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Die 70er Jahre – Republik im Aufbruch


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Rezension von

Benjamin Städter

Die 70er Jahre – Republik im Aufbruch "Das Bild als Zeitzeuge“ offenbart dem Betrachter auf einzigartige Weise einen Einblick in die Kultur vergangener Epochen. Bilder können dem Historiker nicht nur Hilfestellungen bei der Rekonstruktion des historisch Geschehenen leisten, sondern geben vielmehr Kunde darüber, wie der Zeitgenosse die Vergangenheit erfuhr. Einen solchen zeitgenössischen Blick auf die Historie präsentiert uns der Historiker Edgar Wolfrum in seiner mehrbändigen Bildergeschichte der Bundesrepublik, in der er die Ikonen der einzelnen Jahrzehnte bundesrepublikanischer Geschichte versammelt. Der dritte Band der Reihe, der sich mit den 70er Jahren beschäftigt, trägt den Titel „Republik im Aufbruch“. Hiermit leistet Wolfrum gleich in doppelter Weise Pionierarbeit: Einerseits betritt der Autor mit seiner visuellen Zeitgeschichte Neuland, anderseits steht die tiefgehende historische Untersuchung des so genannten ‚roten Jahrzehnts’ gerade erst an ihrem Anfang. Die rund 100 Fotografien, die dem Archiv der deutschen Presseagentur entstammen, sortiert Wolfrum wie schon in den vorherigen Bänden in die einzelnen Kapitel Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft und Gesellschaft & Kultur ein. Wohl kaum ein Ereignis in Deutschland dokumentiert Freuden, Ängste und Hoffnungen der „erwachsen gewordenen zweiten deutschen Demokratie“ (S.9) so wie die Olympischen Spiele in München. Die von Wolfrum zusammengestellten Fotografien lassen Olympia 1972 als demonstrativen Gegenentwurf zur faschistischen Olympiaästhetik einer Leni Riefenstahl von 1936 erscheinen. Bilder des futuristisch anmutenden Olympiastadions oder der farbenfrohen Eröffnungsfeier visualisieren eindrücklich den Versuch, die Bundesrepublik als weltoffene, liberale Demokratie ins Licht der Weltöffentlichkeit zu setzen (S.18). Gleichzeitig wurden die Bilder der Olympischen Spiele aber auch zu Ikonen für ein Jahrzehnt der terroristischen Gefahr: Die Fotografien der mit Strumpfmasken vermummten palästinensischen Terroristen und des missglückten Versuchs der Befreiung der israelischen Olympioniken (S.20f.) erscheinen im Rückblick als Vorboten der allzu bekannten Bilder des deutschen Herbstes von 1977 (S.46). In der Außenpolitik setzt Wolfrum den Fokus auf Bilder der sozialliberalen Ostpolitik, die sowohl in Brandts Kniefall von Warschau (S.48), als auch in den heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen über den Versuch des „Wandels durch Annäherung“ (S.32-37) ihren Ausdruck findet. Mit dem Blick auf die Kultur der 70er Jahre legt Wolfrum eine Interpretation nahe, die die Modernisierungsschübe der 1960er Jahren fortgeschrieben sieht. Neben den Größen der Fernsehunterhaltung wie Rudi Carrell oder Hans-Joachim Kulenkampff (S.114) wurden dabei vor allem populäre linksliberale Nonkonformisten wie Heinrich Böll (S.118) oder Alice Schwarzer (S. 26) zum Antrieb kultureller Entwicklung. So gelingt es Wolfrum auch in diesem Band, einen bunten Strauß von bekannten und weniger bekannten Bildern des Jahrzehnts zu versammeln. Dass dabei die Interpretationsansätze etwas vager bleiben als in den vorherigen Bänden, mag dem bereits angesprochenem Faktum geschuldet sein, dass die historische Tiefenanalyse des sozialliberalen Jahrzehnts erst am Anfang steht. So bleibt es dem Leser stellenweise selbst überlassen, den einen oder mehrere rote Fäden zu finden, die sich durch die zahlreichen visuellen Zeugnisse ziehen.

