ISBN | 3518224700 | |
Autor | Florjan Lipus | |
Verlag | Suhrkamp | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 167 | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Extras | - |
Eine getragene, fast altertümlich anmutende, aber reichhaltige und pittoreske Sprache mit vielen lokalen Einsprengseln, immer wieder durchzogen von wunderschönen Metaphern und anderen bildlichen Beschreibungen prägt diesen Roman. Der junge Bostjan, deutsch Sebastian, lebt im Grenzgebiet zwischen Österreich und Slowenien in den kargen Karawanken und zwar während des zweiten Weltkriegs. Der Vater wird zum Kriegsdienst in die Wehrmacht eingezogen, die Mutter wird vom lokalen Polizeichef verhaftet, in ein Lager verfrachtet und später dort vergast, die Großmutter stirbt auch noch in dieser Zeit, sodass Bostjan und sein jüngerer Bruder, der aber nicht weiter zur Sprache kommt, zunächst auf sich allein gestellt sind, bis der Vater aus dem Kriegsdienst nach Hause zurückkehrt. Er verlässt mit den beiden Jungen und einer neuen Lebensgefährtin die Einsamkeit der Berge und zieht ins Tal und in das Dorf hinunter, wo die Jungen schon zuvor auf Verständnisschwierigkeiten gestoßen waren, etwa als sie den örtlichen opportunistischen Polizeichef nach dem Verbleib der Mutter befragen wollten.
Neben der schroffen Natur und den harten Lebensumständen sind zwei Dinge in diesem Roman prägend: zum einen ist dies das entbehrungsreiche Leben unter den dortigen strengen Glaubensvorschriften, Ritualen und Ansichten, zum anderen ist es die Liebe Bostjans zu Lina, der er immer einmal wieder im Wald und im Gottesdienst begegnet, aber zu der er sich zunächst weder zu sprechen traut noch war es ihm unter dem rigiden Moraldiktat möglich, irgendeine Beziehung zu ihr aufzunehmen. Sukzessive kommt Bostjans Unverständnis und Ärger über die Kirche und ihre Vorstellungen heraus, fast schon in Form einer Theodizee, was angesichts der prägenden Auswirkungen der Kirche auf seine Familie und seine Kindheit ein gewaltiger Schritt für ihn ist, allerdings verständlich angesichts der erlittenen Verluste. Die Bostjan in den Mund gelegten zynischen Ausführungen über die Verlogenheit der Hochzeitszeremonie und der späteren Feierlichkeiten bei der erneuten Trauung des Vaters offenbaren das gewaltige Sprachpotenzial des Autors und man hätte sich viel mehr Kraftvolles wie das gewünscht und nicht so sehr die vielen Naturbeschreibungen.
Nachdem Lina nicht bei der Trauung des Vaters erschienen ist, fasst sich Bostjan ein Herz und geht noch nachts zu ihrem Haus, klopft dort an ihr Fenster, wird aber von ihrem streng gläubigen Vater verjagt. Nach diesem gescheiterten ersten Anlauf treffen sich die beiden aber letztendlich auf einem Feldweg und fortan im Geheimen bei einer Mühle und Bostjan schüttelt ab dann allen Schmerz und alles Leid von sich und beginnt zu leben, getragen von Liebe und nicht mehr gepeinigt von Angst und Schmerzen.
Trotz der sprachlichen Opulenz ist es ein düsterer, schwermütiger Roman, der bisweilen ein bisschen Überwindung zum Weiterlesen erfordert. Trotz allen Aufbegehrens und der am Ende doch erfüllten Liebe mag man sich als Leser nicht recht vorstellen, wie dieser junge Mensch unter diesen Umständen einmal ein glückliches und zukunftsträchtiges Leben führen soll.
geschrieben am 07.04.2013 | 453 Wörter | 2673 Zeichen
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