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Unter uns: Die Faszination des Steinkohlenbergbaus in Deutschland - Band 1


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Rezension von

Hiram Kümper

Unter uns: Die Faszination des Steinkohlenbergbaus in Deutschland - Band 1 2018 werden die letzten beiden Steinkohlezechen Deutschlands endgültig die Produktion einstellen. Dann ist ein Kapitel deutscher Industriegeschichte zu Ende. Aus diesem Anlass hat die Stiftung der Ruhrkohle-AG (RAG) ein dreibändiges Buchprojekt initiiert, das dem Steinkohlenbergbau ein Denkmal setzen soll. Die ersten beiden Bände sind nun im renommierten Münchener Beck-Verlag erschienen; der dritte Band soll 2017 folgen. Zwei schöne Bände sind es geworden. Ausgesprochen schön. Im Grunde: fast ein bißchen zu schön. Nicht umsonst ist der erste Band mit dem iF-Design Award ausgezeichnet worden. Der zweite steht ihm in dieser Hinsicht in nichts nach. Verantwortlich zeichnete für die Erarbeitung beider Bände die Hamburger Medien- und Marketingagentur Bissinger[+], die als eine ihrer Angebotssparten „corporate books“ im Programm führt. Und ein solches Produkt ist auch herausgekommen: Ein bißchen nostalgisch, ein bißchen stolz, vor allem aber sehr konfliktlos und hochglänzend wird sie beschrieben, die jüngere Geschichte des deutschen Bergbaus seit der Nachkriegszeit. Als Autoren fungieren zu einem großen Teil Zeitzeugen – insbesondere Mitglieder des RAG-Vorstandes respektive Personen aus dessen Umfeld. Ausgewählte Interviews mit Hauern, Gewerkschaftsmitgliedern und Maschinenleuten deuten an, dass auch die Perspektive der Belegschaften eine Rolle spiele, vermitteln aber ein auffällig harmonisch-nostalgisches Bild ohne die geringsten kritischen Untertöne. Ausgerechnet die beteiligten Wissenschaftler behandeln im Wesentlichen folkloristische Phänomene mit wenig Zündstoff wie Knappenchöre und Fußball sowie soziokulturelle Dimensionen wie Religiosität und Kunst. Dazwischen kommen immer wieder Promis zu Wort. Erstaunlich bleibt, wie häufig das Wort „Sozialverträglichkeit“ in allen seinen Flexionen und Schattierungen auftaucht – stets als erfüllte Aufgabe, nicht als drängende Forderung. Die Umweltbelastungen des Bergbaus werden im Wesentlichen als „Landschaftsveränderungen“ präsentiert, die man zwar „nicht, oder nur sehr bedingt, wieder rückgängig machen“ kann, die jetzt aber gerade deswegen auf einmal „regionale Wahrzeichen von topographischer Bedeutung“ geworden sind (Bd. 1, S. 123). Wasserbewirtschaftung ist der andere zentrale Bereich der nachbergbaulichen Phase – und kann sogar produktiv umgenutzt werden, wie im Essener Zollverein-Kubus, der über Wärmepumpen mit Grubenwasser beheizt wird. Also: alles lösbare Aufgaben, alles Chancen. Um es kurz zu machen: Die beiden wunderschön gesetzten und mit großartigen Fotografien ausgestatteten Bände sind im Wesentlichen eine Imagebroschüre in Hardcover, die das Zechensterben auf seiner allerletzten Etappe begleitet. Sie sind weder dumm noch gehaltlos und werden dem aufmerksamen, kritischen Leser manches zu bieten haben. Insbesondere der erste, technikgeschichtliche Band hat hier einiges zu bieten. Und natürlich braucht eine Region gerade in einer solchen Phase auch optimistische Erzählungen. Aber diese beiden Bände vermitteln ein gefährlich glattes, hochglänzendes Grundnarrativ. Das dürfte insbesondere bei den Betroffenen nicht nur Nostalgie, sondern mitunter auch ein wenig Bitterkeit hervorrufen.

