Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Schnellkurs Mittelalter


Statistiken
  • 6197 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Hiram Kümper

Schnellkurs Mittelalter Unter den vielen Kurzfassungen, Überblicken, Einführungen und anderen populären Schriften und Schriftchen, die dem viel zitierten „interessierten Laien“ das Mittelalter nahe zu bringen suchen ist der „Schnellkurs Mittelalter“ – das sei vorweg geschickt – eine wahre Freude. Mag der Effekt haschende Titel auch noch so abstruse Assoziationen wecken, sie sind unbegründet. Zunächst fällt ins Auge, was man vom Verlag DuMont zu erwarten geneigt sein wird: Bilder. Davon eine Menge und trotz der durchweg starken Verkleinerung noch immer in bestechender Qualität. Die Auswahl ist dabei durchaus abwechselungsreich: Neben Altbekanntem und dem deutschen Bildungsbürger längst ins kollektive Bildgedächtnis gebrannten Miniaturen und Illustrationen, wie Heinrichs Kniefall zu Canossa aus der Handschrift der Vaticana, Kaiser Friedrichs Falkenbuch, der Bilderhandschrift zu „Kaiser Heinrichs Romfahrt“ (freilich nicht die nun wirklich langsam überstrapazierte Kurfürstenszene!, S. 145) oder der Ebstorfer Weltkarte, finden sich auch Illustrationen weniger bekannter, aber nicht weniger wichtiger oder eindrucksvoller Handschriften (wie der Prachthandschrift der Goldenen Bulle für Karls Sohn Wenzel, S. 157), einiges an Bildmaterial zu Architektur und bildender Kunst sowie eine Reihe von trotz der starken Verkleinerung noch immer gut lesbaren Karten. Besonders betont werden müssen auch die sauberen Nachweise, die keine einzige Abbildung als bloße Illustration unkommentiert stehen lassen, und beinahe durchweg – eine Ausnahme bildet leider besagte Wenzel-Handschrift – Verweise auf den heutigen Aufbewahrungsort der Handschrift oder der abgebildeten Realie beigeben. In vielen ähnlich gelagerten Darstellungen, auch von „praktizierenden“ Fachwissenschaftlern, ist das längst nicht mehr selbstverständlich. Aber auch DuMont heißt nicht nur „Bilder“. Auf dem beschränkten Raum von nicht einmal 200 reich bebilderten Seiten unternimmt der Vf. einen Parforceritt von den germanischen Ursprüngen durch die Geschichte des römisch-deutschen Reiches bis zu Kaiser Maximilian I. Neben vielen, separat hervorgehobenen Exkursen zu zentralen Schlüsselbegriffen, -ereignissen und -dokumenten erzählt Neumann weitgehend chronologisch in klarem, verständlichem Stil ohne den Habitus schulmeisterischer Belehrungen. Obschon er dabei auf den Kolorit der Anekdote und die Ästhetik der großen Erzählung verzichtet, bleibt die Darstellung flüssig und ohne Anstrengungen lesbar. Das mag den einen oder anderen wundern, denn was der Vf. uns hier serviert, ist ja im Grunde nichts weiter als staubigste Ereignis- und Strukturgeschichte; eine Darstellungsform, die seit Jahrzehnten und natürlich auch mit einigem Recht nicht nur von Seiten der Schuldidaktik vehement attackiert wird. Dennoch bereitet aber vielleicht auch gerade deshalb Neumanns Bändchen eine gewisse wohltuende Zufriedenheit, denn nach all den Kultur-, Alltags- und Mentalitätsgeschichten und -geschichtchen, die dem Mittelalterinteressierten „die Welt des Mittelalters“ versprechen und doch nur ziemlich bunte Schlaglichter auf eine terra incognita werfen, tut ein wenig klar strukturiertes Orientierungswissen gut, ohne das das gar nicht so spektakuläre Spektakel mittelalterlicher Gesellschaften, das uns bis heute fasziniert, nur schwer zu greifen sein mag. Neumann bringt Überblickswissen mit vielen Aussparungen, über deren Auswahl man im Einzelnen natürlich trefflich wird streiten können. Solcher Streit ist müßig! Das wirklich Wertvolle dieser Darstellung bleibt, gerade im Vergleich mit ähnlichen Bänden der letzten Jahre, eines: Sie ist anbindungsfähig. Der „Schnellkurs“ vermittelt in der Tat strukturiertes und selbständig ausbaubares Wissen. Wer sich mit dem Vermittelten zufrieden geben mag, kann das guten Gewissens tun, wer Lust auf mehr hat, ist anständig gerüstet für tiefergehende Lektüre. Bemerkenswert ist schließlich auch der Rahmen, in den der Vf. seine Darstellung bettet: „Sein“ Mittelalter ist eingeschrieben in die Kultur der Moderne – und das mit gutem Grund. Dass beide Epochen sich zur gegenseitigen Vergewisserung geradehin brauchen, ein Mittelalter ohne Moderne genauso wenig denkbar wie eine Moderne ohne Mittelalter sei, ist in den letzten Jahren von fachwissenschaftlicher Seite verschiedentlich betont worden. Selbstverständlich schlichter, aber dadurch nicht weniger richtig und wichtig ist die Einbettung bei Neumann, der die Bandbreite der Mittelalterreferenzen unserer Gegenwartskultur von Wagnerkitsch über pseudomittelalterliche Jux-Spectacula bis zu den Kreuzzugsreden der Bush-Regierung anreißt. Ein Register, ein Glossar ausgesuchter Fachbegriffe und eine knappe Auswahlbibliographie weitergehender Überblicksdarstellungen zu einzelnen Teilepochen und Themenschwerpunkten runden den Band ab zu dem, als das er anfangs apostrophiert wurde: eine Freude.

