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Autor | Michael Hofmann | |
Verlag | VDM Verlag Dr. Müller | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 112 | |
Erscheinungsjahr | 2007 | |
Extras | - |
Michael Hofmann benutzt ein interessantes methodisches Verfahren, das Aussagen über Auswirkungen von demographischen Veränderungen auf das Wirtschaftswachstum eines Landes ermöglichen soll. Aus den theoretischen Vorgaben einer um den Faktor Humankapital erweiterten neoklassischen Wachstumstheorie (Höheres Pro-Kopf-Wachstum resultiert aus Kapital- und Humankapitalakkumulation sowie aus dem - exogen erklärten - technischen Fortschritt) gewinnt Hoffmann „ökonometrische“ Modelle. In diese Modelle liest er empirische Daten von 92 Ländern ein, die über den Zeitraum 1960 bis 2000 in 5-Jahres-Abständen erhoben worden sind.
Hofmanns Ausgangsgleichungen sind so konzipiert, daß sie im wesentlichen drei theoretische Zusammenhänge von Pro-Kopf-Wachstum der Wirtschaft und demographischen Veränderungen überprüfen sollen, nämlich den so genannten „Kapitalverwässerungseffekt“, den „Altersstruktureffekt“ und die Frage, ob sich Veränderungen bei den nichtarbeitsfähigen Bevölkerungsanteilen der Jungen und der Alten unterschiedlich auf das Wachstum auswirken. Die Details des komplizierten mathematischen Verfahrens lesen sich für Nicht-Mathematiker etwas ermüdend (Es gibt Sätze wie diesen hier: „Liegt Heteroskedastizität, also keine konstante Varianz vor, werden die Standardfehler der OLS-Schätzer in unbekannte Richtung verzerrt“), dafür sind die Ergebnisse um so interessanter.
Erstens wird die empirische Evidenz des Kapitalverwässerungseffekts ermittelt, d.h., eine Zunahme der absoluten Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter bewirkt einen Rückgang des Pro-Kopf-BIP-Wachstums innerhalb dieser Gruppe. Allerdings läßt sich dieser Effekt signifikant nur im synchronen Ländervergleich nachweisen.
Zweitens bestätigen Hofmanns Untersuchungen eine signifikante Auswirkung von Altersstrukturveränderungen (Anteiliges Verhältnis von arbeitsfähiger Bevölkerung zur nichtarbeitsfähigen Bevölkerung) auf das Wachstum des BIP pro Kopf der Gesamtbevölkerung. Steigt der Anteil der Arbeitsfähigen, wächst das BIP pro Kopf der Gesamtbevölkerung. Allerdings wirkt dieser Effekt in signifikanter Verbindung mit der Spar/Investitionsquote und der Humankapitalausstattung (Bildungsquote). Wichtig ist auch, daß dieser Altersstruktureffekt deutlich stärker wirkt als der Kapitalverwässerungseffekt.
Interessante Ergebnisse bringt die dritte Untersuchungsanordnung. Empirisch läßt sich für die untersuchten Länder im untersuchten Zeitraum nur ein negativer Zusammenhang zwischen wachsendem Anteil der jüngeren nichtarbeitsfähigen und dem BIP nachweisen. Wuchs dagegen der Anteil der nichtarbeitsfähigen Älteren, hatte das keine signifikant negativen Auswirkungen auf das BIP-Wachstum. Dafür gibt es zwei Erklärungen: erstens könnte ein steigender Anteil der Älteren auf eine ansteigende Lebenserwartung, somit bessere Gesundheit und somit auch höhere Produktivität der Bevölkerung verweisen. Andererseits könnte der wachsende Anteil der Älteren lediglich auf einen schrumpfenden Anteil der Jüngeren zurückzuführen sein, durch welchen auch das erhöhte Wirtschaftswachstum trotz steigender Altenquote erklärbar wäre.
Durch die Verknüpfung der empirischen Ergebnisse mit einer zuvor ermittelten „optimalen Altersstruktur“ einer Bevölkerung (diese entsteht langfristig durch Reproduktionsraten auf Erhaltungsniveau, also ungefähr 2 Kinder pro Frau im Durchschnitt, weil dann das Verhältnis von Arbeitsfähigen und abhängigen Jungen und Alten sich am günstigsten darstellt) kommt Hofmann zu dem Ergebnis, daß sich Geburtenraten über Bestandserhaltung negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken, da sie den Kapitalverwässerungseffekt verstärken. Geburtenraten unter Erhaltungsniveau hingegen wirken sich zunächst günstig aus, da der Kapitalbestand auf immer weniger Köpfe der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter verteilt wird und somit das BIP pro Kopf steigt. Langfristig wirken zu niedrige Geburtenraten dagegen negativ auf das Wachstum, da eine ungünstige Bevölkerungsstruktur mit einem zu geringen Erwerbspersonenanteil entsteht. Eine Erhöhung der Lebenserwartung kann sich – bei gleichzeitiger Erhöhung des Renteneintrittsalters – dagegen sogar positiv auf Altersstruktur und Wachstum auswirken.