2018 werden die letzten beiden Steinkohlezechen Deutschlands endgültig die Produktion einstellen. Dann ist ein Kapitel deutscher Industriegeschichte zu Ende. Aus diesem Anlass hat die Stiftung der Ruhrkohle-AG (RAG) ein dreibändiges Buchprojekt initiiert, das dem Steinkohlenbergbau ein Denkmal setzen soll. Die ersten beiden Bände sind nun im renommierten Münchener Beck-Verlag erschienen; der dritte Band soll 2017 folgen.

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Zwei schöne Bände sind es geworden. Ausgesprochen schön. Im Grunde: fast ein bißchen zu schön. Nicht umsonst ist der erste Band mit dem iF-Design Award ausgezeichnet worden. Der zweite steht ihm in dieser Hinsicht in nichts nach.

Verantwortlich zeichnete für die Erarbeitung beider Bände die Hamburger Medien- und Marketingagentur Bissinger[+], die als eine ihrer Angebotssparten „corporate books“ im Programm führt. Und ein solches Produkt ist auch herausgekommen: Ein bißchen nostalgisch, ein bißchen stolz, vor allem aber sehr konfliktlos und hochglänzend wird sie beschrieben, die jüngere Geschichte des deutschen Bergbaus seit der Nachkriegszeit.

Als Autoren fungieren zu einem großen Teil Zeitzeugen – insbesondere Mitglieder des RAG-Vorstandes respektive Personen aus dessen Umfeld. Ausgewählte Interviews mit Hauern, Gewerkschaftsmitgliedern und Maschinenleuten deuten an, dass auch die Perspektive der Belegschaften eine Rolle spiele, vermitteln aber ein auffällig harmonisch-nostalgisches Bild ohne die geringsten kritischen Untertöne. Ausgerechnet die beteiligten Wissenschaftler behandeln im Wesentlichen folkloristische Phänomene mit wenig Zündstoff wie Knappenchöre und Fußball sowie soziokulturelle Dimensionen wie Religiosität und Kunst. Dazwischen kommen immer wieder Promis zu Wort.

Erstaunlich bleibt, wie häufig das Wort „Sozialverträglichkeit“ in allen seinen Flexionen und Schattierungen auftaucht – stets als erfüllte Aufgabe, nicht als drängende Forderung. Die Umweltbelastungen des Bergbaus werden im Wesentlichen als „Landschaftsveränderungen“ präsentiert, die man zwar „nicht, oder nur sehr bedingt, wieder rückgängig machen“ kann, die jetzt aber gerade deswegen auf einmal „regionale Wahrzeichen von topographischer Bedeutung“ geworden sind (Bd. 1, S. 123). Wasserbewirtschaftung ist der andere zentrale Bereich der nachbergbaulichen Phase – und kann sogar produktiv umgenutzt werden, wie im Essener Zollverein-Kubus, der über Wärmepumpen mit Grubenwasser beheizt wird. Also: alles lösbare Aufgaben, alles Chancen.

Um es kurz zu machen: Die beiden wunderschön gesetzten und mit großartigen Fotografien ausgestatteten Bände sind im Wesentlichen eine Imagebroschüre in Hardcover, die das Zechensterben auf seiner allerletzten Etappe begleitet. Sie sind weder dumm noch gehaltlos und werden dem aufmerksamen, kritischen Leser manches zu bieten haben. Insbesondere der erste, technikgeschichtliche Band hat hier einiges zu bieten. Und natürlich braucht eine Region gerade in einer solchen Phase auch optimistische Erzählungen. Aber diese beiden Bände vermitteln ein gefährlich glattes, hochglänzendes Grundnarrativ. Das dürfte insbesondere bei den Betroffenen nicht nur Nostalgie, sondern mitunter auch ein wenig Bitterkeit hervorrufen.

geschrieben am 04.12.2016 | 416 Wörter | 2770 Zeichen

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