ISBN | 3886807657 | |
Autor | Nina Grunenberg | |
Verlag | Siedler | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 316 | |
Erscheinungsjahr | 2006 | |
Extras | - |
Nina Grunenberg schreibt, Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik sei nur "halb beschrieben ohne ihr Personal", daher habe sie sich entschlossen, die "Grabplatten über den Wundertätern" anzuheben und Licht in die Geschehnisse zwischen dem Ende des Dritten Reiches und dem wirtschaftlichen Wiederaufstiegs zu bringen. Das ist ihr gelungen und man ist verleitet zu sagen, ohne das "Personal ist die Wirtschaftsgeschichte gar nicht geschrieben."
Denn Wirtschaft wird nicht von Statistiken, Kennziffern und Strukturen gemacht, sondern von Menschen aus Fleisch und Blut.
Dem entsprechend stehen im Mittelpunkt der Darstellung hervorragende biographische Skizzen, die zu einer Schilderung verwoben werden, die ein großes Gesamtbild des Wirtschaftswunders entstehen lässt. Damit ist ihr Ansatz traditionell und zu gleich modern. Traditionell, indem sie auf das Mittel der "Erzählung" zur Beschreibung des historischen Gegenstandes zurückgreift. Modern, indem sie den in den Sozialwissenschaften immer populärer werdende Konzept des Netzwerkes zur Erklärung des Wirtschaftswunders heranzieht und seine Relevanz anhand der konkreten Abläufe und Persönlichkeiten nachvollziehbar macht.
Auf der Suche nach den Ursprüngen des Wirtschaftswunders stellte Grunenberg fest, dass sie die Spur direkt sie in die Rüstungsschmiede Speers zurückführte: "Nicht die Anfänge der Bundesrepublik rückten näher, sondern die Schatten des Dritten Reiches wurden immer länger." Viele der wichtigsten Akteure des wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Gründung der Bundesrepublik gingen aus "Speers Kindergarten" hervor. Das war die ironische Bezeichnung für die jungen Technokraten, die Hitlers Rüstungsminister um sich versammelt hatte, der wiederum Konzepte des jüdischen Rüstungsorganisators des Ersten Weltkrieges Walther Rathenau übernahm. Damit deutet sich bereits jene Kontinuität ökonomischer Effizienz der deutschen Wirtschaftführer über die unterschiedlichen Systeme hinweg an, die ihren Ausdruck in der "erstaunlich geringen Elitenzirkulation" nach 1945 fand. "Aus ihrem Blickwinkel war es offenbar kein Unterschied, ob draußen eine Monarchie, eine Republik oder eine Diktatur die Regeln bestimmte."
Eine richtige "Stunde Null" gab es laut der Autorin nicht, denn ein wichtiger Teil der Wirtschaftselite hatte sich schon frühzeitig auf die Zeit nach der Niederlage vorbereitet. Der aus einer älteren Generation stammende Friedrich Flick hatte schon während des Krieges seine Zentrale von Berlin nach Düsseldorf verlegt, weil er über die Aufteilung der Besatzungszonen informiert war. Im Ruhrgebiet hatten die Bergwerksdirektoren schon seit 1942 "mehr oder minder unverhohlen" über den Krieg hinausgeplant. Der Generaldirektor der Mannesmann Röhrenwerke Wilhelm Zangen unterstützte nach außen hin das NS-Regime finanzierte gleichzeitig jedoch die Nachkriegsplanungen des "Instituts für Industrieforschung" des Nationalökonomen Ludwig Erhard.
Ob mit dem Handel mit Äpfeln, Dachpfannen Düngemitteln oder der Zucht von Dackeln, die Wundertäter verstanden es sich in Nachkriegszeit über Wasser zu halten und selbst in den alliierten Gefängnissen hörte ihr planerischer Verstand nicht auf tätig zu sein. Und das Erstaunliche ist, sie erreichten ihr Ziel: Sie gewannen ihre Wirtschaftsimperien zurück oder bauten neue auf. Es gibt offensichtlich keine bessere Versicherung gegen die Wirren der Zeit als einmal gelerntes unternehmerisches Handwerkszeug, persönliche Kontakte und Tatkraft. Bei allen moralischen Einwänden gegenüber der NS-Vergangenheit der Wundertäter" kommt Grunenberg zu dem Schluss: "Andere als sie waren nicht da. Unglücklich sind wir nicht mit ihnen geworden."
Das Buch ist spannend wie ein Wirtschaftskrimi und zu gleich ein enorm wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte. Wer dieses Buch gelesen hat, hat enorm viel über das Verhältnis von Macht und Wirtschaft gelernt und vielleicht noch mehr über die Ursprünge unseres Wohlstandes, den wir gelernt haben, für selbstverständlich zu halten.
geschrieben am 03.12.2006 | 534 Wörter | 3508 Zeichen
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