lediglich?

Eine meiner Lieblingsstellen ist die Inspektion einer Roboter-Entsorgungsstelle, auf der der Pilot die Agonie schrottreifer Automaten miterlebt. Einer dieser Leidenden beteuert unentwegt, ein Mensch zu sein, der sich eine Zeitlang für eine Maschine hielt, und jetzt wieder geheilt sei. Wie eine fast schon unbeabsichtigte Andeutung an eine düstere Zukunftsvision wird klargestellt, dass die Automaten und die Menschen wie zwei verschiedene Gesellschaften parallel existieren. Olaf bemerkt dazu zielsicher, dass die Menschen zwar nicht mehr töten können, die Roboter aber schon. Interessanterweise ist auch das erste Wesen, mit dem sich Hal Bregg seit seiner Wiederkehr normal unterhalten konnte, mechanisch.

Über die literarischen Qualitäten Stanislaw Lems muss wohl nicht mehr viel gesagt werden. Es gelingt ihm wie immer, dank seines großen Allgemein- wie auch Spezialwissens eine glaubhafte Alternative zur Realität zu kreieren. Die notwendigen Wortschöpfungen wirken nie unpassend, was auch der Übersetzerin Maria Kurecka anzurechnen ist. Ist Hal Bregg verwirrt, so ist es auch der Leser, denn der Strudel unbekannter Eindrücke wird vom Autor erbarmungslos wiedergegeben; reift in Hal Bregg eine Erkenntnis, so versteht instinktiv auch der aufmerksam Lesende.

Wie die meisten Romane von Lem erhält "Rückkehr von den Sternen" von mir das Prädikat "erleuchtend".

geschrieben am 07.11.2005 | 691 Wörter | 4130 Zeichen

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