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Aufgewachsen in der DDR - Wir vom Jahrgang 1938


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Rezension von

Benjamin Städter

Aufgewachsen in der DDR - Wir vom Jahrgang 1938 Runde Geburtstage lenken den Blick unwillkürlich zurück auf das bisher Erlebte. Man schaut auf das, was man geleistet hat, und ordnet den eigenen Lebensweg in die kollektiven Erinnerungen seiner Umgebung ein. Den Wunsch nach Rückblick und Verknüpfung des eigenen Schicksals mit den größeren Zusammenhängen hat indes der deutsche Büchermarkt längst erkannt und so lässt sich die Reihe des Wartberg Verlags, aus der der hier vorzustellende Bildband stammt, in eine lange Liste von „Erinnerungs-Publikationen“ einbetten, die zumeist mit einer Vielzahl historischer Bilddokumente aufwarten. Der Band „Wir vom Jahrgang 1938. Kindheit und Jugend. Aufgewachsen in der DDR“ von Ingeborg Rechlin blickt zurück auf die Zeit zwischen Zweitem Weltkrieg und dem ersten Jahrzehnt des ostdeutschen Staates. Er kommt rechtzeitig zum 70. Geburtstag der Generation der 1938 Geborenen und ist augenscheinlich als Präsent für diesen Anlass konzipiert. Rechlins Band, der die Geschichte der 1940er und 1950er Jahre in chronologischer Abfolge illustriert, bietet eine Mixtur aus persönlichen Texten und einer Vielzahl von privat anmutenden Fotografien, die etwa einen stolzen jungen Mann im Konfirmationsanzug, eine Gruppe von fünf Kindern bei der „Körperertüchtigung“ oder eine junge Familie beim Badespaß zeigen. Zur Einordnung des Persönlichen in die Zusammenhänge von Politik und Öffentlichkeit dienen kleinere Infoboxen, die kurz über ausgewählte historische Ereignisse berichten. Nun ist ein Präsentband sicher nicht der Ort, an dem man präzise historische Informationen über die Geschichte Ostdeutschlands erwarten kann. Doch verleitet die Auswahl von Fotografien und Texten unweigerlich zu manchem Kopfschütteln: So scheint sich der Mythos von Hitlers Vision des Autobahnbaus, mit der in den 1930er Jahren die Massenarbeitslosigkeit erfolgreich bekämpft werden konnte, immer noch einer nicht nachlassenden Beliebtheit zu erfreuen: Mit dem lapidaren Kommentar „1936 wurde eine neue Autobahnstrecke bei Chorin, heute Kreis Barnim, fertiggestellt“ präsentiert das Buch eine Fotografie, die sich ganz an den Propagandaaufnahmen der Nationalsozialisten orientiert: Winkende Menschen säumen den Straßenrand und begrüßen die Kolonne der mit Hakenkreuzen geschmückten LKW. Die Infobox „Wirtschaft im Aufwind“ informiert den Leser, dass „mit Reformen zur Arbeitsbeschaffung, vor allen Dingen in der Bauindustrie (Reichsautobahn) [...] und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht (1936) in den kommenden Jahren quasi eine Vollbeschäftigung erreicht wurde.“ Dabei ist es in der historischen Forschung längst eine Binsenweisheit, dass der massive Abbau der Arbeitslosen eben nicht dem Autobahnbau geschuldet war (der beschäftigte auf seinem Höhepunkt kurzzeitig etwa 200.000 Arbeiter, ab 1938 nur noch ein paar Zehntausend), sondern vielmehr der sich nach einer langen Wirtschaftskrise erholenden Weltwirtschaft. Auch in der thematischen Auswahl der Bilder folgt der Band ganz dem Narrativen und den Bildwelten der Zeit: Die die deutsche Opfergemeinschaft stiftenden Fotografien der zerstörten deutschen Städte finden reichlich Raum („Ausgebombt“, „Bombenhagel auf deutsche Städte“, „Dresden wird zerstört“, „Trümmerfrauen“). Fotografien der befreiten Konzentrationslager, Sinnbild für die Exzesse eines mörderischen Rassenwahns, finden hingegen keinen Platz. Fazit: Wer die Vergangenheit noch einmal so vorgelegt bekommen möchte, wie sie schon zeitgenössisch präsentiert wurde, ist mit dem Band Rechlins gut bedient. Wer jedoch ein differenziertes Panorama von Bildern wünscht, das nicht nur den Blick der damals Herrschenden reproduziert, sollte hier nicht zugreifen.

