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Magersucht ist kein Zuckerschlecken


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Rezension von

Sibylle Meister

Magersucht ist kein Zuckerschlecken Eigentlich ist Mara Schwarz ein normaler Teenager. Ständige Sticheleien über ihre Figur und ein traumatisches Erlebnis führen jedoch dazu, dass sie sich immer stärker von der Außenwelt zurückzieht. Was als Diät beginnt, endet schließlich in einer schweren Essstörung. Abnehmen und Kalorienzählen bestimmen den Alltag, verdrängen alle sonstigen Probleme. Erste Klinikaufenthalte bleiben ohne Erfolg, ja sie verschärfen die Magersuch noch, denn Mara sieht das Eingreifen der Ärzte nicht als Hilfe, sondern als Bevormundung und Zwang und wehrt sich mit allen Mitteln dagegen, wieder zuzunehmen. Immer tiefer gerät sie in den Teufelskreis aus Abnehmen, Klinikeinweisung, erzwungener Gewichtszunahme, Entlassung und anschließendem Runterhungern. Und jedesmal sind es noch ein paar Kilos weniger, sozusagen Jojo-Effekt verkehrt herum. Auch ein Herzstillstand, ausgelöst durch extreme Mangelerscheinungen, den sie nur knapp überlebt, kann nichts an ihrer verzerrten Wahrnehmnung ändern. Erst als Ärzte und Therapeuten den Kampf um ihr Leben aufgeben und ihr ein Betreuer die Adresse eines Hospizes in die Hand drückt, damit sie nicht alleine sterben muss, wacht Mara auf. Jetzt erst begreift sie, dass sie allein die Entscheidung über ihre Zukunft treffen muss, und sucht Schritt für Schritt den Weg zurück ins Leben. Oft verzweifeln Angehörige und Freunde daran, dass Betroffene sich völlig abkapseln und jede Hilfe ablehnen. Durch die eindrückliche Schilderungen und die schonungslose Offenheit ihres Tagebuchs hilft Mara Schwarz zu begreifen, was in Magersüchtigen vorgeht, wie sie denken und fühlen. Und das ist heute, wo Essstörungen stetig zunehmen, wichtiger denn je. Denn das Wissen um Ursache und Entwicklung dieser schweren psychischen Krankheit kann dabei helfen, Betroffenen mit mehr Verständnis für ihre verzerrte Wahrnehmung zu begnen, statt sie noch weiter zu stigmatisieren. Fazit: Keine leichte Kost, aber ein sehr eindrücklicher Einblick in das Innenleben einer Magersüchtigen.

Eigentlich ist Mara Schwarz ein normaler Teenager. Ständige Sticheleien über ihre Figur und ein traumatisches Erlebnis führen jedoch dazu, dass sie sich immer stärker von der Außenwelt zurückzieht. Was als Diät beginnt, endet schließlich in einer schweren Essstörung. Abnehmen und Kalorienzählen bestimmen den Alltag, verdrängen alle sonstigen Probleme. Erste Klinikaufenthalte bleiben ohne Erfolg, ja sie verschärfen die Magersuch noch, denn Mara sieht das Eingreifen der Ärzte nicht als Hilfe, sondern als Bevormundung und Zwang und wehrt sich mit allen Mitteln dagegen, wieder zuzunehmen. Immer tiefer gerät sie in den Teufelskreis aus Abnehmen, Klinikeinweisung, erzwungener Gewichtszunahme, Entlassung und anschließendem Runterhungern. Und jedesmal sind es noch ein paar Kilos weniger, sozusagen Jojo-Effekt verkehrt herum. Auch ein Herzstillstand, ausgelöst durch extreme Mangelerscheinungen, den sie nur knapp überlebt, kann nichts an ihrer verzerrten Wahrnehmnung ändern. Erst als Ärzte und Therapeuten den Kampf um ihr Leben aufgeben und ihr ein Betreuer die Adresse eines Hospizes in die Hand drückt, damit sie nicht alleine sterben muss, wacht Mara auf. Jetzt erst begreift sie, dass sie allein die Entscheidung über ihre Zukunft treffen muss, und sucht Schritt für Schritt den Weg zurück ins Leben.