Unter den vielen Kurzfassungen, Überblicken, Einführungen und anderen populären Schriften und Schriftchen, die dem viel zitierten „interessierten Laien“ das Mittelalter nahe zu bringen suchen ist der „Schnellkurs Mittelalter“ – das sei vorweg geschickt – eine wahre Freude. Mag der Effekt haschende Titel auch noch so abstruse Assoziationen wecken, sie sind unbegründet.

weitere Rezensionen von Hiram Kümper


Zunächst fällt ins Auge, was man vom Verlag DuMont zu erwarten geneigt sein wird: Bilder. Davon eine Menge und trotz der durchweg starken Verkleinerung noch immer in bestechender Qualität. Die Auswahl ist dabei durchaus abwechselungsreich: Neben Altbekanntem und dem deutschen Bildungsbürger längst ins kollektive Bildgedächtnis gebrannten Miniaturen und Illustrationen, wie Heinrichs Kniefall zu Canossa aus der Handschrift der Vaticana, Kaiser Friedrichs Falkenbuch, der Bilderhandschrift zu „Kaiser Heinrichs Romfahrt“ (freilich nicht die nun wirklich langsam überstrapazierte Kurfürstenszene!, S. 145) oder der Ebstorfer Weltkarte, finden sich auch Illustrationen weniger bekannter, aber nicht weniger wichtiger oder eindrucksvoller Handschriften (wie der Prachthandschrift der Goldenen Bulle für Karls Sohn Wenzel, S. 157), einiges an Bildmaterial zu Architektur und bildender Kunst sowie eine Reihe von trotz der starken Verkleinerung noch immer gut lesbaren Karten. Besonders betont werden müssen auch die sauberen Nachweise, die keine einzige Abbildung als bloße Illustration unkommentiert stehen lassen, und beinahe durchweg – eine Ausnahme bildet leider besagte Wenzel-Handschrift – Verweise auf den heutigen Aufbewahrungsort der Handschrift oder der abgebildeten Realie beigeben. In vielen ähnlich gelagerten Darstellungen, auch von „praktizierenden“ Fachwissenschaftlern, ist das längst nicht mehr selbstverständlich.

Aber auch DuMont heißt nicht nur „Bilder“. Auf dem beschränkten Raum von nicht einmal 200 reich bebilderten Seiten unternimmt der Vf. einen Parforceritt von den germanischen Ursprüngen durch die Geschichte des römisch-deutschen Reiches bis zu Kaiser Maximilian I. Neben vielen, separat hervorgehobenen Exkursen zu zentralen Schlüsselbegriffen, -ereignissen und -dokumenten erzählt Neumann weitgehend chronologisch in klarem, verständlichem Stil ohne den Habitus schulmeisterischer Belehrungen. Obschon er dabei auf den Kolorit der Anekdote und die Ästhetik der großen Erzählung verzichtet, bleibt die Darstellung flüssig und ohne Anstrengungen lesbar. Das mag den einen oder anderen wundern, denn was der Vf. uns hier serviert, ist ja im Grunde nichts weiter als staubigste Ereignis- und Strukturgeschichte; eine Darstellungsform, die seit Jahrzehnten und natürlich auch mit einigem Recht nicht nur von Seiten der Schuldidaktik vehement attackiert wird. Dennoch bereitet aber vielleicht auch gerade deshalb Neumanns Bändchen eine gewisse wohltuende Zufriedenheit, denn nach all den Kultur-, Alltags- und Mentalitätsgeschichten und -geschichtchen, die dem Mittelalterinteressierten „die Welt des Mittelalters“ versprechen und doch nur ziemlich bunte Schlaglichter auf eine terra incognita werfen, tut ein wenig klar strukturiertes Orientierungswissen gut, ohne das das gar nicht so spektakuläre Spektakel mittelalterlicher Gesellschaften, das uns bis heute fasziniert, nur schwer zu greifen sein mag. Neumann bringt Überblickswissen mit vielen Aussparungen, über deren Auswahl man im Einzelnen natürlich trefflich wird streiten können. Solcher Streit ist müßig! Das wirklich Wertvolle dieser Darstellung bleibt, gerade im Vergleich mit ähnlichen Bänden der letzten Jahre, eines: Sie ist anbindungsfähig. Der „Schnellkurs“ vermittelt in der Tat strukturiertes und selbständig ausbaubares Wissen. Wer sich mit dem Vermittelten zufrieden geben mag, kann das guten Gewissens tun, wer Lust auf mehr hat, ist anständig gerüstet für tiefergehende Lektüre.

Bemerkenswert ist schließlich auch der Rahmen, in den der Vf. seine Darstellung bettet: „Sein“ Mittelalter ist eingeschrieben in die Kultur der Moderne – und das mit gutem Grund. Dass beide Epochen sich zur gegenseitigen Vergewisserung geradehin brauchen, ein Mittelalter ohne Moderne genauso wenig denkbar wie eine Moderne ohne Mittelalter sei, ist in den letzten Jahren von fachwissenschaftlicher Seite verschiedentlich betont worden. Selbstverständlich schlichter, aber dadurch nicht weniger richtig und wichtig ist die Einbettung bei Neumann, der die Bandbreite der Mittelalterreferenzen unserer Gegenwartskultur von Wagnerkitsch über pseudomittelalterliche Jux-Spectacula bis zu den Kreuzzugsreden der Bush-Regierung anreißt.

Ein Register, ein Glossar ausgesuchter Fachbegriffe und eine knappe Auswahlbibliographie weitergehender Überblicksdarstellungen zu einzelnen Teilepochen und Themenschwerpunkten runden den Band ab zu dem, als das er anfangs apostrophiert wurde: eine Freude.

geschrieben am 06.10.2006 | 635 Wörter | 4202 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen