ISBN | 3866504888 | |
Herausgeber | Rüdiger Steinmetz , Reinhold Viehoff | |
Verlag | Verlag für Berlin-Brandenburg | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 607 | |
Erscheinungsjahr | 2008 | |
Extras | - |
Als sich die DDR 1990 auflöste, verschwand mit ihr auch die Institution des DDR-Fernsehens. Ăbrig blieben jedoch einzelne Teile ihres Programms, die sich auch im wiedervereinigten Deutschland groĂer Beliebtheit erfreuten und fĂŒr viele Zuschauer die Erinnerung an ihre DDR-Vergangenheit wach hielten. In der bisherigen Erforschung des DDR-Fernsehens versuchte man, die Programme vornehmlich als reine Verlautbarungsorgane ideologischer und politischer Indoktrination in den Blick zu nehmen. Das vielschichtige WechselverhĂ€ltnis zwischen politischer GĂ€ngelung, medienĂ€sthetischen Eigenlogiken und Medienaneignung konnte dabei oftmals nur kursorisch erfasst werden.
Die DFG-Forschergruppe âProgrammgeschichte des DDR-Fernsehens komparativâ um den Leipziger RĂŒdiger Steinmetz und Hallenser Reinhold Viehoff hat nun nach sechsjĂ€hrigen Forschungen eine Abschlusspublikation vorgelegt, in der die Programmgeschichte des DDR-Fernsehens eben nicht mehr nur im Hinblick auf ihre organisatorischen Strukturen oder Ă€sthetischen Konzepte hin untersucht wird. Vielmehr geht es den knapp 35 Medienwissenschaftlern und Historikern um die enge Verzahnung herrschafts- und medienhistorischer PrĂ€missen, die die Einbettung verschiedener Sendungstypen in parteipolitische Herrschaftsvorstellungen ebenso ermöglichen wie medienĂ€sthetische Herangehensweisen. Um diese AnsprĂŒche umzusetzen, wĂ€hlen die Autoren einen streng chronologischen Weg durch die Programmgeschichte des DDR-Fernsehens, der sich in insgesamt sechs Phasen von 1952 bis 1991 gliedert und vornehmlich unterhaltende Genres in den Blick nimmt. Vorteile dieser Vorgehensweise sind sicherlich in der Etablierung einer anerkannten Periodisierung der DDR-Mediengeschichte zu sehen, die zukĂŒnftig wohl kaum an dem hier vorgegebenen Phasenmodell vorbeikommen wird. Der Eindruck einer etwas bemĂŒhten Chronologie, die immer wieder zwischen Genres wie etwa der Kinder-, Familien und Sportsendungen oder den Musik-, Dokumentar- und Serien-Formaten hin und her springen muss, lĂ€sst sich dabei allerdings kaum verbergen.
Deutlich wird in allen Kapiteln, dass die DDR-Fernsehgeschichte immer auch im Kontext einer gesamtdeutschen Geschichte gesehen werden muss. In einem âkontrastiven Dialogâ habe sich das DDR-Fernsehen stĂ€ndig in Bezug auf das westdeutsche Pendant neu entworfen. Vor allem im Verlauf der 60er Jahre setzte die SED auf eine verstĂ€rkte Abgrenzung zur Bundesrepublik und initiierte zahlreiche Kampagnen gegen ein vermeintlich renazifiziertes Westdeutschland. TĂ€gliche Sendungen wie die Aktuelle Kamera oder das Telestudio West wurden von Albert Norden, Mitglied des PolitbĂŒros und Chefagitator des ZK, fest in den Dienst der Parteipropaganda gespannt und prĂ€sentierten dem ostdeutschen Fernsehpublikum teils erfundene, teils tatsĂ€chliche Beweise fĂŒr die NS-Belastung prominenter BundesbĂŒrger. Doch es waren nicht nur die dokumentarischen oder Nachrichtenformate, die den Blick auf personelle KontinuitĂ€ten in der Bundesrepublik lenken und damit auch die Entsorgung der eigenen NS-Vergangenheit forcieren sollten. PopulĂ€re Spielfilme wie Mord in Lwow (1960) oder Aktion J (1961) sollten ebenfalls dem eigenen Antifaschismus und der bundesrepublikanischen Renazifizierung neuen Ausdruck verleihen.
Der Leser erhĂ€lt mit dieser âProgrammgeschichte des DDR-Fernsehensâ damit einen tiefen Einblick nicht nur in die Mediengeschichte der DDR, sondern auch in die Beziehungsgeschichte der beiden deutschen Staaten. Die jedem Kapitel vorgeschalteten EinfĂŒhrungen und Organigramme sowie die ausfĂŒhrlichen Register im Anhang erhöhen zudem den Nutzwert des Bandes und verleihen ihm den Charakter eines Handbuches. Eine beigefĂŒgte DVD, die leider nicht enger mit den Analysen der einzelnen Kapitel verzahnt ist, macht darĂŒber hinaus einen kleinen Teil des Fernsehprogramms erfahrbar und hilft, die durch den kontrastreichen Einblick in den Fernsehalltag geweckte Neugier zu befriedigen.
geschrieben am 09.11.2008 | 499 Wörter | 3467 Zeichen
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