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Walther Rathenau


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Rezension von

Max Bloch

Walther Rathenau Walther Rathenau, der 1922 von rechtsradikalen Attentätern ermordete Reichsaußenminister, bindet bis heute das Interesse breiter Schichten. Eine „der schillerndsten, facettenreichsten und intellektuell provozierendsten Persönlichkeiten“ seiner Zeit (W. Michalka) scheint er sich hergebrachten Schemata zu entziehen: Feingeist und Organisator, Kapitalist und Prophet der wirtschaftlichen Sozialisierung, Jude und deutscher Patriot, Mahner und Macher, als tragisch empfunden schon vor seinem Tod, von Lenin rezipiert und von Speer, ist er eine problematische Figur geblieben. In den letzten Jahren sind zahlreiche Monographien und Studien zu Rathenau erschienen – so von Wolfgang Brenner, Christian Schölzel und Jörg Hentzschel-Fröhlings. Der große Liberalismusforscher Lothar Gall arbeitet zur Zeit an einem umfangreichen Werk, und die von Hans Dieter Hellige und Ernst Schulin besorgte Gesamtausgabe sorgt für die nötige empirische Basis. Wer Orientierung sucht und Überblick, einen Wegweiser durch das mitunter verstörende Leben Rathenaus, dem sei die ebenso knappe wie profunde Würdigung durch die Ernst Freiberger-Stiftung empfohlen, die mit Wolfgang Michalka (Karlsruhe) und Christiane Scheidemann (Berlin) ausgewiesene Kenner der Materie als Autoren gewinnen konnte und die aussagekräftigsten Auszüge aus Rathenaus Werk abschließend zum Abdruck bringt. „Ein Mann vieler Eigenschaften“ und „Vordenker der Moderne“ – so sind Michalkas Beiträge betitelt, die Rathenaus Werdegang anschaulich skizzieren, aber gleichwohl vor allzu linearen Deutungen: Rathenau als „Ahnherr eines liberalen und demokratischen Deutschlands“, warnen. Christiane Scheidemann konzentriert sich vor allem auf den Außenpolitiker Rathenau, wobei sie – als Mitarbeiterin des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes und Biographin seines Amtsvorgängers Ulrich von Brockdorff-Rantzau – auf einen reichen Kenntnisschatz zurückgreifen kann. Sind diese Texte bereits sehr quellennah verfasst und ermöglicht bereits die reiche Bebilderung des Bandes einen Blick auf den Privatmann Rathenau, der als in sich gekehrter Eremit in erlesener Umgebung in Freienwalde und im Grunewald residierte, so lässt die Aufnahme sorgsam ausgewählter Textpassagen von seiner Hand – allerdings unkommentiert und ohne editorische Handreichung – den vorab historisch Verorteten auch selbst zu Worte kommen. Das mag die Lektüre der Schriften und Briefe nicht ersetzen, ermöglicht aber ein kurzes Eintauchen in Rathenaus Gedankenwelt, die durch egalitären Enthusiasmus durchaus nicht glänzte: „Welcher irregeleitete Gerechtigkeitssinn konnte je auf die Forderung der Gleichheit verfallen?“, schrieb Rathenau 1917. Dass er gleichwohl die aristokratische Ordnung als anachronistisch empfand, hatte er bereits fünf Jahre zuvor öffentlich bewiesen, als er sich zum Fürsprecher demokratischer Auslese, also der Selektion nach dem Leistungsprinzip machte. Die Texte spiegeln den mit sich ringenden, zwischen Individualismus und Gemeinsinn, Geist und Masse oszillierenden Geist eines vielfach zerrissenen Mannes, der ein Zeitalter versinken sah, dem er sich zugehörig fühlte, der das Unabwendbare aber zur Grundlage seiner Beurteilung machte und der sich – in Nietzschescher Manier – vehement zum Neuen bekannte. Um Popularität war es ihm dabei nie zu tun: „die Zeitmeinungen des überlegenen und halbgebildeten Spießbürgers“, mit diesem Brief von 1919 schließt der einfühlsame Band, „erkenne ich nicht an.“

