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Jürgen von der Lippe liest Kurt Tucholsky


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Rezension von

Ragan Tanger

Jürgen von der Lippe liest Kurt Tucholsky Doppeltes Satirevergnügen Jürgen von der Lippe stammt tatsächlich von der Lippe, ist aber nicht Teil des westfälischen Uradels, den sein Name suggeriert. Hans-Jürgen Dohrenkamp, so der gebürtige Name des studierten Germanisten und Philosophen, machte aber nicht nur mit seiner frechen Künstlerbezeichnung, sondern primär mit seinen bissigen, feinen und subtilen Auftritten, Parodien und Gesangseinlagen von sich reden. Eine lange Hörfunk- und Radiokarriere vom WWF-Club bis Geld oder Liebe zeichnete seinen Erfolgsweg, als Hörbuchsprecher ist der Meister der Comedy ebenfalls im Einsatz, selten so kongenial wie für den ebenfalls bissigen Spötter Kurt Tucholsky. Der Berliner Essayist, Redakteur und Schriftsteller, um nur einige der möglichen Bezeichnungen für sein produktives und vielfältiges künstlerisches Schaffen zu nehmen, der innerhalb seiner Familie zum Jurastudium vorgesehen war, interessierte sich von Anfang an für ganz andere Dinge als die großbürgerlichen Ideologien. Obwohl er mit 17 Jahren sein erstes Essay in einer Berliner Satirezeitschrift veröffentlichte, folgte er dem Wunsch seines Vaters und schloss das rechtswissenschaftliche Studium sogar mit Auszeichnung ab. Das änderte aber nichts daran, dass er zu einem der bekanntesten und schärfsten Parodisten der Weimarer Republik wurde, dem die Verbitterung über das diktatorische Regime ins Ausland trieb, wo er in Schweden schon 45jährig durch einen vermeintlichen Suizid aufgrund schwerer Krankheit aus dem Leben schied. Die Bell Hörbuch Edition präsentiert nun diese symbiotisch perfekte Verbindung von Jürgen von der Lippe und Kurt Tucholsky, jeder in seiner Zeit, jeder auf seine Art, pointiert und meisterlich. Von der Lippes Stimme, sein sonores Rauschen, sein Bartgemurmel, seine Akzentuierung könnten nicht besser auf die Vorlagen passen. Vier CDs sind in dieser Box enthalten, Gedichte, Notizen, Bonmots und unauffällige Sticheleien. Gegen wen? Tucholsky lehnte alles Militärische, Nationalistische, Patriarchalische ab, war ein behänder Kritiker seiner Zeit und seiner Landes. Am Liebsten aber redete er über Frauen, nicht über Liebe, denn das passt für ihn irgendwie nicht wirklich zusammen. CD 1 heißt in seiner selbstironischen Bezeichnung ganz klar: „Frauen sind eitel. Männer? – Nie.“ Kein Versuch das ewige Glück zu beschönigen, sondern die Erkenntnis, dass es die ideale Beziehung nicht gibt, dass man sich höchstens arrangiert miteinander, wo man doch sowieso nicht zueinander passt. Er selbst konnte nicht mit, nicht ohne sie leben, gescheiterte Ehen und Seitensprünge sind häufig, die geballte Erotik stand im Zentrum seines Lebens und machte sich von daher auch in all seinen Schriften bemerkbar, die erste CD bietet eine Essenz seiner Vorstellungen in Liebesdingen. Auf CD 2 und 3 ist das Arrangement gemischter. Neben den frivolen Anekdoten, finden sich viele gesellschaftskritische Spötteleien und Glossen über den maroden Zustand der Welt. „Lerne lachen ohne zu weinen“ lautet das Motto der 47 von der Lippe humoristisch interpretierten Texte. Die vierte CD schließlich, „Die Satire darf alles“, beinhaltet zumeist etwas längere und ausführlichere Texte zur Lage der Nation, zur Kritik an der Scheinheiligkeit des Klerus, zum Kampf gegen den frauenfeindlichen Paragraphen 218, und setzt sich für verkehrsberuhigte Zonen in den Innenstädten ein. Moderne Gesellschaftskritik, die schon 80 Jahre zurückzuliegen scheint, aber auch heute noch aktuell und hörenswert ist. Vor allen Dingen, wenn solch ein scharfzüngiger Seelenverwandter wie Jürgen von de Lippe sich der Sache annimmt (zugegeben mit weiblicher Begleitung: Astrid Kohrs unterstützt und debattiert mit ihm frauengerecht auf der ersten CD). Eine rundum gelungene Box, die gestalterisch mit jeweils ausführlichen Booklets daherkommt, und vier CDs voller Spott, Ironie und Erotik, im Kleid der goldenen 20erJahre. Freizügig und freie Zunge, ohne ins banal Auslaufende abzudriften. Wunderbar.

