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Memoiren eines Janitscharen


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Rezension von

Hiram Kümper

Memoiren eines Janitscharen Die „Memoiren eines Janitscharen“ entfĂĽhren uns in die osmanischen BalkanfeldzĂĽge gegen Ende des 15. Jahrhunderts, als unter dem Ansturm der Truppen Mehmeds II. Konstantinopel fiel und das byzantinische Reich wenig später aufhörte zu existieren. FĂĽr die europäische Geschichtsschreibung ist diese Zeit eine des Umbruchs gewesen – nicht nur fĂĽr den Osten, sondern fĂĽr sein das gesamte europäische Selbstverständnis. Aus dieser Zeit stammt eine bemerkenswerte Chronik, die schon seit dem 16. Jahrhundert immer wieder interessierte Leser gefunden hat, die in mehreren Sprachen abgeschrieben und gedruckt worden ist. Als ihr Verfasser – oder doch zumindest der Hauptverfasser – galt lange Zeit ein ansonsten nicht näher bekannter Serbe namens Konstantin Mihajlović aus dem im Kosovo gelegenen Ostrovica. Diese Annahme ist mittlerweile in Zweifel gezogen worden – im Grunde weiĂź man heute noch weniger ĂĽber den Verfasser, einen möglichen Auftraggeber oder ein mögliches Publikum. Auch die Textgeschichte und die vermutlich mehrfachen Bearbeitungen sind noch nicht ganz aufgearbeitet, eine textkritische Ausgabe fehlt noch immer. So bezieht sich auch die hier vorliegende Ăśbersetzung auf die bereits 1912 von Jan Łoś vorgelegte Edition der polnischen Textfassung; eine bessere gibt es leider bis heute nicht. Bleibt auch der Verfasser und bleiben auch die genauen Umstände der Abfassung im Dunkeln, so bleibt doch der faszinierende Eindruck (der auch von etwaigen späteren Redaktoren nicht getrĂĽbt wird) des Erfahrungsberichts eines Mannes, der als Christ mehrere Jahre im Heer Sultan Mehmeds II. bei den Janitscharen diente. Die Janitscharen, jene sagenumwobene Elitetruppe der omanischen Herrscher, stellen ein eigenartiges Bindeglied in der osmanisch-europäischen Geschichte dar, setzte sich doch die Truppe seit dem 15. Jahrhundert zunehmend aus Unfreiwilligen zusammen, aus jungen Männern der unterworfenen Städte, die in einem institutionalisierten Verfahren, der so genannten „Knabenlese“, ausgewählt und ausgebildet wurden. „Auch ich wurde damals aus jener Stadt mit meinen zwei BrĂĽdern in die Gefangenschaft geschleppt, ich, der dies alles aufgeschrieben habe“, erinnert sich der Verfasser (S. 106). Von den vielen reiĂźerischen Geschichtchen, die sich um die Janitscharen ranken, lesen wir in dieser Chronik ansonsten nichts. Stattdessen lesen viel ĂĽber das osmanische Militärwesen, ĂĽber Schlachten und Diplomatie und ĂĽber die Herrschaftsordnung. Zwischenzeitlich deutet sich die (möglicherweise auch erst nachträglich dem Text gegebene) praktische Sinngebung solcher AusfĂĽhrungen an: „Wie ein Feldzug gegen die TĂĽrken auszurichten sei und was fĂĽr eine Schlachtordnung man beobachten sollte“, so heiĂźt das 41. Kapitel. Auch Beobachtungen des Hoflebens flicht der Verfasser in seine Darstellung ein. Vor allem aber wird viel Ereignisgeschichte geboten. Wer sich fĂĽr die bewegte Geschichte der osmanischen Eroberungen des 15. Jahrhunderts interessiert, der wird hier viele bemerkenswerte Schilderungen finden. Renate Lachmann hat diesen Text bereits 1975 in der Reihe der „Slawischen Geschichtsschreiber“ (Band 8) erstmals in deutscher Ăśbersetzung erscheinen lassen. Die hier vorliegende Neuausgabe hat diese Ăśbersetzung beibehalten, aber um eine deutlich umfassendere Einleitung erweitert. Auch der akribische Kommentar, fĂĽr den neben Lachmann selbst der Kunsthistoriker und Orientalist Claus-Peter Haase und der Byzantinist GĂĽnter Prinzing verantwortlich zeichneten, ist noch einmal ĂĽberarbeitet, korrigiert und ergänzt worden. In ihrer neuen Einleitung versucht Lachmann – ganz anders als 1975 – besonders die historische Bedeutung der durch die Chronik geschilderten Ereignisse und ihrer Zeit fĂĽr die jĂĽngere Geschichte des Balkans herauszuarbeiten. Neuere Literatur ist dabei nicht in dem MaĂźe eingearbeitet worden, wie es möglich, wohl aber wie es nötig war. So ist eine kompakte und gut zugängliche Textausgabe eines spannenden Textes entstanden.

