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Von der Arbeit des Historikers


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Rezension von

Hiram Kümper

Von der Arbeit des Historikers Dies ist ein merkwürdiges Buch. Ein unerwartetes Buch. Und ein schönes Buch. Was mit verdächtig trockenem Titel daherkommt, ist eigentlich eine versteckte Festschrift. Und es ist eine eher assoziative, fragmentierte Selbstvergewisserung, was Historikerinnen und Historiker eigentlich tagtäglich in ihrer Werkstatt tun. Und doch: es ist auch ein Wörterbuch. Ganz klassische (und auch einige jüngere) Großkonzepte der Geschichtswissenschaft werden hier diskutiert, denen man anderswo bereits ganze Handbücher gewidmet hat: Raum etwa, Gedächtnis, Ereignis – oder Subjekt. Und neben den großen stehen die kleineren: Als ausgesprochen lesenswert hat der Rezensent etwa den Beitrag von Karl Heinz Roth über die „Mittlere Dauer“ (S. 139-144) empfunden. An anderer Stelle reflektiert Etienne François sympathisch selbstkritisch, wie sich das (in Deutschland ja ganz maßgeblich von ihm selbst mitgetragenen) Konzept der „Erinnerungsorte“ entwickelt hat (S. 65-69). Neben die Konzepte treten die Praxen: Nicht nur die im engeren Sinne forschungsleitenden, wie die „Diskursanalyse“, die „Materialistische Geschichtsschreibung“ oder die „Nationalgeschichte“, sondern auch die alltäglichen, die im Wissenschaftsbetrieb immer mehr und mehr Raum einnehme. Da raisonniert etwa Alf Lüdke aus persönlichem Rückblick über Sinn und Unsinn von Gutachten (S. 91-96) oder Christoph Conrad über den Signalbegriff „peer review“ (S. 155-160). Christian Fleck hält Historikern vor Augen, was sie schon immer an der Idee der „Stichprobe“ nicht verstanden haben (S. 187-192); und Michael Wildt setzt zu einer Großkritik der überkommenen Veranstaltungsform „Vorlesung“ – oder eigentlich treffender: einer geradezu typischen Großzahl von Vorlesenden – an (S. 209-213). Als dritte Dimension der in diesem Band versammelten Lemmata treten die Orte hinzu. Neben klassischen Aufenthaltsorten des Historiker, wie der Bibliothek oder das Museum, spannt manch einer da den kreativen Bogen weit: Klaus-Michael Bogdal etwa, wenn er in erstem Ton das Lemma „Fußboden“ als „geistig und materiell niedere Ebene wissenschaftlichen Arbeitens“ bearbeitet (S. 75-78). Josef Ehmer macht sich für „Buchhandlungen, kleine“ als Fundort regionalgeschichtlicher Gemmen stark (S. 41-46). Freilich: sein Beitrag ist dann auch eher ein leidenschaftliches Plädoyer für den Wert der Regionalstudie für die allgemeine Geschichte und nur sehr am Rande für die Buchhandlungen selbst. Der Band hat viel Charme, einigen Witz, vor allem aber auch inhaltlich einiges zu bieten. An manchem kann man sich reiben, von vielem kann man trefflich etwas lernen. Einzig von der beigefügten Bibliographie „Weiterführende[r] Literatur“ (S. 219-227) wird trotz einer kurzen Notiz im Vorwort (S. 17) nicht recht ersichtlich, was sie will und wofür sie da ist. Die im Schnitt vier- bis fünfseitigen Beiträge mit kompakten Lektürehinweisen sind in ganz überwiegender Zahl eine Freude und laden durch ihr kompaktes Format dazu ein, den Band nicht als schwere Lektüreverpflichtung zu empfinden, sondern immer einmal wieder in die Hand zu nehmen, um einem spontanen Interesse an einem der oft ungewöhnlichen Lemmata zu folgen.

Dies ist ein merkwürdiges Buch. Ein unerwartetes Buch. Und ein schönes Buch. Was mit verdächtig trockenem Titel daherkommt, ist eigentlich eine versteckte Festschrift. Und es ist eine eher assoziative, fragmentierte Selbstvergewisserung, was Historikerinnen und Historiker eigentlich tagtäglich in ihrer Werkstatt tun.

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Und doch: es ist auch ein Wörterbuch. Ganz klassische (und auch einige jüngere) Großkonzepte der Geschichtswissenschaft werden hier diskutiert, denen man anderswo bereits ganze Handbücher gewidmet hat: Raum etwa, Gedächtnis, Ereignis – oder Subjekt. Und neben den großen stehen die kleineren: Als ausgesprochen lesenswert hat der Rezensent etwa den Beitrag von Karl Heinz Roth über die „Mittlere Dauer“ (S. 139-144) empfunden. An anderer Stelle reflektiert Etienne François sympathisch selbstkritisch, wie sich das (in Deutschland ja ganz maßgeblich von ihm selbst mitgetragenen) Konzept der „Erinnerungsorte“ entwickelt hat (S. 65-69).

Neben die Konzepte treten die Praxen: Nicht nur die im engeren Sinne forschungsleitenden, wie die „Diskursanalyse“, die „Materialistische Geschichtsschreibung“ oder die „Nationalgeschichte“, sondern auch die alltäglichen, die im Wissenschaftsbetrieb immer mehr und mehr Raum einnehme. Da raisonniert etwa Alf Lüdke aus persönlichem Rückblick über Sinn und Unsinn von Gutachten (S. 91-96) oder Christoph Conrad über den Signalbegriff „peer review“ (S. 155-160). Christian Fleck hält Historikern vor Augen, was sie schon immer an der Idee der „Stichprobe“ nicht verstanden haben (S. 187-192); und Michael Wildt setzt zu einer Großkritik der überkommenen Veranstaltungsform „Vorlesung“ – oder eigentlich treffender: einer geradezu typischen Großzahl von Vorlesenden – an (S. 209-213).

Als dritte Dimension der in diesem Band versammelten Lemmata treten die Orte hinzu. Neben klassischen Aufenthaltsorten des Historiker, wie der Bibliothek oder das Museum, spannt manch einer da den kreativen Bogen weit: Klaus-Michael Bogdal etwa, wenn er in erstem Ton das Lemma „Fußboden“ als „geistig und materiell niedere Ebene wissenschaftlichen Arbeitens“ bearbeitet (S. 75-78). Josef Ehmer macht sich für „Buchhandlungen, kleine“ als Fundort regionalgeschichtlicher Gemmen stark (S. 41-46). Freilich: sein Beitrag ist dann auch eher ein leidenschaftliches Plädoyer für den Wert der Regionalstudie für die allgemeine Geschichte und nur sehr am Rande für die Buchhandlungen selbst.

Der Band hat viel Charme, einigen Witz, vor allem aber auch inhaltlich einiges zu bieten. An manchem kann man sich reiben, von vielem kann man trefflich etwas lernen. Einzig von der beigefügten Bibliographie „Weiterführende[r] Literatur“ (S. 219-227) wird trotz einer kurzen Notiz im Vorwort (S. 17) nicht recht ersichtlich, was sie will und wofür sie da ist. Die im Schnitt vier- bis fünfseitigen Beiträge mit kompakten Lektürehinweisen sind in ganz überwiegender Zahl eine Freude und laden durch ihr kompaktes Format dazu ein, den Band nicht als schwere Lektüreverpflichtung zu empfinden, sondern immer einmal wieder in die Hand zu nehmen, um einem spontanen Interesse an einem der oft ungewöhnlichen Lemmata zu folgen.

geschrieben am 27.02.2011 | 442 Wörter | 2703 Zeichen

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