ISBN | 3552062580 | |
Autor | Michael Viewegh | |
Verlag | Deuticke | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 320 | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Extras | - |
Manchmal ist die RealitĂ€t die bessere Fiktion - so jedenfalls wirkt es, wenn man Michal Vieweghs Roman âDie Mafia in Pragâ zu Ende gelesen hat. Denn zum einen berichtet der Autor im Nachwort davon, dass er sich durchaus von realen Figuren und VorgĂ€ngen hat inspirieren lassen, zum anderen wird im Klappentext des Buches - ohne dass es hier als wahr oder falsch nachgewiesen werden kann - darauf verwiesen, dass sich kurz nach Erscheinen des Buches die echte tschechische Regierung mit Ă€hnlichen KorruptionsaffĂ€ren konfrontiert sah.
Worum geht es also? Im Fokus des Geschehens steht eine Zeitungsredaktion, einer der letzten aufrechten des Landes, so gewinnt man den Eindruck. Dort arbeitet Alexandr, genannt Sascha Lounsky, bzw. arbeitet sich an der politischen Lage in Tschechien mitsamt ihren Verflechtungen, AffĂ€ren und AbgrĂŒnden seit langem ab, ohne wirkliche Fortschritte zu erzielen. Hinzu kommen zunĂ€chst der Lobbyist Darek Balik, der eine Menge und damit zuviele Informationen ĂŒber die derzeit regierenden BĂŒrgermeister und Minister hat, sodass man beschlieĂt, ihn aus dem Zeugenschutzprogramm zu entlassen, ihm das Versteck seiner gesammelten Belastungsmaterialien zu entlocken und ihn anschlieĂend öffentlichkeitswirksam zu liquidieren. Daran Interesse haben der Innenminister, der stellvertretende Verteidigungsminister, die russische Mafia, die tschechische Mafia und eine weitere lokale UnterweltgröĂe namens Mort, die international bestens vernetzt ist und dem, so das geflĂŒgelte Wort, bald ganz Prag gehört. Weitere Akteure sind Marek Konwicki, der eigentlich nur Sportredakteur bei der Zeitung von Sascha werden will, dann aber rasch in die AufklĂ€rung der Balik-AffĂ€re und anderer krummer GeschĂ€fte hineingezogen wird, einer der letzten rechtschaffenen Polizisten von Prag, Radek Stanek, ein Killerkommando, eine Börsenmaklerin, die sich spĂ€ter als Baliks Tochter entpuppt und ein Oberst der Abteilung fĂŒr die BekĂ€mpfung des organisierten Verbrechens und diverse Beamte und Helfershelfer. Man könnte deshalb zunĂ€chst denken, dass die Geschichte höllisch kompliziert wird und man das Konglomerat aus Namen und Verstrickungen nicht verstehen können wird. Aber weit gefehlt: Durch kurz gehalten Kapitel, stete Perspektivwechsel und geschickte Ăberleitungen und Wiederholungen zieht Viewegh den Leser rasch in den Sog und den Bann der Geschichte, sodass man sich schon nach wenigen Seiten problemlos in der Story zurechtfindet und dem Spannungsbogen begierig folgen kann.
NatĂŒrlich sind alle Handlungen und Personen irgendwie miteinander verknĂŒpft, entweder aus der Vergangenheit her oder durch die Gegenwart, es entwickeln sich spannende, witzige und haarstrĂ€ubende Situationen und HandlungsstrĂ€nge. Viewegh schafft es noch wie nebenbei, ein Sitten- und Gesellschaftsbild der tschechischen Hauptstadt bzw. der politischen Elite zu entwerfen, natĂŒrlich fiktional ĂŒberzeichnet, aber dennoch mit dem Finger auf den wunden Punkten, denen man sich dann als Leser kaum entziehen kann und sich fragt, wie es so ein Land in die EU geschafft hat.
Der Kampf um das Wissen und das Leben Baliks wird erbittert gefĂŒhrt, diverse Showdowns werden gut vorbereitet, inszeniert und dann interessant aufgelöst. Und am Ende - dies kann verraten werden, ohne dass das Ergebnis vorweggenommen wĂ€re - siegt irgendwie das Gute, aber auch doch nicht. Eine erzĂ€hlerisch gut gewĂ€hlte Finte, die dem Gesamtimpetus des Romans bestens zu Gesicht steht. Insgesamt handelt es sich bei dem Roman um ein amĂŒsantes, kurzweiliges und empfehlenswertes Leseerlebnis, das das Genre Krimi mit einer besonderen Portion Witz verfeinert, ohne es ins Alberne zu ziehen.
geschrieben am 18.11.2014 | 515 Wörter | 3163 Zeichen
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