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Oft verzweifeln Angehörige und Freunde daran, dass Betroffene sich völlig abkapseln und jede Hilfe ablehnen. Durch die eindrückliche Schilderungen und die schonungslose Offenheit ihres Tagebuchs hilft Mara Schwarz zu begreifen, was in Magersüchtigen vorgeht, wie sie denken und fühlen. Und das ist heute, wo Essstörungen stetig zunehmen, wichtiger denn je. Denn das Wissen um Ursache und Entwicklung dieser schweren psychischen Krankheit kann dabei helfen, Betroffenen mit mehr Verständnis für ihre verzerrte Wahrnehmung zu begnen, statt sie noch weiter zu stigmatisieren.

Fazit: Keine leichte Kost, aber ein sehr eindrücklicher Einblick in das Innenleben einer Magersüchtigen.

geschrieben am 25.05.2012 | 281 Wörter | 1708 Zeichen

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Rezension von

Antje Jürgens

Magersucht ist kein Zuckerschlecken Unter dem Pseudonym Mara Schwarz erschien im Mai dieses Jahres das Buch "Magersucht ist kein Zuckerschlecken". Das weiß man nicht erst, seit man Bilder der Französin Isabelle Caro gesehen hat, die frisch aus der Klinik entlassen und gerade mal 30 Kilogramm schwer für den italienischen Fotografen Oliviero Toscani posierte. Obwohl sie damit nach eigenen Angaben auf die Krankheit aufmerksam machen wollte, wurde sie gleichzeitig zum Symbol eines Körperfett als fehlende Willensstärke herabsetzenden Schönheitsideals. Ihre Sucht führte 2012 zum Tod. Doch allgemein betrachtet wird dieses Wissen gemeinhin ignoriert. "Magersucht ist kein Zuckerschlecken" – Der Titel ist quasi Programm. Denn Zuckerschlecken ist etwas, das mit Genuss zu tun haben könnte. Und Genuss, kleine Belohnungen, kleine Aufmerksamkeiten an sich selbst sind etwas, das Mara Schwarz vermeidet, wo sie nur kann. Von klein auf jemand, der sich viele Gedanken um andere macht und selbst eher zurücksteht als einmal vortritt, rutscht sie als Teenager in die Suchtspirale. Nach zwei – krankheitsbedingt – abgebrochenen Ausbildungen ist sie mit 23 Jahren bereits Rentnerin. Ihr Körper kann, genau wie ihre Seele, nicht mehr. Fast ihr halbes Leben kämpft die Autorin für und gegen etwas, das in unserer Gesellschaft zunehmend Raum fordert und doch weitestgehend stillgeschwiegen wird. Egal ob es sich um Adipositas, Bulimie oder Anorexie handelt – die Allgemeinheit denkt im Hinblick auf krankhafte Essstörungen bedauerlicherweise viel zu oft, dass es doch recht einfach sein müsste, so etwas in den Griff zu bekommen. Fettleibige sollen sich doch eigentlich bitte einfach nur besser beherrschen, Anorektiker müssen doch eigentlich einfach nur essen. Bulimiker hingegen werden eigentlich fast nicht wahrgenommen, weil sie zumindest äußerlich lange nicht auffallen. Immer mehr Mädchen und Frauen, aber auch zunehmend Jungen und Männer leiden darunter. Auch deshalb, weil Essen Bestandteil des täglichen Lebens ist, dem man sich grundsätzlich für eine gesunde Lebensweise nicht entziehen kann. Gründe