Walther Rathenau, der 1922 von rechtsradikalen Attentätern ermordete Reichsaußenminister, bindet bis heute das Interesse breiter Schichten. Eine „der schillerndsten, facettenreichsten und intellektuell provozierendsten Persönlichkeiten“ seiner Zeit (W. Michalka) scheint er sich hergebrachten Schemata zu entziehen: Feingeist und Organisator, Kapitalist und Prophet der wirtschaftlichen Sozialisierung, Jude und deutscher Patriot, Mahner und Macher, als tragisch empfunden schon vor seinem Tod, von Lenin rezipiert und von Speer, ist er eine problematische Figur geblieben. In den letzten Jahren sind zahlreiche Monographien und Studien zu Rathenau erschienen – so von Wolfgang Brenner, Christian Schölzel und Jörg Hentzschel-Fröhlings. Der große Liberalismusforscher Lothar Gall arbeitet zur Zeit an einem umfangreichen Werk, und die von Hans Dieter Hellige und Ernst Schulin besorgte Gesamtausgabe sorgt für die nötige empirische Basis. Wer Orientierung sucht und Überblick, einen Wegweiser durch das mitunter verstörende Leben Rathenaus, dem sei die ebenso knappe wie profunde Würdigung durch die Ernst Freiberger-Stiftung empfohlen, die mit Wolfgang Michalka (Karlsruhe) und Christiane Scheidemann (Berlin) ausgewiesene Kenner der Materie als Autoren gewinnen konnte und die aussagekräftigsten Auszüge aus Rathenaus Werk abschließend zum Abdruck bringt.

„Ein Mann vieler Eigenschaften“ und „Vordenker der Moderne“ – so sind Michalkas Beiträge betitelt, die Rathenaus Werdegang anschaulich skizzieren, aber gleichwohl vor allzu linearen Deutungen: Rathenau als „Ahnherr eines liberalen und demokratischen Deutschlands“, warnen. Christiane Scheidemann konzentriert sich vor allem auf den Außenpolitiker Rathenau, wobei sie – als Mitarbeiterin des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes und Biographin seines Amtsvorgängers Ulrich von Brockdorff-Rantzau – auf einen reichen Kenntnisschatz zurückgreifen kann. Sind diese Texte bereits sehr quellennah verfasst und ermöglicht bereits die reiche Bebilderung des Bandes einen Blick auf den Privatmann Rathenau, der als in sich gekehrter Eremit in erlesener Umgebung in Freienwalde und im Grunewald residierte, so lässt die Aufnahme sorgsam ausgewählter Textpassagen von seiner Hand – allerdings unkommentiert und ohne editorische Handreichung – den vorab historisch Verorteten auch selbst zu Worte kommen.

Das mag die Lektüre der Schriften und Briefe nicht ersetzen, ermöglicht aber ein kurzes Eintauchen in Rathenaus Gedankenwelt, die durch egalitären Enthusiasmus durchaus nicht glänzte: „Welcher irregeleitete Gerechtigkeitssinn konnte je auf die Forderung der Gleichheit verfallen?“, schrieb Rathenau 1917. Dass er gleichwohl die aristokratische Ordnung als anachronistisch empfand, hatte er bereits fünf Jahre zuvor öffentlich bewiesen, als er sich zum Fürsprecher demokratischer Auslese, also der Selektion nach dem Leistungsprinzip machte. Die Texte spiegeln den mit sich ringenden, zwischen Individualismus und Gemeinsinn, Geist und Masse oszillierenden Geist eines vielfach zerrissenen Mannes, der ein Zeitalter versinken sah, dem er sich zugehörig fühlte, der das Unabwendbare aber zur Grundlage seiner Beurteilung machte und der sich – in Nietzschescher Manier – vehement zum Neuen bekannte. Um Popularität war es ihm dabei nie zu tun: „die Zeitmeinungen des überlegenen und halbgebildeten Spießbürgers“, mit diesem Brief von 1919 schließt der einfühlsame Band, „erkenne ich nicht an.“

geschrieben am 03.11.2008 | 457 Wörter | 2990 Zeichen

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