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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen Schon die Coverinnenseite fĂŒhrt den Leser - gekonnt - auf eine falsche FĂ€hrte, nĂ€mlich die der AuthentizitĂ€t. Man muss sich wĂ€hrend der LektĂŒre des Buches schon manchmal imaginĂ€r die Augen reiben, um sich immer wieder klarzumachen, dass diese Ereignisse nicht passiert sind. Der fiktive Boyet Hernandez kommt im Jahr 2002 von den Philippinen nach New York, um nach abgeschlossenem Modestudium in Manila den Sprung in die wahre Welt des Modedesigns zu schaffen. Inspiriert von ehemaligen Kommilitonen bzw. neuen Bekanntschaften sammelt er Ideen, fertigt EntwĂŒrfe und hat langsam aber sicher kreativen Erfolg – allerdings ohne entsprechende monetĂ€re Auswirkungen. Um von seinen Kreationen leben zu können, mĂŒsste er in die Serienfertigung einsteigen können, kann dafĂŒr aber keine Geldgeber akquirieren. Genauso hat er schon Schwierigkeiten, die Mittel fĂŒr seine diversen bisherigen PrĂ€sentationen aufzubringen. Da trifft es sich gut, dass ein Mitmieter im Haus (vorgeblich) von seinen Kreationen begeistert zu sein scheint, zwei MaßanzĂŒge bestellt und gut bezahlt (eigentlich ist Boyet Damenschneider und sein Label (B)oy ist auch daraufhin ausgerichtet) und danach als Finanzier und Teilhaber einsteigen möchte. Obwohl Boyet dem Wohnungsnachbarn nicht traut und einige seiner Informationen als Unwahrheiten erkennt, lĂ€sst er sich vom Interesse an seinem Schaffen blenden, ebenso von der Möglichkeit, endlich als Designer Fuß zu fassen und zu seinen Idolen aufzuschließen. TatsĂ€chlich ist der Finanzier aber ein Mitglied von Al-Qaida, der den Aufbau der Modelinie (B)oy zur GeldwĂ€sche zweckentfremdet. Selbst als Boyet in der Wohnung des Finanziers sĂ€ckeweise DĂŒnger sieht, lĂ€sst er sich mit fadenscheinigen ErklĂ€rungen abspeisen und ist nicht in der Lage, die damals geschehenen Terrorereignisse und AnschlĂ€ge im Hinterkopf zu haben und bei AmmoniumnitratdĂŒnger an jĂŒngere AnschlĂ€ge mit genau diesem Mittel zu denken. Es kommt, wie es kommen muss. Gerade nachdem das Label (B)oy 2006 bei der New York Fashion Week in der Kategorie New Designers einiges an Aufmerksamkeit erregt hat, wird erst der Finanzier am Flughafen Newark vom FBI festgenommen, belastet Boyet als eigentlichen Hintermann und Konstrukteur einer SchlĂ€ferzelle, sodass dieser auch festgenommen und nach Guantanamo verbracht wird. Dort verbringt er mehrere Monate, darf allerdings zur Prozessvorbereitung seine Sicht der Dinge und AblĂ€ufe zu Papier bringen und kann am Ende das MilitĂ€rgericht ĂŒberzeugen, dass er keine Verbindungen zu Al-Qaida oder anderen Terrorgruppen hat, sondern nur unglaublich naiv handelte. Danach wird er in sein Heimatland ausgewiesen und lebt und arbeitet dort nunmehr als zwar nicht vollends gebrochener, aber doch gezeichneter Mann, der aber nichts mehr ersehnt, als wieder in die USA einreisen zu dĂŒrfen, um an seine Karriere dort anknĂŒpfen zu können. Zur Vervollkommnung der Fiktion wurden die „Notizen“ von Boyet Hernandez mit erklĂ€renden und berichtigenden Fußnoten versehen und sollen so sechs Jahre nach der „Internierung“ ein makabres Bild der Paranoia der amerikanischen Gesellschaft in Bezug auf vermeintliche Terroristen und eines brĂŒchigen Rechtsstaats bieten. Dass die vermeintlichen Terroristen z.B. als „Internierte“ bezeichnet werden, um sie nicht als „Inhaftierte“ behandeln zu mĂŒssen, ist als bloße semantische Spielerei ein grotesker Rechtsbruch, aber durchaus ĂŒblich: ein interessanter Vergleich lĂ€sst sich nĂ€mlich zur Kuba-Krise 1962 ziehen, wo eine „Blockade“ Kubas durch die USA nicht als solche bezeichnet wurde, da dies ja völkerrechtlich als Angriffshandlung gegolten hĂ€tte, also nannte man es „QuarantĂ€ne“ - ebenso lĂ€cherlich. Mit diesen und anderen rechtswidrigen Gesetzgebungsakten, z.B. auch das Aussetzen der Rechte aus der Genfer Konvention, haben sich die USA ganz real und locker in eine Reihe mit den Unrechtsstaaten gestellt, die sie zu bekĂ€mpfen vorgaben. Der fiktive Boyet durfte immerhin - auch aufgrund der höchst negativen Presseberichterstattung - ein vermeintlich schnelles Ende seines Martyriums erfahren und konnte so den rechtsfreien Raum, den sich das MilitĂ€r in Guantanamo geschaffen hat, schneller als andere der dort „internierten“ Opfer verlassen. Neben diesen spannenden „Fakten“ dĂŒrfte der Leser allerdings mehr als einmal genervt die Augen rollen, wenn Boyet selbstverliebt und egozentrisch ĂŒber sein Leben, die Liebe, Beziehungen, sonstige ZusammenhĂ€nge in Gesellschaft und im Leben schwadroniert. Auch dass er sich im Nachhinein in der Opferrolle stigmatisiert, lĂ€sst das mĂŒhsam aufgebaute Mitleid mit ihm wĂ€hrend der LektĂŒre immer wieder verschwinden, denn de facto ist die Fiktion des narzisstischen, aber ehrgeizigen und eigentlich höchst amerikaloylen Einwanderers gelungen und fesselnd. Die Verbindung von Modewelt, Rechtssystem und persönlichen KalamitĂ€ten ist eine lesenswerte und positive Überraschung.