für diese Störungen gibt es viele, doch die werden meist „in sich hineingefressen“, „ausgekotzt“ oder auch „ausgehungert“. Der Leidensdruck ist enorm und die Chancen, beispielsweise von Magersucht geheilt zu werden, sind gering. Laut Statistik finden nur etwa zwanzig Prozent den Weg aus der Suchtspirale. Fast genau so viele sterben jedoch daran – auch weil die Betroffenen teilweise gar nicht einsehen, wie krank sie sind. Und selbst wenn sie es dann irgendwann erkennen – wie beispielsweise Mara Schwarz – heißt das noch lange nicht, dass sie Heilung finden. In ihrer Autobiografie zeigt die Autorin, dass der Weg zurück in ein halbwegs normales Leben bei Weitem nicht so einfach ist, wie viele denken. Sie leidet selbst an Anorexiea nervosa – der psychisch bedingten Magersucht. Das Buch entstand aus einer Aufarbeitung von Tagebucheinträgen aus der Zeit des bisherigen Höhepunkts ihrer Krankheit. Einer Zeit, in der ihr Zustand mehr als einmal lebensbedrohlich war, in der zur Anorexie ein massives Alkoholproblem kam, in der sie kurz davor war, endgültig zu zerbrechen. Dass es in ihrem Fall nicht einfach daran liegt, dass sie durch zu nachhaltigen Fernsehkonsum ein völlig verqueres Schönheitsideal vermittelt bekommen hat, wird bereits eingangs kurz und klar umrissen. Einer der Auslöser ihrer Magersucht war ein traumatisches Erlebnis, das in ihr den Wunsch geweckt hat, nicht fraulich zu sein, nicht erwachsen zu werden. Im Gegensatz zu den Auslösern ist das etwas, dass sie gewissermaßen kontrollieren kann. Ihr Leben besteht fortan nur noch aus Zwängen und Kämpfen. Aus Bestrafungen und Missachtung ihrer eigenen Person. Lange Zeit denkt sie, wenn sie nur lange genug hungert und bricht, trinkt oder die Anweisungen ihrer Therapeuten und Ärzte missachtet, muss doch jemand kommen und ihr helfen. Obwohl sie quasi alles kontrollieren muss, tut sie alles dafür, dass ihr eben diese Kontrollmöglichkeit genommen wird. Der Großteil des Buches handelt genau davon. Von Zwangsernährung und Aufenthalten in der Psychiatrie. Ob die Suche nach Ursachen tatsächlich größtenteils nicht stattgefunden hat oder von der Autorin lediglich nicht so wahrgenommen wurde, mag dahingestellt sein. Vorwiegend behandelt wurden ihrem Empfinden nach jedenfalls die durch die Magersucht hervorgerufenen Mangelerscheinungen und körperlichen Auswirkungen. Doch durch die eindringliche und offene Schilderung ihrer Geschichte verhilft sie dem Leser zu einem besseren Einblick in das krankhaft veränderte Denken Magersüchtiger. Oder lässt ihn begreifen, wie eigentlich harmlose und/oder gut gemeinte Bemerkungen von Betroffenen wahrgenommen werden. Das Buch lässt sich trotz der Thematik überraschend leicht lesen. Es zieht einen förmlich hindurch, obwohl diverse Passagen auch innehalten lassen, weil es fast zu viel wird. Es verstört, weil die Lösung einfach scheint, aber eben tatsächlich nicht einmal andeutungsweise so ist. Es erschüttert, weil es schwer zu ertragen ist, unbegreiflich, dass jemand hungernd den eigenen Tod in Kauf nimmt. Es wühlt auf, weil Mara Schwarz sich nicht allem verschließt, sondern bei aller Verzweiflung und Wut durchaus empathisch die Hilflosigkeit der Behandler fühlt und wiedergibt. Es berührt, wie die Autorin beispielsweise in ihren Gedichten ihr Leiden in Worte fasst. In der teils selbstironischen Schilderung ihrer Krankheit mit Wortspielereien und Gedichten, aber auch in ihren Zeichnungen, offenbart sich die Autorin als Mensch, den man am liebsten in die Arme schließen und trösten und gleichermaßen schütteln und aufrütteln möchte. Sie zeigt sich kreativ und liebenswert, aber auch aggressiv, uneinsichtig und schwach. Sie pocht nicht auf einen Opferstatus. Sie weist nicht anderen die Schuld zu, sondern weiß, dass sie selbst für ihren augenblicklichen Zustand verantwortlich ist. Sie zeigt sich genau wie alle Anorektiker als überaus willensstark im Bezug auf ihre Krankheit und schafft es dennoch irgendwie zu überleben. Und ausgerechnet in dem Augenblick, als sie quasi aufgegeben wird, tritt eine hoffnungsvolle Veränderung in ihrer Denkweise ein. Bei Fertigstellung des Buchprojektes steht sie nach eigenen Angaben mit dem Rücken zum Meer am Strand. Sie weiß, dass die Krankheit wie ein Kraken im Hintergrund lauert. Sie weiß, dass sie nur einen Schritt vom Abgrund beziehungsweise vom Fall ins Wasser und damit in die Arme des Kraken entfernt ist, doch sie hebt auch den Kopf und sieht, dass sie nicht alleine ist. Dass es Hilfe gibt und dass sie doch vor allem selbst um ihr Leben kämpfen muss. Dass sie es wert ist. Beim Lesen der Inhaltsangabe musste ich sofort an eine Schulfreundin denken. Mir ist klar, dass persönliche Dinge niemals in eine Buchbesprechung einfließen sollten. Dennoch ging mir Beate, und ihr Wunsch – koste es was es wolle – immer noch dünner zu sein, nicht mehr aus dem Kopf, während ich mich Seite um Seite durch die Autobiografie von Mara Schwarz arbeitete. Arbeitete – nicht einfach nur las. Ihr Buch mit dem Titel "Magersucht ist kein Zuckerschlecken", mit dem der Verlag periplaneta seine Sachbuch-Edition Blickpunkt startet, ist nicht einfach nur ein Buch zum Zeitvertreib, keine einfache (Lese-)Kost. Es ist ein aufwühlender Einblick in das Gefühlsleben der Autorin. In eine Krankheit, die vielfältige Auslöser hat und die, sofern die Betroffenen keinen Ausweg finden, unaufhaltsam und lebensbedrohlich verläuft. Die in die Isolation führt und – wie bereits eingangs erwähnt – zunehmend um sich greift, weil junge Menschen unter dem Druck (des Lebens) zerbrechen. Ein Buch, das betroffenen Angehörigen und Freunden weiterhelfen kann. Ein Buch, in dem sich vermutlich mehr als ein(e) betroffene(r) Magersüchtige(r) wiedererkennt. Beate hat es bedauerlicherweise nicht geschafft. Doch Mara Schwarz hat diese Chance noch. Ich wünsche der Autorin von ganzem Herzen, dass sie ihrem persönlichen Anorexie-Kraken entkommt. Copyright © 07/2012 by Antje Jürgens (AJ)

