ISBN | 3888979390 | |
Autor | Nikos Dimou | |
Verlag | Antje Kunstmann | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 119 | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Extras | - |
Der Autor dieser kleinen Denkschrift „Die Deutschen sind an allem schuld“, Nikos Dimou, ist nicht nur Autor dutzender Bücher, sondern teilt sein mannigfaltiges und mehrsprachig erworbenes Wissen in zahlreichen Medien mit dem geneigten Publikum. Dass er es dabei, nicht nur aufgrund seines breiten Wissenshorizonts, sondern gerade wegen seiner rationalen und pro-europäischen Einstellung nicht immer auch viel Akzeptanz in Griechenland selbst stößt, verwundert ihn nicht, denn gerade dies ist (auch ein) Thema des Buches. Es handelt sich dabei nicht um einen durchgehenden Essay, sondern um diverse Dialoge aus den letzten 25 Jahren, die aber, was der Autor im Nachwort, das weitgehend aus dem Jahr 1996 stammt, bedauert, nichts an (trauriger) Aktualität verloren haben, was die innere Zerrissenheit der griechischen Seele betrifft.
Die einzelnen Kapitel sind wie beschrieben in Dialogform abgefasst und knüpfen damit an die Tradition anderer großer philosophischer Denker wie Platon an, die in (fiktiven) Dialogen Probleme erfassten, einkreisten, aber nicht zwingend zu einer Lösung gelangt sind. Auch auf diese Problematik wird in einem der Dialoge hingewiesen. Ausgangspunkt ist die Problematik, dass man den Griechen nach der Vertreibung der türkischen Besatzern um den Beginn des 19. Jahrhunderts herum die Rolle der Nachfolger der antiken Griechen aufstülpte und von ihnen eine Fortsetzung so institutioneller Werte wie Demokratie, Aufklärung und Staatsräson verlangte, die ihnen in ihrer soziologischen Entwicklung aber anders als den kerneuropäischen Staaten versagt geblieben waren. Besonders befördert wurde diese Entwicklung von deutschen Geistesgrößen, womit sich auch der Titel des Buches erklärt - und nicht etwa als auch denkbarer Seitenhieb auf Deutschlands Rolle in der Euro- und Bankenkrise der vergangenen Jahre. Mit dieser Entwicklung begann aber auch eine Grunddiskrepanz, die auch noch heute in den Köpfen vieler Griechen besteht, so Dimou, nämlich die aufgepfropfte und auch gefühlte Bedeutung und Auserwähltheit als Volk, das Staat und Demokratie erfand, die im Gegensatz zur tatsächlichen Bedeutung des Staates in Europa und in der Welt besteht und die die Griechen nahezu täglich in der internationalen Presse serviert bekommen. Das führt durchaus zu Frustration, Verschwörungstheorien und Abkapselung. Hinzu kommt die schon erwähnte sozio-kulturelle Problematik, die unschöne Auswüchse wie Korruption, Vetternwirtschaft und Emotionale statt rationale Entscheidungen begünstigen.
All das präsentiert Dimou in echten und fiktiven Dialogen mit Gesprächspartnern verschiedener Couleur. Diese sind unterschiedlich lang und auch unterschiedlich gelungen. Eine wirkliche Lösung kann auch er nicht erarbeiten, aber das will er auch gar nicht. Es muss erst einmal um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen, nämlich zwischen den Dialogpartnern Griechenland und dem „Westen“ eine gemeinsame Sprache zu finden und Bewusstsein für die vorhandenen Problemstrukturen zu schaffen. Dass die dann möglichen Konsequenzen echte Arbeit für die betroffenen Griechen bedeuten könnten, verhehlt Dimou auch nicht, was ihm nicht unbedingt weitere Sympathien einbringen wird. Insgesamt ein sehr lehrreiches und interessantes Büchlein, das man bequem in zwei Stunden herunterlesen kann und die den eigenen Blick für vermeintliche Wahrheiten durchaus schärft.
geschrieben am 12.07.2014 | 466 Wörter | 2938 Zeichen
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