ISBN | 3442542405 | |
Autor | Wladimir Kaminer | |
Verlag | Goldmann | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 260 | |
Erscheinungsjahr | 2007 | |
Extras | - |
Ein Reiseführer der besonderen Art – interessant, hilfreich und durchaus geeignet für Kurztrips oder auch längere Aufenthalte in DER STADT – BERLIN.
In diesem „Reiseführer für faule Touristen“ wird Berlin aus einer nicht nur dem Massentourismus geweihten Perspektive betrachtet, sondern im Detail liegt hier das Besondere - aus Sicht eines nicht waschechten Berliners. Der Ur-Berliner in seiner eigentlichen Form liebt seine Stadt bedingungslos, aber auch der Autor Wladimir Kaminer hat viel für seine neue Heimatstadt (seit 1990) übrig. „ … Berlin bindet …“
Gekonnt und mit besonderem Stil führt er durch verschiedene Bereiche der Stadt – Geschichte, Großereignisse, Dialekt, Gastronomie, Kultur, Mode, Wirtschaft, Hochzeiten, Aberglaube, Visionen – nicht in dieser einem Reiseführer üblichen Form, sondern intelligent und witzig beschrieben, mit besonderen Tipps, gespickt mit persönlich Erlebtem.
„Als Ausgehtipp möchte ich Ihnen den Alexanderplatz empfehlen, besonders das Polizeipräsidium dahinter …die kleinste Schwulenkneipe Berlins – die Besenkammer …“ Kaminer hat den Blick für das Globale und auch den Blick für das gewisse Etwas, dass diese tolle Stadt auszeichnet. Es geht um beide Seiten von Berlin, noch immer um Ost und West. Es geht um die Fahrt nach Gießen – „ … die heute als lächerlich erscheint.“, es geht um Altes (Teufelsberge, Teufelsseen) und Neues (Kinderbauernhöfe) und natürlich um den Dialekt, reduziert auf das Wesentliche: „ Wenn sich hier zwei alte Freunde treffen, sagt der eine: „Na?“ … ins Deutsche übersetzt, bedeutet das: „Guten Tag alter Schwede, wir haben uns aber lange nicht gesehen! Was macht die Frau, das Kind. Der Hund? Wie geht es deiner Oma?“ “
Shoppen in Berlin – „Berlin war einmal die deutsche Modestadt, … “ – schwierig derzeit. Es gibt Bestrebungen, namhafte Designer wieder zu etablieren. Shopping-Center sprießen wie Pilze aus dem Boden, gewollt? Ist das die Mode, die Berlin auszeichnet? Die Gastronomie Berlins, die traditionelle deutsche Küche, wird für eine „Touristenattraktion“ gehalten. „In immer neuen Schüben kommen sie angerollt und wollen sich mit einer Portion Eisbein fotografieren lassen.“
Kneipen, wie bspw. der „Zwiebelfisch“, sind beschrieben als Anlaufstelle für schöpferische Köpfe und noch nicht geplagt von touristischen Massenanstürmen – eine persönlichere, intimere Atmosphäre. Das Niveau der Kultur, das leiseste und lauteste Theater Berlins, die Bildungssysteme (demokratisch oder auch nicht), Christopher-Street-Days-Partys: Alles genau betrachtet und teils verglichen mit der eigentlichen Heimat Kaminers – der totalitären Sowjetunion. Freizeit in Berlin – klar, Fußball und Hockey – in Abhängigkeit vom Wohnort (Ost, West) organisierte Fangruppen, Rivalitäten nicht ausgeschlossen. Kaufmännische Geschicke sind immer gefragt – handeln und feilschen – „ …jemand, der dort nicht handelt, beleidigt den Verkäufer.“ Es geht um die Kriminalität, um die vielen Schwärme der Touristen (und ihre Auswirkungen), um die Ökonomie der Stadt, um die kleinste Minderheit und um bspw. Berlin als Arbeiterstadt.
Ein wirklich originelles Buch, facettenreich, durchsetzt mit Wortwitz – eine genüssliche Mischung. Leicht zu lesende, flüssige Art des Beschreibens, mit gut platziertem, berliner Vokabular.
Die Figuren, ob Berliner oder nicht, authentisch und durchaus immer mit einem Lächeln auf den Lippen zu betrachten. Cover ist originell – wie der Berliner Bär – und lässt eigentlich ein besonderes Stück Literatur – einen sehr besonderen Reiseführer – vermuten.
Empfehlenswert!
Eine wirklich imposante Lektüre für zwischendurch oder auch gezielt, für Berliner und Nichtberliner, für reisefreudige Menschen oder solche, die es werden wollen – Berlin einfach einmal anders!
geschrieben am 17.01.2009 | 537 Wörter | 3355 Zeichen
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