Unter dem Pseudonym Mara Schwarz erschien im Mai dieses Jahres das Buch "Magersucht ist kein Zuckerschlecken". Das weiß man nicht erst, seit man Bilder der Französin Isabelle Caro gesehen hat, die frisch aus der Klinik entlassen und gerade mal 30 Kilogramm schwer für den italienischen Fotografen Oliviero Toscani posierte. Obwohl sie damit nach eigenen Angaben auf die Krankheit aufmerksam machen wollte, wurde sie gleichzeitig zum Symbol eines Körperfett als fehlende Willensstärke herabsetzenden Schönheitsideals. Ihre Sucht führte 2012 zum Tod. Doch allgemein betrachtet wird dieses Wissen gemeinhin ignoriert.

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Fast ihr halbes Leben kämpft die Autorin für und gegen etwas, das in unserer Gesellschaft zunehmend Raum fordert und doch weitestgehend stillgeschwiegen wird. Egal ob es sich um Adipositas, Bulimie oder Anorexie handelt – die Allgemeinheit denkt im Hinblick auf krankhafte Essstörungen bedauerlicherweise viel zu oft, dass es doch recht einfach sein müsste, so etwas in den Griff zu bekommen. Fettleibige sollen sich doch eigentlich bitte einfach nur besser beherrschen, Anorektiker müssen doch eigentlich einfach nur essen. Bulimiker hingegen werden eigentlich fast nicht wahrgenommen, weil sie zumindest äußerlich lange nicht auffallen. Immer mehr Mädchen und Frauen, aber auch zunehmend Jungen und Männer leiden darunter. Auch deshalb, weil Essen Bestandteil des täglichen Lebens ist, dem man sich grundsätzlich für eine gesunde Lebensweise nicht entziehen kann. Gründe für diese Störungen gibt es viele, doch die werden meist „in sich hineingefressen“, „ausgekotzt“ oder auch „ausgehungert“. Der Leidensdruck ist enorm und die Chancen, beispielsweise von Magersucht geheilt zu werden, sind gering. Laut Statistik finden nur etwa zwanzig Prozent den Weg aus der Suchtspirale. Fast genau so viele sterben jedoch daran – auch weil die Betroffenen teilweise gar nicht einsehen, wie krank sie sind. Und selbst wenn sie es dann irgendwann erkennen – wie beispielsweise Mara Schwarz – heißt das noch lange nicht, dass sie Heilung finden.

In ihrer Autobiografie zeigt die Autorin, dass der Weg zurück in ein halbwegs normales Leben bei Weitem nicht so einfach ist, wie viele denken. Sie leidet selbst an Anorexiea nervosa – der psychisch bedingten Magersucht. Das Buch entstand aus einer Aufarbeitung von Tagebucheinträgen aus der Zeit des bisherigen Höhepunkts ihrer Krankheit. Einer Zeit, in der ihr Zustand mehr als einmal lebensbedrohlich war, in der zur Anorexie ein massives Alkoholproblem kam, in der sie kurz davor war, endgültig zu zerbrechen.

Dass es in ihrem Fall nicht einfach daran liegt, dass sie durch zu nachhaltigen Fernsehkonsum ein völlig verqueres Schönheitsideal vermittelt bekommen hat, wird bereits eingangs kurz und klar umrissen. Einer der Auslöser ihrer Magersucht war ein traumatisches Erlebnis, das in ihr den Wunsch geweckt hat, nicht fraulich zu sein, nicht erwachsen zu werden. Im Gegensatz zu den Auslösern ist das etwas, dass sie gewissermaßen kontrollieren kann. Ihr Leben besteht fortan nur noch aus Zwängen und Kämpfen. Aus Bestrafungen und Missachtung ihrer eigenen Person. Lange Zeit denkt sie, wenn sie nur lange genug hungert und bricht, trinkt oder die Anweisungen ihrer Therapeuten und Ärzte missachtet, muss doch jemand kommen und ihr helfen. Obwohl sie quasi alles kontrollieren muss, tut sie alles dafür, dass ihr eben diese Kontrollmöglichkeit genommen wird. Der Großteil des Buches handelt genau davon. Von Zwangsernährung und Aufenthalten in der Psychiatrie. Ob die Suche nach Ursachen tatsächlich größtenteils nicht stattgefunden hat oder von der Autorin lediglich nicht so wahrgenommen wurde, mag dahingestellt sein. Vorwiegend behandelt wurden ihrem Empfinden nach jedenfalls die durch die Magersucht hervorgerufenen Mangelerscheinungen und körperlichen Auswirkungen. Doch durch die eindringliche und offene Schilderung ihrer Geschichte verhilft sie dem Leser zu einem besseren Einblick in das krankhaft veränderte Denken Magersüchtiger. Oder lässt ihn begreifen, wie eigentlich harmlose und/oder gut gemeinte Bemerkungen von Betroffenen wahrgenommen werden.

