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Johann Gustav Droysen. Ein Leben zwischen Wissenschaft und Politik


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Rezension von

Max Bloch

Johann Gustav Droysen. Ein Leben zwischen Wissenschaft und Politik Der Historiker und Politiker Johann Gustav Droysen (1808-1884) konnte sich nach 1866/71 wohl mit Recht als einer der geistigen Wegbereiter der Reichseinigung empfinden. Außer seinem ist höchstens noch der Name seines Kollegen Heinrich von Sybel derart eng mit der protestantisch-kleindeutschen Reichsgründung verbunden. Dass aber die Koppelung eines geschichtswissenschaftlichen Berufs mit einer politischen Berufung gewisse Spannungen hervorruft, dass sich “die von Sendungsbewußtsein getriebene Verquickung von Wissenschaft und Politik” unversehends und bitter (und bis heute) rächen kann, dieser Hinweis ist der Antrieb von Wilfried Nippels biographischem Essay über seinen lang verblichenen Kollegen. Mit Milde hat dieser dabei nicht zu rechnen. Im Gegenteil gesteht Nippel freimütig ein, dass er die “Leidensbereitschaft”, sich durch das Droysensche Werk zu quälen - immerhin rund 20.000 Druckseiten -, nicht aufgebracht und sich in seiner Darstellung hauptsächlich auf Droysens gedruckt vorliegenden Briefwechsel gestützt habe. Verehrung klingt jedenfalls anders. Droysen war ein Feuerkopf. Seit dem Antritt seiner Kieler Professur 1840 fühlte er sich der Schleswig-Holsteinischen Sache verpflichtet und begann seinen “Aufstieg zu politischer Prominenz”, der mit seinem Sitz in der Frankfurter Nationalversammlung erfolgreich endete. Dort bewährte er sich, wenn man Nippels Darstellung folgt, vor allem als Ränkeschmied und Strippenzieher und warnte er vor allem unermüdlich vor einer Überbewertung von Verfassungsfragen. Vorrangig sei, so Droysens Credo, dass der Bau des Staates stehe, dass Preußen sich zur Führung Deutschlands aufraffe, Österreich Paroli biete und die Einigung vollende. Eine festgefügte Macht sei - “zumal bei einem so irregeleiteten, gedankenlos faselnden und toastenden Volk” wie dem deutschen - die Kardinalfrage der Zukunft. Fragen der inneren Ausgestaltung seien demgegenüber müßig. Die Vorstellung allgemeingültiger Menschenrechte hielt er für Augenwischerei. Rechte würden von Staates wegen für erfüllte Pflichten gewährt, und die “Freiheitsgeilheit” seiner Landsleute, insonderheit der Herren Professoren, bewertete er als realitätsblindes Gelehrtengeschwätz. Droysen war fraglos ein Mann deutlicher, ja drastischer Worte, der an seinem ewigen Widerpart, dem Historiographen Ranke, (außer seinem Erfolg) nichts so sehr verachtete wie dessen “Leisetretei”, das “vornehme Garnichts”, das er zu Fragen der preußischen Geschichte äußere, ja seine “feige Intelligenz” ohne “sittlichen Zorn”. Hierin fand er sich mit seinem Schüler Treitschke zusammen, mit dem ihn eine gegenseitige Freundschaft verband, die auch durch den Berliner Antisemitismusstreit, in dem Droysen gegen Treitschke stand, nicht getrübt werden konnte. Feigheit unterstellte er - zwischen den Zeilen - auch dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV., der den “deutschen Beruf Preußens” durch seine Schlaffheit, seine Tatenlosigkeit, seine schöngeistige Lethargie verrate. Droysens Biographie über den Generalfeldmarschall Yorck enthielt implizite den Aufruf an die preußische Bürokratie und Heeresmacht, es dem Helden der Befreiungskriege gleichzutun und Preußens Ehre wenn nötig gegen Preußens König zu dienen. Droysen - das hatte er bereits mit seiner Alexander-Biographie eindrucksvoll bewiesen - glaubte an das Walten idealer Kräfte in der Geschichte, denen die Menschen, die wahrhaft großen allzumal, zum Durchbruch zu verhelfen hätten. Bismarck hätte dies vermocht. “Wer ohne Partei ist, ist ehrlos” - diesen Solonischen Sinnspruch hatte er sich früh bereits zum Lebensmotiv gewählt. Dass ein derart emphatisches, zukunftssicheres Geschichts- und Politikverständnis heute nur noch von historischem Interesse ist, dass Droysen seinem politischen Anspruch, wie Nippel zeigt, wissenschaftliche Akribie mehr als einmal geopfert hat und politische Propaganda mit den Mitteln der Geschichtswissenschaft betrieb, mag fraglos sein. Aber Droysen lebte und wirkte in einer Zeit des Kampfes, nahm Partei, war Partei und wollte Partei sein. Ein Kind welcher Zeit auch immer sollte für seine Eltern indes nicht haften.