Am Beispiel Deutschlands (welches übrigens nicht in der Liste der Länder auftaucht, deren Daten für die empirische Untersuchung genutzt wurden), versucht Hofmann dann eine praktische Anwendung der geschätzten Effekte auf der Basis der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes, mittlere Variante (Annahmen: konstante Fertilität von 1,4 Kindern/Frau; Steigerung der Lebenserwartung bis 2050 auf ca. 86 Jahre für Mädchen, ca. 81 für Jungen; stetig sinkender Nettozuwanderungssaldo bis zum Nullniveau 2040). Nach dieser Vorausberechnung wird in Deutschland das Arbeitskräftepotential bis 2050 um 20% zurückgehen. In Hofmanns Modell steht somit für Deutschland ein „umgekehrter“ Kapitalverwässerungseffekt einem signifikant negativem Altersstruktureffekt gegenüber, den er keineswegs auszugleichen vermag. Dies führt zu einem langsameren, tw. negativen Wachstums des deutschen Pro-Kopf-BIP, das man nach Hoffmann langfristig nur durch eine Erhöhung der Geburtenrate auf 2 Kinder pro Frau wieder steigern könne.
Natürlich gibt es eine Reihe von Einwänden gegen das ganze von Hofmann benutzte Verfahren und gegen die Gültigkeit der empirischen Ergebnisse, von denen der Autor fairerweise selbst einige aufzählt. Sie seien hier etwas ausführlicher dargestellt:
Das Verfahren geht von einer einseitigen Kausalbeziehung zwischen demographischen Veränderungen und Wirtschaftswachstum aus, während es in der Realität wahrscheinlich wechselseitige Beeinflussungen gibt.
Neben dem Kapitalverwässerungs- und dem Altersstruktureffekt wirken auch noch eine Reihe anderer Faktoren auf das Wirtschaftswachstum (geographische Lage, Rohstoffe, Institutionen usw.), die in diesem Modell gar nicht berücksichtigt werden.
Demographische Effekte wirken wiederum nicht nur auf Kapitalverwässerung und Altersstruktur, sondern betreffen auch auf andere Weisen das Wachstum, die in Hoffmanns Modell entweder gar nicht (Bevölkerungsdichte, Migration) oder nur versteckt (Bildung, Investition) berücksichtigt werden.
Es ist keineswegs ausgemacht, das der Kapitalverwässerungseffekt auch in umgekehrter Richtung wirkt. Weniger Erwerbspersonen bedeuten eventuell Kosten durch überflüssiges physisches Kapital (Rückbau von Infrastruktur) und Verteilung der Staatsverschuldung auf weniger Schultern.
In dem Modell wird undifferenziert die Bevölkerungsgruppe der arbeitsfähigen Bevölkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren als arbeitende Bevölkerung unterstellt, was bekanntlich keineswegs in der Realität so ist.
Das größte Problem besteht aber darin, daß – entsprechend der neoklassischen Theorie - geschlossene Volkswirtschaften unterstellt werden. Effekte auf Demographie und Wirtschaftswachstum, die durch grenzüberschreitende Migration oder Kapitalflüsse entstehen, müssen in längerfristiger Perspektive unberücksichtigt bleiben. So ermöglicht das Modell eben im wesentlichen nur vergleichende Aussagen zwischen Ländern in derselben Zeit-Periode.
Schließlich kann man immer die Qualität der verwendeten Daten anzweifeln. In Hofmanns Berechnungen sind beispielsweise viele Daten eingeflossen, die von Entwicklungsländern ohne entwickelte statistische Erfassungssysteme erhoben worden sind. Zudem hat er einfach die Investitionsquote eines Landes als Sparquote in das Modell eingerechnet, womit wieder das Problem der grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen auftaucht, was die Daten verzerrt und das Herausfiltern eines demographischen Effektes sehr erschwert.
Fazit: Vielleicht kann man sagen, daß der von Hofmann abgesteckte Problemrahmen bedeutsamer ist, als die in diesem ersten Anlauf gewonnenen Ergebnisse. Als Verfahren zur empirischen Überprüfung von theoretischen Annahmen läßt sich das Modell bezüglich vieler Variablen sicher noch verfeinern und die Daten lassen sich präziser erheben. Hier ist also noch Entwicklungspotential. Als prognostisches Verfahren hat das Modell aber seine kaum zu überwindende Grenze in den offenen Grenzen der Staaten und der Offenheit der Entwicklung grenzüberschreitender Bewegungen von Menschen und Kapital.
geschrieben am 02.07.2007 | 1001 Wörter | 7406 Zeichen
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