Schon die Coverinnenseite fĂŒhrt den Leser - gekonnt - auf eine falsche FĂ€hrte, nĂ€mlich die der AuthentizitĂ€t. Man muss sich wĂ€hrend der LektĂŒre des Buches schon manchmal imaginĂ€r die Augen reiben, um sich immer wieder klarzumachen, dass diese Ereignisse nicht passiert sind. Der fiktive Boyet Hernandez kommt im Jahr 2002 von den Philippinen nach New York, um nach abgeschlossenem Modestudium in Manila den Sprung in die wahre Welt des Modedesigns zu schaffen. Inspiriert von ehemaligen Kommilitonen bzw. neuen Bekanntschaften sammelt er Ideen, fertigt EntwĂŒrfe und hat langsam aber sicher kreativen Erfolg – allerdings ohne entsprechende monetĂ€re Auswirkungen. Um von seinen Kreationen leben zu können, mĂŒsste er in die Serienfertigung einsteigen können, kann dafĂŒr aber keine Geldgeber akquirieren. Genauso hat er schon Schwierigkeiten, die Mittel fĂŒr seine diversen bisherigen PrĂ€sentationen aufzubringen. Da trifft es sich gut, dass ein Mitmieter im Haus (vorgeblich) von seinen Kreationen begeistert zu sein scheint, zwei MaßanzĂŒge bestellt und gut bezahlt (eigentlich ist Boyet Damenschneider und sein Label (B)oy ist auch daraufhin ausgerichtet) und danach als Finanzier und Teilhaber einsteigen möchte. Obwohl Boyet dem Wohnungsnachbarn nicht traut und einige seiner Informationen als Unwahrheiten erkennt, lĂ€sst er sich vom Interesse an seinem Schaffen blenden, ebenso von der Möglichkeit, endlich als Designer Fuß zu fassen und zu seinen Idolen aufzuschließen. TatsĂ€chlich ist der Finanzier aber ein Mitglied von Al-Qaida, der den Aufbau der Modelinie (B)oy zur GeldwĂ€sche zweckentfremdet. Selbst als Boyet in der Wohnung des Finanziers sĂ€ckeweise DĂŒnger sieht, lĂ€sst er sich mit fadenscheinigen ErklĂ€rungen abspeisen und ist nicht in der Lage, die damals geschehenen Terrorereignisse und AnschlĂ€ge im Hinterkopf zu haben und bei AmmoniumnitratdĂŒnger an jĂŒngere AnschlĂ€ge mit genau diesem Mittel zu denken. Es kommt, wie es kommen muss. Gerade nachdem das Label (B)oy 2006 bei der New York Fashion Week in der Kategorie New Designers einiges an Aufmerksamkeit erregt hat, wird erst der Finanzier am Flughafen Newark vom FBI festgenommen, belastet Boyet als eigentlichen Hintermann und Konstrukteur einer SchlĂ€ferzelle, sodass dieser auch festgenommen und nach Guantanamo verbracht wird. Dort verbringt er mehrere Monate, darf allerdings zur Prozessvorbereitung seine Sicht der Dinge und AblĂ€ufe zu Papier bringen und kann am Ende das MilitĂ€rgericht ĂŒberzeugen, dass er keine Verbindungen zu Al-Qaida oder anderen Terrorgruppen hat, sondern nur unglaublich naiv handelte. Danach wird er in sein Heimatland ausgewiesen und lebt und arbeitet dort nunmehr als zwar nicht vollends gebrochener, aber doch gezeichneter Mann, der aber nichts mehr ersehnt, als wieder in die USA einreisen zu dĂŒrfen, um an seine Karriere dort anknĂŒpfen zu können.

