ISBN | 3898794857 | |
Autor | David Wessel | |
Verlag | Finanzbuch Verlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 333 | |
Erscheinungsjahr | 2010 | |
Extras | - |
Die Finanzkrise hat die Welt verändert. Bevor sich die Historiker der Rekonstruktion weltbewegender Ereignisse annehmen, sind es in der Regel Journalisten, die die ersten Geschichtsdarstellungen vorlegen. So auch bei diesem Ereignis. Der Wirtschaftsjournalist David Wessel hat den Ablauf der „Großen Panik“ und das Handeln der maßgeblichen Akteure in der amerikanischen Zentralbank rekonstruiert. Wessel beschreibt die Ereignisse im Vorfeld und nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im inneren Zirkel der amerikanischen Geld- und Finanzpolitik. Er portraitiert die wichtigsten Akteure und beschreibt das Beziehungsgeflecht zwischen der Federal Reserve, der Politik und der Wallstreet, in dem sich die Aktionen zur Rettung des Finanzsystems abspielten.
Die Ära Greenspan war gekennzeichnet von einem Personenkult und übertriebenem Vertrauen in dessen Fähigkeiten die Wirtschaft zu übersehen und durch seine Geldpolitik einen dauerhaften Aufschwung zu sichern. Greenspan wurde zum Medienstar und Liebling der Anleger. Seine Niedrigzinspolitik war zwar populär, sie hat aber wesentlich zu dem Entstehen der Hypothekenblase beigetragen, deren Platzen die Finanzmärkte seit dem Sommer 2007 erschütterte.
Im Mittelpunkt des Berichts über die dramatischen Ereignisse der Bankenrettung steht Greenspans Nachfolger Ben Bernanke. Bernanke war kein Mann der Privatwirtschaft, sondern Universitätslehrer. Seine wissenschaftliche Reputation beruht auf seinen Arbeiten über die Große Depression von 1929. Bernankes Theorien bauen auf der Kritik von Milton Friedman auf, der die Hauptursache der damaligen Krise in dem Versagen der Notenbanken sah. Seine Grundannahme, dass die Zentralbank die Depression hätte verhindern können, wenn Sie den Markt mit mehr Liquidität versorgt hätte, übertrug Bernanke auf die aktuelle Bankenkrise.
Neben dem Kernbankensystem, für die die Zentralbank und die Einlagensicherung verantwortlich sind, war ein „Schattenbankensystem“ aus Investmentbanken, Hedge-Fonds, Privatbeteiligungs-Fonds, Emittenten und Inhaber verbriefter Kredite entstanden, dessen Bedeutung für die Wirtschaft den führenden Köpfen der Zentralbank erst im Laufe der Krise klar wurde. Als sie die Bedeutung erkannten, setzten Bernanke und Finanzminister Paulsen darauf, diesen Teil des Finanzsystems mit Kapital zu versorgen, mit dem Ziel den Zusammenbruch dieser Finanzinstitute zu verhindern. Zu diesem Zweck erweiterte die Zentralbank ihre Kompetenzen, senkte den Leitzins auf Null, wurden „toxische Papiere“ mit geschöpften Geld aufgekauft oder durch sichere Staatsanleihen ersetzt. Der Kongress wurde trotz der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen und der ablehnende Haltung zahlreicher Abgeordneter dazu bewegt, 700 Milliarden US-Dollar an Steuergeldern für die Rettungsaktionen zur Verfügung zu stellen.
Wessel beschreibt die Konflikte zwischen den „Falken“, für die die Inflationsbekämpfung Vorrang hatte, und den „Tauben“ in der Zentralbank, die auf eine Politik des billigen Geldes setzten; die schwierige Suche nach Käufern für die strauchelnden Finanzunternehmen. Er zeigt die institutionellen, rechtlichen und politischen Hürden, die zur Umsetzung der Rettungspakete überwunden wurden und die unkonventionellen Methoden, mit denen das Kapital den Finanzunternehmen zum Teil sogar aufgedrängt wurde. Es bestätigt sich, dass der Präsident und die übrigen Staatsorgane lange nur Zaungäste der von Bernanke und Paulsen betriebenen Politik waren.
Wessel macht keinen Hehl daraus, dass er Bernankes Geldpolitik zur Versorgung des Marktes mit Liquidität für richtig hält und die Rettungsaktionen positiv bewertet. Obwohl Wessel selbst die drastischen negativen Folgen der Zinssenkungen unter Greenspan darlegt, geht er nur am Rande auf mögliche negative Folgen der Niedrigzinspolitik und des Aufkaufs von Wertpapieren mit geschöpftem Geld ein. Hier hätte man sich von dem Autor gewünscht, dass dieser die Grundlagen seines Urteils stärker reflektiert und nicht nur als Chronist der Ereignisse auftritt. Wessel schafft zwar Verständnis für die Zwänge, unter denen die Protagonisten handelten, dies sagt jedoch wenig darüber aus, ob sie in der Sache Recht hatten.
Auf jeden Fall gewährt das Buch interessante Einblicke in die damalige Entscheidungsfindung und in die persönliche Motivlage der handelnden Personen. Die dargelegten Fakten demonstrieren, wie wenig die maßgeblichen Akteure selbst über die Lage auf den Finanzmärkten bescheid wussten und bestätigt Napoleons berühmte Satz: Erkläre nicht durch Verschwörung, was Du auch durch Inkompetenz erklären kannst.
geschrieben am 23.03.2010 | 610 Wörter | 4035 Zeichen
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