Doppeltes Satirevergnügen

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Jürgen von der Lippe stammt tatsächlich von der Lippe, ist aber nicht Teil des westfälischen Uradels, den sein Name suggeriert. Hans-Jürgen Dohrenkamp, so der gebürtige Name des studierten Germanisten und Philosophen, machte aber nicht nur mit seiner frechen Künstlerbezeichnung, sondern primär mit seinen bissigen, feinen und subtilen Auftritten, Parodien und Gesangseinlagen von sich reden. Eine lange Hörfunk- und Radiokarriere vom WWF-Club bis Geld oder Liebe zeichnete seinen Erfolgsweg, als Hörbuchsprecher ist der Meister der Comedy ebenfalls im Einsatz, selten so kongenial wie für den ebenfalls bissigen Spötter Kurt Tucholsky.

Der Berliner Essayist, Redakteur und Schriftsteller, um nur einige der möglichen Bezeichnungen für sein produktives und vielfältiges künstlerisches Schaffen zu nehmen, der innerhalb seiner Familie zum Jurastudium vorgesehen war, interessierte sich von Anfang an für ganz andere Dinge als die großbürgerlichen Ideologien. Obwohl er mit 17 Jahren sein erstes Essay in einer Berliner Satirezeitschrift veröffentlichte, folgte er dem Wunsch seines Vaters und schloss das rechtswissenschaftliche Studium sogar mit Auszeichnung ab. Das änderte aber nichts daran, dass er zu einem der bekanntesten und schärfsten Parodisten der Weimarer Republik wurde, dem die Verbitterung über das diktatorische Regime ins Ausland trieb, wo er in Schweden schon 45jährig durch einen vermeintlichen Suizid aufgrund schwerer Krankheit aus dem Leben schied.

Die Bell Hörbuch Edition präsentiert nun diese symbiotisch perfekte Verbindung von Jürgen von der Lippe und Kurt Tucholsky, jeder in seiner Zeit, jeder auf seine Art, pointiert und meisterlich. Von der Lippes Stimme, sein sonores Rauschen, sein Bartgemurmel, seine Akzentuierung könnten nicht besser auf die Vorlagen passen. Vier CDs sind in dieser Box enthalten, Gedichte, Notizen, Bonmots und unauffällige Sticheleien. Gegen wen? Tucholsky lehnte alles Militärische, Nationalistische, Patriarchalische ab, war ein behänder Kritiker seiner Zeit und seiner Landes. Am Liebsten aber redete er über Frauen, nicht über Liebe, denn das passt für ihn irgendwie nicht wirklich zusammen.

CD 1 heißt in seiner selbstironischen Bezeichnung ganz klar: „Frauen sind eitel. Männer? – Nie.“ Kein Versuch das ewige Glück zu beschönigen, sondern die Erkenntnis, dass es die ideale Beziehung nicht gibt, dass man sich höchstens arrangiert miteinander, wo man doch sowieso nicht zueinander passt. Er selbst konnte nicht mit, nicht ohne sie leben, gescheiterte Ehen und Seitensprünge sind häufig, die geballte Erotik stand im Zentrum seines Lebens und machte sich von daher auch in all seinen Schriften bemerkbar, die erste CD bietet eine Essenz seiner Vorstellungen in Liebesdingen. Auf CD 2 und 3 ist das Arrangement gemischter. Neben den frivolen Anekdoten, finden sich viele gesellschaftskritische Spötteleien und Glossen über den maroden Zustand der Welt. „Lerne lachen ohne zu weinen“ lautet das Motto der 47 von der Lippe humoristisch interpretierten Texte.

Die vierte CD schließlich, „Die Satire darf alles“, beinhaltet zumeist etwas längere und ausführlichere Texte zur Lage der Nation, zur Kritik an der Scheinheiligkeit des Klerus, zum Kampf gegen den frauenfeindlichen Paragraphen 218, und setzt sich für verkehrsberuhigte Zonen in den Innenstädten ein. Moderne Gesellschaftskritik, die schon 80 Jahre zurückzuliegen scheint, aber auch heute noch aktuell und hörenswert ist. Vor allen Dingen, wenn solch ein scharfzüngiger Seelenverwandter wie Jürgen von de Lippe sich der Sache annimmt (zugegeben mit weiblicher Begleitung: Astrid Kohrs unterstützt und debattiert mit ihm frauengerecht auf der ersten CD). Eine rundum gelungene Box, die gestalterisch mit jeweils ausführlichen Booklets daherkommt, und vier CDs voller Spott, Ironie und Erotik, im Kleid der goldenen 20erJahre. Freizügig und freie Zunge, ohne ins banal Auslaufende abzudriften. Wunderbar.

geschrieben am 16.08.2010 | 560 Wörter | 3386 Zeichen

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