"Das Bild als Zeitzeuge“ offenbart dem Betrachter auf einzigartige Weise einen Einblick in die Kultur vergangener Epochen. Bilder können dem Historiker nicht nur Hilfestellungen bei der Rekonstruktion des historisch Geschehenen leisten, sondern geben vielmehr Kunde darüber, wie der Zeitgenosse die Vergangenheit erfuhr. Einen solchen zeitgenössischen Blick auf die Historie präsentiert uns der Historiker Edgar Wolfrum in seiner mehrbändigen Bildergeschichte der Bundesrepublik, in der er die Ikonen der einzelnen Jahrzehnte bundesrepublikanischer Geschichte versammelt.

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Der dritte Band der Reihe, der sich mit den 70er Jahren beschäftigt, trägt den Titel „Republik im Aufbruch“. Hiermit leistet Wolfrum gleich in doppelter Weise Pionierarbeit: Einerseits betritt der Autor mit seiner visuellen Zeitgeschichte Neuland, anderseits steht die tiefgehende historische Untersuchung des so genannten ‚roten Jahrzehnts’ gerade erst an ihrem Anfang. Die rund 100 Fotografien, die dem Archiv der deutschen Presseagentur entstammen, sortiert Wolfrum wie schon in den vorherigen Bänden in die einzelnen Kapitel Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft und Gesellschaft & Kultur ein.

Wohl kaum ein Ereignis in Deutschland dokumentiert Freuden, Ängste und Hoffnungen der „erwachsen gewordenen zweiten deutschen Demokratie“ (S.9) so wie die Olympischen Spiele in München. Die von Wolfrum zusammengestellten Fotografien lassen Olympia 1972 als demonstrativen Gegenentwurf zur faschistischen Olympiaästhetik einer Leni Riefenstahl von 1936 erscheinen. Bilder des futuristisch anmutenden Olympiastadions oder der farbenfrohen Eröffnungsfeier visualisieren eindrücklich den Versuch, die Bundesrepublik als weltoffene, liberale Demokratie ins Licht der Weltöffentlichkeit zu setzen (S.18). Gleichzeitig wurden die Bilder der Olympischen Spiele aber auch zu Ikonen für ein Jahrzehnt der terroristischen Gefahr: Die Fotografien der mit Strumpfmasken vermummten palästinensischen Terroristen und des missglückten Versuchs der Befreiung der israelischen Olympioniken (S.20f.) erscheinen im Rückblick als Vorboten der allzu bekannten Bilder des deutschen Herbstes von 1977 (S.46).

In der Außenpolitik setzt Wolfrum den Fokus auf Bilder der sozialliberalen Ostpolitik, die sowohl in Brandts Kniefall von Warschau (S.48), als auch in den heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen über den Versuch des „Wandels durch Annäherung“ (S.32-37) ihren Ausdruck findet. Mit dem Blick auf die Kultur der 70er Jahre legt Wolfrum eine Interpretation nahe, die die Modernisierungsschübe der 1960er Jahren fortgeschrieben sieht. Neben den Größen der Fernsehunterhaltung wie Rudi Carrell oder Hans-Joachim Kulenkampff (S.114) wurden dabei vor allem populäre linksliberale Nonkonformisten wie Heinrich Böll (S.118) oder Alice Schwarzer (S. 26) zum Antrieb kultureller Entwicklung.

So gelingt es Wolfrum auch in diesem Band, einen bunten Strauß von bekannten und weniger bekannten Bildern des Jahrzehnts zu versammeln. Dass dabei die Interpretationsansätze etwas vager bleiben als in den vorherigen Bänden, mag dem bereits angesprochenem Faktum geschuldet sein, dass die historische Tiefenanalyse des sozialliberalen Jahrzehnts erst am Anfang steht. So bleibt es dem Leser stellenweise selbst überlassen, den einen oder mehrere rote Fäden zu finden, die sich durch die zahlreichen visuellen Zeugnisse ziehen.

geschrieben am 26.11.2007 | 441 Wörter | 2978 Zeichen

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