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Autor | Nick Hornby | |
Verlag | Penguin Books | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 256 | |
Erscheinungsjahr | 2009 | |
Extras | - |
Zu Beginn der Lektüre (des englischen Originals) war ich etwas befremdet: die Geschichte über eine leicht skurrile Fangemeinde eines amerikanischen Singer-Songwriters namens Tucker Crowe, der Mitte der 80er Jahre unter mysteriösen Umständen seine bis dahin nicht wirklich ertragreiche Karriere beendet hatte und sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte, klang zunächst wie eine bei englischsprachigen Autoren beliebte Fingerübung: man nehme einen relativ unbekannten Künstler, dieser wird von einem kunstbeflissenen Anhängen wider Erwarten aufgespürt und ein bis dahin gut gehütetes und Legenden bildendes Geheimnis wird (möglicherweise) aufgedeckt. Zum Glück: es kam anders. Der vermeintliche Anführer der Fangemeinde, Duncan, unternimmt mit seiner Lebensgefährtin Annie eine Reise durch die USA und zwar entlang der markanten Stationen, die die Karriere von Tucker Crowe geprägt haben, darunter der Ort, an dem er sein Dasein als Musiker an den Nagel hängte, das Haus einer besungenen Angebeten, Julie, die dem berühmtesten Album Crowes, Juliet, die Grundlage gab, und andere Plätze, die gemeinhin kein herkömmlicher Tourist jemals hätte finden wollen geschweige denn können. Annie ist jedoch mit der Beziehung zu Duncan unzufrieden und dies gipfelt darin, als sie zur unerwarteten Neuerscheinung eines Albums von Crowe, einer akustischen Version von Juliet, genannt Juliet, Naked, eine Meinung postuliert, die diametral entgegengesetzt zu der steht, die Duncan in das Forum der Fangemeinde gepostet hat. Duncan sieht die gemeinsame Basis dadurch beschädigt, begeht sogar einen Seitensprung, der, als er ihn beichtet, zur endgültigen Trennung führt. Das alles wäre als Gesellschaftsstudie schon interessant und durch die wunderschöne und metaphorische, selbst für nur gelegentlich englisch Lesende gut verständliche und doch komplexe Sprache Hornbys auch lesenswert. Aber er setzt natürlich noch einen drauf und offenbart Tucker Crowes wirkliches Leben. Dieser offenbar sich unter einem Pseudonym gegenüber Annie und ab da nehmen die Dinge einen regelrecht chaotischen Verlauf. Crowe muss sich auf einmal mit der Kollision zwischen seiner Künstleridentität und der Realität, aber auch mit seinen zahlreichen Verfehlungen als Ehepartner und vielfacher Vater auseinander setzen – von denen die Fangemeinde selbstverständlich nichts ahnt –, besucht sogar Annie in England und sieht sich auf einmal mit einem Vielfachen an menschlicher und künstlerischer Verantwortung konfrontiert, als mit der Menge, die er eigentlich zu ertragen bereit gewesen wäre. Das Ende muss natürlich offen bleiben, aber es kann durchaus verraten werden, dass Hornby ganz meisterhaft immer weitere Häutungen der Zwiebel namens Wahrheit vornimmt, ohne am Ende zu einer allgemeingültigen Lösung zu führen, dabei immer wieder Gesprächssequenzen und Situationsschilderungen einstreut, die regelrecht zum lauten Hinauslachen animieren, aber trotzdem die ganze menschliche, emotionale Tragik aller Beteiligten nicht unberücksichtigt lässt. In der Reihe der zahlreichen Hornby-Romane ist Juliet, Naked sicher nicht mein Lieblingsroman, aber er zeigt bei einem scheinbar langweiligen Thema sein ganzes Können und der Leser muss sich immer wieder dazu bekennen, vorschnelle Schlüsse gezogen zu haben, die im Laufe der Geschichte widerlegt werden.
geschrieben am 04.09.2014 | 462 Wörter | 2913 Zeichen
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