Runde Geburtstage lenken den Blick unwillkürlich zurück auf das bisher Erlebte. Man schaut auf das, was man geleistet hat, und ordnet den eigenen Lebensweg in die kollektiven Erinnerungen seiner Umgebung ein. Den Wunsch nach Rückblick und Verknüpfung des eigenen Schicksals mit den größeren Zusammenhängen hat indes der deutsche Büchermarkt längst erkannt und so lässt sich die Reihe des Wartberg Verlags, aus der der hier vorzustellende Bildband stammt, in eine lange Liste von „Erinnerungs-Publikationen“ einbetten, die zumeist mit einer Vielzahl historischer Bilddokumente aufwarten.

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Der Band „Wir vom Jahrgang 1938. Kindheit und Jugend. Aufgewachsen in der DDR“ von Ingeborg Rechlin blickt zurück auf die Zeit zwischen Zweitem Weltkrieg und dem ersten Jahrzehnt des ostdeutschen Staates. Er kommt rechtzeitig zum 70. Geburtstag der Generation der 1938 Geborenen und ist augenscheinlich als Präsent für diesen Anlass konzipiert. Rechlins Band, der die Geschichte der 1940er und 1950er Jahre in chronologischer Abfolge illustriert, bietet eine Mixtur aus persönlichen Texten und einer Vielzahl von privat anmutenden Fotografien, die etwa einen stolzen jungen Mann im Konfirmationsanzug, eine Gruppe von fünf Kindern bei der „Körperertüchtigung“ oder eine junge Familie beim Badespaß zeigen. Zur Einordnung des Persönlichen in die Zusammenhänge von Politik und Öffentlichkeit dienen kleinere Infoboxen, die kurz über ausgewählte historische Ereignisse berichten.

Nun ist ein Präsentband sicher nicht der Ort, an dem man präzise historische Informationen über die Geschichte Ostdeutschlands erwarten kann. Doch verleitet die Auswahl von Fotografien und Texten unweigerlich zu manchem Kopfschütteln: So scheint sich der Mythos von Hitlers Vision des Autobahnbaus, mit der in den 1930er Jahren die Massenarbeitslosigkeit erfolgreich bekämpft werden konnte, immer noch einer nicht nachlassenden Beliebtheit zu erfreuen: Mit dem lapidaren Kommentar „1936 wurde eine neue Autobahnstrecke bei Chorin, heute Kreis Barnim, fertiggestellt“ präsentiert das Buch eine Fotografie, die sich ganz an den Propagandaaufnahmen der Nationalsozialisten orientiert: Winkende Menschen säumen den Straßenrand und begrüßen die Kolonne der mit Hakenkreuzen geschmückten LKW. Die Infobox „Wirtschaft im Aufwind“ informiert den Leser, dass „mit Reformen zur Arbeitsbeschaffung, vor allen Dingen in der Bauindustrie (Reichsautobahn) [...] und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht (1936) in den kommenden Jahren quasi eine Vollbeschäftigung erreicht wurde.“ Dabei ist es in der historischen Forschung längst eine Binsenweisheit, dass der massive Abbau der Arbeitslosen eben nicht dem Autobahnbau geschuldet war (der beschäftigte auf seinem Höhepunkt kurzzeitig etwa 200.000 Arbeiter, ab 1938 nur noch ein paar Zehntausend), sondern vielmehr der sich nach einer langen Wirtschaftskrise erholenden Weltwirtschaft. Auch in der thematischen Auswahl der Bilder folgt der Band ganz dem Narrativen und den Bildwelten der Zeit: Die die deutsche Opfergemeinschaft stiftenden Fotografien der zerstörten deutschen Städte finden reichlich Raum („Ausgebombt“, „Bombenhagel auf deutsche Städte“, „Dresden wird zerstört“, „Trümmerfrauen“). Fotografien der befreiten Konzentrationslager, Sinnbild für die Exzesse eines mörderischen Rassenwahns, finden hingegen keinen Platz.

Fazit: Wer die Vergangenheit noch einmal so vorgelegt bekommen möchte, wie sie schon zeitgenössisch präsentiert wurde, ist mit dem Band Rechlins gut bedient. Wer jedoch ein differenziertes Panorama von Bildern wünscht, das nicht nur den Blick der damals Herrschenden reproduziert, sollte hier nicht zugreifen.

geschrieben am 08.12.2008 | 492 Wörter | 3154 Zeichen

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