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Stefan George


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Stefan George Stefan George wird heute kaum noch gelesen. Und dennoch gehört er zu den bedeutendsten Dichtern in deutscher Sprache im 20. Jahrhundert. Seinen Namen kennen auch Leser, die nur Taschenbücher in Händen halten. Das verdankt er seinem Zögling Claus Graf Schenk von Stauffenberg. In einer verheerenden Bombennacht in Berlin Nikolassee, schritt der spätere Hitler-Attentäter im Frühling 1944 auf den Balkon seines Hauses in der Tristanstraße und rezitierte Verse aus Georges Gedicht Der Widerchrist. Ikonographie ist das Photo, das George mit Claus und Berthold von Stauffenberg 1924 zeigt: der Meister und seine Schüler des »Geheimen Deutschland«. Weniger bekannt ist, dass 1933 die beiden Stauffenberg-Brüder bei Locarno die Totenwache für George hielten. Nach dem gescheiterten Tötungsversuch an Hitler am 20. Juli 1944 wurde mit Claus Schenk von Stauffenberg im Bendlerblock auch der juristische Erbe Georges erschossen. So beeinflusst der Geist Georges in tiefen Schichten noch heute die Kultur Deutschlands. Dass das so ist liegt auch an Georges Übertragungen zeitgenössischer Dichter, deren zwei Bände nun als Bände XV und XVI der Sämtlichen Werke bei Klett-Cotta erschienen sind. George selbst hatte nicht den Anspruch, Rossetti, Swinburne, Dowson, Jacobsen, Kloos, Verwey oder Verhaeren, die im ersten Buch enthalten sind, zu ‚übersetzen‘. Doch ist die Freiheit, die sich der Sprachmagier bei der Übertragung zubilligte, weitaus geringer, als oft behauptet wird. Vergleicht man beispielsweise das Gedicht »Der Kuss« von Dante Gabriel Rossetti, so ist die Nähe zum englischen Original erstaunlich. Die erste Strophe lautet bei George: Welch qualmend leid in tödlichem Verzug Und welches tückevollen wechsels bann Dem leib den ruhm • der seele rauben kann Die hochzeitskleider die sie heute trug! Das Original von Rossetti: What smouldering senses in death\'s sick delay Or seizure of malign vicissitude Can rob this body of honour, or denude This soul of wedding-raiment worn to-day? Aufgrund seiner ungeheuren Sprachmacht ist es George gelungen, das jeweilige Air der Sprachmelodie ins Deutsche zu transformieren – oder zumindest sichtbar werden zu lassen. Kann einem ‚Übersetzer‘ Größeres gelingen? Ein Jahr nach der Veröffentlichung der beiden Bände der »Zeitgenössischen Dichter« veröffentlichte Alfred Kerr im Dezember 1905 in der Berliner Zeitung Der Tag eine hymnische Rezension. Sie trug lediglich die Überschrift »Übersetzungen« und war ein Lob von außergewöhnlichem Rang. Kerrs These war »Es gibt keine Übersetzungen.« Kerr übertrug seine These im Laufe seiner Besprechung dann auf die verschiedenen Übertragungen Georges: »Es gibt keine Übersetzungen. Doch wundervolle Kämpfe, diese Unmöglichkeit zu überbrücken. Hier ist der wundervollste seit langer Zeit.« Als wundervoll empfand Kerr auch Georges Baudelaire-Übertragung: »Es gibt keine Übersetzungen. Das fühlt man auch vor Baudelaire. Aber man möchte, dies vorausgeschickt, ihn heut von einem Kleineren nicht übertragen wissen als von George.«

Stefan George wird heute kaum noch gelesen. Und dennoch gehört er zu den bedeutendsten Dichtern in deutscher Sprache im 20. Jahrhundert. Seinen Namen kennen auch Leser, die nur Taschenbücher in Händen halten.

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Das verdankt er seinem Zögling Claus Graf Schenk von Stauffenberg. In einer verheerenden Bombennacht in Berlin Nikolassee, schritt der spätere Hitler-Attentäter im Frühling 1944 auf den Balkon seines Hauses in der Tristanstraße und rezitierte Verse aus Georges Gedicht Der Widerchrist.

Ikonographie ist das Photo, das George mit Claus und Berthold von Stauffenberg 1924 zeigt: der Meister und seine Schüler des »Geheimen Deutschland«.

Weniger bekannt ist, dass 1933 die beiden Stauffenberg-Brüder bei Locarno die Totenwache für George hielten.

Nach dem gescheiterten Tötungsversuch an Hitler am 20. Juli 1944 wurde mit Claus Schenk von Stauffenberg im Bendlerblock auch der juristische Erbe Georges erschossen.

So beeinflusst der Geist Georges in tiefen Schichten noch heute die Kultur Deutschlands. Dass das so ist liegt auch an Georges Übertragungen zeitgenössischer Dichter, deren zwei Bände nun als Bände XV und XVI der Sämtlichen Werke bei Klett-Cotta erschienen sind. George selbst hatte nicht den Anspruch, Rossetti, Swinburne, Dowson, Jacobsen, Kloos, Verwey oder Verhaeren, die im ersten Buch enthalten sind, zu ‚übersetzen‘. Doch ist die Freiheit, die sich der Sprachmagier bei der Übertragung zubilligte, weitaus geringer, als oft behauptet wird.

Vergleicht man beispielsweise das Gedicht »Der Kuss« von Dante Gabriel Rossetti, so ist die Nähe zum englischen Original erstaunlich. Die erste Strophe lautet bei George:

Welch qualmend leid in tödlichem Verzug

Und welches tückevollen wechsels bann

Dem leib den ruhm • der seele rauben kann

Die hochzeitskleider die sie heute trug!

Das Original von Rossetti:

What smouldering senses in death\'s sick delay

Or seizure of malign vicissitude

Can rob this body of honour, or denude

This soul of wedding-raiment worn to-day?

Aufgrund seiner ungeheuren Sprachmacht ist es George gelungen, das jeweilige Air der Sprachmelodie ins Deutsche zu transformieren – oder zumindest sichtbar werden zu lassen. Kann einem ‚Übersetzer‘ Größeres gelingen?

Ein Jahr nach der Veröffentlichung der beiden Bände der »Zeitgenössischen Dichter« veröffentlichte Alfred Kerr im Dezember 1905 in der Berliner Zeitung Der Tag eine hymnische Rezension. Sie trug lediglich die Überschrift »Übersetzungen« und war ein Lob von außergewöhnlichem Rang. Kerrs These war »Es gibt keine Übersetzungen.« Kerr übertrug seine These im Laufe seiner Besprechung dann auf die verschiedenen Übertragungen Georges: »Es gibt keine Übersetzungen. Doch wundervolle Kämpfe, diese Unmöglichkeit zu überbrücken. Hier ist der wundervollste seit langer Zeit.« Als wundervoll empfand Kerr auch Georges Baudelaire-Übertragung: »Es gibt keine Übersetzungen. Das fühlt man auch vor Baudelaire. Aber man möchte, dies vorausgeschickt, ihn heut von einem Kleineren nicht übertragen wissen als von George.«

geschrieben am 10.11.2011 | 434 Wörter | 2650 Zeichen

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