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Zur Vervollkommnung der Fiktion wurden die „Notizen“ von Boyet Hernandez mit erklĂ€renden und berichtigenden Fußnoten versehen und sollen so sechs Jahre nach der „Internierung“ ein makabres Bild der Paranoia der amerikanischen Gesellschaft in Bezug auf vermeintliche Terroristen und eines brĂŒchigen Rechtsstaats bieten. Dass die vermeintlichen Terroristen z.B. als „Internierte“ bezeichnet werden, um sie nicht als „Inhaftierte“ behandeln zu mĂŒssen, ist als bloße semantische Spielerei ein grotesker Rechtsbruch, aber durchaus ĂŒblich: ein interessanter Vergleich lĂ€sst sich nĂ€mlich zur Kuba-Krise 1962 ziehen, wo eine „Blockade“ Kubas durch die USA nicht als solche bezeichnet wurde, da dies ja völkerrechtlich als Angriffshandlung gegolten hĂ€tte, also nannte man es „QuarantĂ€ne“ - ebenso lĂ€cherlich. Mit diesen und anderen rechtswidrigen Gesetzgebungsakten, z.B. auch das Aussetzen der Rechte aus der Genfer Konvention, haben sich die USA ganz real und locker in eine Reihe mit den Unrechtsstaaten gestellt, die sie zu bekĂ€mpfen vorgaben. Der fiktive Boyet durfte immerhin - auch aufgrund der höchst negativen Presseberichterstattung - ein vermeintlich schnelles Ende seines Martyriums erfahren und konnte so den rechtsfreien Raum, den sich das MilitĂ€r in Guantanamo geschaffen hat, schneller als andere der dort „internierten“ Opfer verlassen.

Neben diesen spannenden „Fakten“ dĂŒrfte der Leser allerdings mehr als einmal genervt die Augen rollen, wenn Boyet selbstverliebt und egozentrisch ĂŒber sein Leben, die Liebe, Beziehungen, sonstige ZusammenhĂ€nge in Gesellschaft und im Leben schwadroniert. Auch dass er sich im Nachhinein in der Opferrolle stigmatisiert, lĂ€sst das mĂŒhsam aufgebaute Mitleid mit ihm wĂ€hrend der LektĂŒre immer wieder verschwinden, denn de facto ist die Fiktion des narzisstischen, aber ehrgeizigen und eigentlich höchst amerikaloylen Einwanderers gelungen und fesselnd. Die Verbindung von Modewelt, Rechtssystem und persönlichen KalamitĂ€ten ist eine lesenswerte und positive Überraschung.

geschrieben am 22.09.2012 | 684 Wörter | 4271 Zeichen

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