Die „Memoiren eines Janitscharen“ entführen uns in die osmanischen Balkanfeldzüge gegen Ende des 15. Jahrhunderts, als unter dem Ansturm der Truppen Mehmeds II. Konstantinopel fiel und das byzantinische Reich wenig später aufhörte zu existieren. Für die europäische Geschichtsschreibung ist diese Zeit eine des Umbruchs gewesen – nicht nur für den Osten, sondern für sein das gesamte europäische Selbstverständnis.

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Aus dieser Zeit stammt eine bemerkenswerte Chronik, die schon seit dem 16. Jahrhundert immer wieder interessierte Leser gefunden hat, die in mehreren Sprachen abgeschrieben und gedruckt worden ist. Als ihr Verfasser – oder doch zumindest der Hauptverfasser – galt lange Zeit ein ansonsten nicht näher bekannter Serbe namens Konstantin Mihajlović aus dem im Kosovo gelegenen Ostrovica. Diese Annahme ist mittlerweile in Zweifel gezogen worden – im Grunde weiĂź man heute noch weniger ĂĽber den Verfasser, einen möglichen Auftraggeber oder ein mögliches Publikum. Auch die Textgeschichte und die vermutlich mehrfachen Bearbeitungen sind noch nicht ganz aufgearbeitet, eine textkritische Ausgabe fehlt noch immer. So bezieht sich auch die hier vorliegende Ăśbersetzung auf die bereits 1912 von Jan Łoś vorgelegte Edition der polnischen Textfassung; eine bessere gibt es leider bis heute nicht. Bleibt auch der Verfasser und bleiben auch die genauen Umstände der Abfassung im Dunkeln, so bleibt doch der faszinierende Eindruck (der auch von etwaigen späteren Redaktoren nicht getrĂĽbt wird) des Erfahrungsberichts eines Mannes, der als Christ mehrere Jahre im Heer Sultan Mehmeds II. bei den Janitscharen diente.

Die Janitscharen, jene sagenumwobene Elitetruppe der omanischen Herrscher, stellen ein eigenartiges Bindeglied in der osmanisch-europäischen Geschichte dar, setzte sich doch die Truppe seit dem 15. Jahrhundert zunehmend aus Unfreiwilligen zusammen, aus jungen Männern der unterworfenen Städte, die in einem institutionalisierten Verfahren, der so genannten „Knabenlese“, ausgewählt und ausgebildet wurden. „Auch ich wurde damals aus jener Stadt mit meinen zwei Brüdern in die Gefangenschaft geschleppt, ich, der dies alles aufgeschrieben habe“, erinnert sich der Verfasser (S. 106). Von den vielen reißerischen Geschichtchen, die sich um die Janitscharen ranken, lesen wir in dieser Chronik ansonsten nichts. Stattdessen lesen viel über das osmanische Militärwesen, über Schlachten und Diplomatie und über die Herrschaftsordnung. Zwischenzeitlich deutet sich die (möglicherweise auch erst nachträglich dem Text gegebene) praktische Sinngebung solcher Ausführungen an: „Wie ein Feldzug gegen die Türken auszurichten sei und was für eine Schlachtordnung man beobachten sollte“, so heißt das 41. Kapitel. Auch Beobachtungen des Hoflebens flicht der Verfasser in seine Darstellung ein. Vor allem aber wird viel Ereignisgeschichte geboten. Wer sich für die bewegte Geschichte der osmanischen Eroberungen des 15. Jahrhunderts interessiert, der wird hier viele bemerkenswerte Schilderungen finden.

Renate Lachmann hat diesen Text bereits 1975 in der Reihe der „Slawischen Geschichtsschreiber“ (Band 8) erstmals in deutscher Übersetzung erscheinen lassen. Die hier vorliegende Neuausgabe hat diese Übersetzung beibehalten, aber um eine deutlich umfassendere Einleitung erweitert. Auch der akribische Kommentar, für den neben Lachmann selbst der Kunsthistoriker und Orientalist Claus-Peter Haase und der Byzantinist Günter Prinzing verantwortlich zeichneten, ist noch einmal überarbeitet, korrigiert und ergänzt worden. In ihrer neuen Einleitung versucht Lachmann – ganz anders als 1975 – besonders die historische Bedeutung der durch die Chronik geschilderten Ereignisse und ihrer Zeit für die jüngere Geschichte des Balkans herauszuarbeiten. Neuere Literatur ist dabei nicht in dem Maße eingearbeitet worden, wie es möglich, wohl aber wie es nötig war. So ist eine kompakte und gut zugängliche Textausgabe eines spannenden Textes entstanden.

geschrieben am 03.12.2010 | 547 Wörter | 3503 Zeichen

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