Der Historiker und Politiker Johann Gustav Droysen (1808-1884) konnte sich nach 1866/71 wohl mit Recht als einer der geistigen Wegbereiter der Reichseinigung empfinden. Außer seinem ist höchstens noch der Name seines Kollegen Heinrich von Sybel derart eng mit der protestantisch-kleindeutschen Reichsgründung verbunden. Dass aber die Koppelung eines geschichtswissenschaftlichen Berufs mit einer politischen Berufung gewisse Spannungen hervorruft, dass sich “die von Sendungsbewußtsein getriebene Verquickung von Wissenschaft und Politik” unversehends und bitter (und bis heute) rächen kann, dieser Hinweis ist der Antrieb von Wilfried Nippels biographischem Essay über seinen lang verblichenen Kollegen. Mit Milde hat dieser dabei nicht zu rechnen. Im Gegenteil gesteht Nippel freimütig ein, dass er die “Leidensbereitschaft”, sich durch das Droysensche Werk zu quälen - immerhin rund 20.000 Druckseiten -, nicht aufgebracht und sich in seiner Darstellung hauptsächlich auf Droysens gedruckt vorliegenden Briefwechsel gestützt habe. Verehrung klingt jedenfalls anders.

Droysen war ein Feuerkopf. Seit dem Antritt seiner Kieler Professur 1840 fühlte er sich der Schleswig-Holsteinischen Sache verpflichtet und begann seinen “Aufstieg zu politischer Prominenz”, der mit seinem Sitz in der Frankfurter Nationalversammlung erfolgreich endete. Dort bewährte er sich, wenn man Nippels Darstellung folgt, vor allem als Ränkeschmied und Strippenzieher und warnte er vor allem unermüdlich vor einer Überbewertung von Verfassungsfragen. Vorrangig sei, so Droysens Credo, dass der Bau des Staates stehe, dass Preußen sich zur Führung Deutschlands aufraffe, Österreich Paroli biete und die Einigung vollende. Eine festgefügte Macht sei - “zumal bei einem so irregeleiteten, gedankenlos faselnden und toastenden Volk” wie dem deutschen - die Kardinalfrage der Zukunft. Fragen der inneren Ausgestaltung seien demgegenüber müßig. Die Vorstellung allgemeingültiger Menschenrechte hielt er für Augenwischerei. Rechte würden von Staates wegen für erfüllte Pflichten gewährt, und die “Freiheitsgeilheit” seiner Landsleute, insonderheit der Herren Professoren, bewertete er als realitätsblindes Gelehrtengeschwätz. Droysen war fraglos ein Mann deutlicher, ja drastischer Worte, der an seinem ewigen Widerpart, dem Historiographen Ranke, (außer seinem Erfolg) nichts so sehr verachtete wie dessen “Leisetretei”, das “vornehme Garnichts”, das er zu Fragen der preußischen Geschichte äußere, ja seine “feige Intelligenz” ohne “sittlichen Zorn”. Hierin fand er sich mit seinem Schüler Treitschke zusammen, mit dem ihn eine gegenseitige Freundschaft verband, die auch durch den Berliner Antisemitismusstreit, in dem Droysen gegen Treitschke stand, nicht getrübt werden konnte.

Feigheit unterstellte er - zwischen den Zeilen - auch dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV., der den “deutschen Beruf Preußens” durch seine Schlaffheit, seine Tatenlosigkeit, seine schöngeistige Lethargie verrate. Droysens Biographie über den Generalfeldmarschall Yorck enthielt implizite den Aufruf an die preußische Bürokratie und Heeresmacht, es dem Helden der Befreiungskriege gleichzutun und Preußens Ehre wenn nötig gegen Preußens König zu dienen. Droysen - das hatte er bereits mit seiner Alexander-Biographie eindrucksvoll bewiesen - glaubte an das Walten idealer Kräfte in der Geschichte, denen die Menschen, die wahrhaft großen allzumal, zum Durchbruch zu verhelfen hätten. Bismarck hätte dies vermocht. “Wer ohne Partei ist, ist ehrlos” - diesen Solonischen Sinnspruch hatte er sich früh bereits zum Lebensmotiv gewählt. Dass ein derart emphatisches, zukunftssicheres Geschichts- und Politikverständnis heute nur noch von historischem Interesse ist, dass Droysen seinem politischen Anspruch, wie Nippel zeigt, wissenschaftliche Akribie mehr als einmal geopfert hat und politische Propaganda mit den Mitteln der Geschichtswissenschaft betrieb, mag fraglos sein. Aber Droysen lebte und wirkte in einer Zeit des Kampfes, nahm Partei, war Partei und wollte Partei sein. Ein Kind welcher Zeit auch immer sollte für seine Eltern indes nicht haften.

geschrieben am 29.12.2008 | 544 Wörter | 3560 Zeichen

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