Das Buch lässt sich trotz der Thematik überraschend leicht lesen. Es zieht einen förmlich hindurch, obwohl diverse Passagen auch innehalten lassen, weil es fast zu viel wird. Es verstört, weil die Lösung einfach scheint, aber eben tatsächlich nicht einmal andeutungsweise so ist. Es erschüttert, weil es schwer zu ertragen ist, unbegreiflich, dass jemand hungernd den eigenen Tod in Kauf nimmt. Es wühlt auf, weil Mara Schwarz sich nicht allem verschließt, sondern bei aller Verzweiflung und Wut durchaus empathisch die Hilflosigkeit der Behandler fühlt und wiedergibt. Es berührt, wie die Autorin beispielsweise in ihren Gedichten ihr Leiden in Worte fasst.

In der teils selbstironischen Schilderung ihrer Krankheit mit Wortspielereien und Gedichten, aber auch in ihren Zeichnungen, offenbart sich die Autorin als Mensch, den man am liebsten in die Arme schließen und trösten und gleichermaßen schütteln und aufrütteln möchte. Sie zeigt sich kreativ und liebenswert, aber auch aggressiv, uneinsichtig und schwach. Sie pocht nicht auf einen Opferstatus. Sie weist nicht anderen die Schuld zu, sondern weiß, dass sie selbst für ihren augenblicklichen Zustand verantwortlich ist. Sie zeigt sich genau wie alle Anorektiker als überaus willensstark im Bezug auf ihre Krankheit und schafft es dennoch irgendwie zu überleben. Und ausgerechnet in dem Augenblick, als sie quasi aufgegeben wird, tritt eine hoffnungsvolle Veränderung in ihrer Denkweise ein. Bei Fertigstellung des Buchprojektes steht sie nach eigenen Angaben mit dem Rücken zum Meer am Strand. Sie weiß, dass die Krankheit wie ein Kraken im Hintergrund lauert. Sie weiß, dass sie nur einen Schritt vom Abgrund beziehungsweise vom Fall ins Wasser und damit in die Arme des Kraken entfernt ist, doch sie hebt auch den Kopf und sieht, dass sie nicht alleine ist. Dass es Hilfe gibt und dass sie doch vor allem selbst um ihr Leben kämpfen muss. Dass sie es wert ist.

Beim Lesen der Inhaltsangabe musste ich sofort an eine Schulfreundin denken. Mir ist klar, dass persönliche Dinge niemals in eine Buchbesprechung einfließen sollten. Dennoch ging mir Beate, und ihr Wunsch – koste es was es wolle – immer noch dünner zu sein, nicht mehr aus dem Kopf, während ich mich Seite um Seite durch die Autobiografie von Mara Schwarz arbeitete. Arbeitete – nicht einfach nur las. Ihr Buch mit dem Titel "Magersucht ist kein Zuckerschlecken", mit dem der Verlag periplaneta seine Sachbuch-Edition Blickpunkt startet, ist nicht einfach nur ein Buch zum Zeitvertreib, keine einfache (Lese-)Kost. Es ist ein aufwühlender Einblick in das Gefühlsleben der Autorin. In eine Krankheit, die vielfältige Auslöser hat und die, sofern die Betroffenen keinen Ausweg finden, unaufhaltsam und lebensbedrohlich verläuft. Die in die Isolation führt und – wie bereits eingangs erwähnt – zunehmend um sich greift, weil junge Menschen unter dem Druck (des Lebens) zerbrechen. Ein Buch, das betroffenen Angehörigen und Freunden weiterhelfen kann. Ein Buch, in dem sich vermutlich mehr als ein(e) betroffene(r) Magersüchtige(r) wiedererkennt. Beate hat es bedauerlicherweise nicht geschafft. Doch Mara Schwarz hat diese Chance noch. Ich wünsche der Autorin von ganzem Herzen, dass sie ihrem persönlichen Anorexie-Kraken entkommt.

Copyright © 07/2012 by Antje Jürgens (AJ)

geschrieben am 29.10.2012 | 1184 Wörter | 6804 Zeichen

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