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Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin


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Rezension von

Bianka Walmroth-Capek

Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin Die Autoren Kathrin Passig und Sascha Lobo sind geübte Prokrastinierer. So nennt man Menschen mit Aufschieberitis oder Verschieberitis. Auch LOBO ist als Begriff geläufig, es steht für "Lifestyle of Bad Organisation" (Lebensstil der schlechten Organisation). Passig und Lobo stellen klar: Prokrastinierer leiden an ihrem Syndrom, sie sind nicht nur faul oder müssten mehr Selbstdisziplin üben. Das Buch ist in fünf Teile untergliedert. Zu Beginn erfährt der Leser Wissenswertes zum Thema, zu möglichen Ursachen und die Last mit dem schlechten Gewissen. Dabei wird deutlich: im gewissen Sinne ist dieses Buch auch ein "Antiratgeber". Es will den LOBO nicht mit fragwürdigen Ratschlägen belasten, seine Organisationsschwäche in den Griff zu kriegen. Denn die üblichen 139 einfachen Tipps und 56 Listensysteme für einen simplifizierten Alltag fruchten nicht. Den Ratsuchenden soll das Ein-Schritt-Verfahren helfen. Eine andere Haltung zu allen und allem ist das Mittel der Wahl. Die im Buch aufgeführten Tipps zu Organisation und Kommunikation sind nur ein Zusatznutzen. Im zweiten Teil widmen sich die Autoren dem Thema Arbeit. Psychologen haben untersucht, wieviel in verschiedenen Kulturen gearbeitet wird. Dabei entdeckten sie einen Zusammenhang zwischen dem Grad der Industriealisierung und dem Ausmaß an Freizeit. Je entwickelter ein Land ist, desto weniger freie Zeit haben seine Einwohner. Das schlechte Gewissen, an einem Tag, schon wieder nicht allzu viel gearbeitet zu haben, ist vielen Kulturen fremd. Grundlage des schlechten Gewissens ist das protestantische Arbeitsethos. Der Urvater der modernen Arbeitsauffassung war Huldrych Zwingli, den Passig und Lobo wie folgt charakterisieren: "Seine reformatorischen Bemühungen fußten auf einer talibanesken Gedankenwelt, die es an Freudlosigkeit mit jedem unbeleuchteten Vakuum aufnehmen kann." Dauernde Plackerei mit uninteressanten Tätigkeiten setzte Zwingli mit Gottesfurcht gleich. Prokrastinierer schieben weniger lange vor sich her, was für sie spannende Beschäftigung ist. Wie manche Menschen mehr unter Lärm leiden als andere, leiden sie mehr unter langweiligen Tätigkeiten. Von daher plädieren die Autoren dafür, unschöne Arbeit ganz aus dem Leben zu verbannen. Was ebenfalls ergebnisfördernd bei LOBOs wirkt, ist eine Begrenzung der Arbeitszeit. Diese hat auch positive Effekte auf Nicht-LOBOs. Eine US-Firma führte die 4-Tage-Woche ein, nachdem das Management festgestellt hatte, wie viel zügiger und zielstrebiger die Mitarbeiter dann ihre Aufgaben angehen. Die bewältigte Arbeitsmenge ist nicht kleiner, die Resultate sind nicht schlechter. Verschieben ist nicht Faulheit, wie Laien gerne glauben. Denn während man eine geplante Arbeit aufschiebt, erledigen sich andere Dinge dafür umso reibungsloser. Motivation ist durchaus da, nur nicht für das eigentlich Anstehende. So werden dann lange verschobene Dinge erledigt, z.B. die Post bearbeitet statt die Diplomarbeit geschrieben. Diesen Effekt sollten geübte Prokrastinierer nutzen. Beispielsweise kann man sich einreden, unwichtige Dinge sollten jetzt sofort getan werden. Dies führt wahrscheinlich zum Angehen der wichtigen Aufgabe. Philosophisch weise erläutern die Autoren, wie bei Nichtbearbeitung eines Projekts im Hintergrund Prozesse ablaufen können, die die Arbeit voranbringen. Und man kann sich auch mit zu viel Planung davon abhalten, das Geplante einmal zu beginnen. Der dritte Teil handelt Prokrastination im Alltag ab. Passig und Lobo weisen auf die erhöhten Anforderungen an die Haushaltsführung hin, im Gegensatz zu der Zeit, als die Menschen noch nicht so viel Besitz zu verwalten hatten. Zur Not sollte man eine Putzhilfe einstellen. Gute Tipps für Ratsuchende geben die Autoren im vierten Teil, "Abhilfe". Für steuerliche Angelegenheiten empfiehlt sich für LOBOs eine Steuerberatung. Damit regelmäßige Überweisungen nicht vergessen werden, sollten Daueraufträge eingerichtet werden. Wenn einem das zeitnahe Bearbeiten der Post schwerfällt, kann man eventuell einen Bekannten darum bitten und ihm im Gegenzug das Erledigen seiner Post anbieten usw. Es gibt Tipps zur Impulskontrolle und einen Abschnitt über die Wirkung von Ritalin, ein Medikament u.a. zur Behandlung von ADS, dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Bei der Arbeit kann man um eine Deadline bitten. Richtig gehandhabt sind Deadlines ein gutes Hilfsmittel für Prokrastinierer. Schließlich erläutern die Autoren noch das Verwenden von Ausreden. Sie weisen dabei auf das Ziel dieses Buches hin, Ausreden überflüssig zu machen, weil man sich sein Leben passend zu seiner individuellen Schwierigkeit einrichtet. Zu guter Letzt gibt es noch einen Manierenratgeber für LOBOs, damit sie ihre Umwelt nicht zu sehr in Umstände bringen. Es folgt ein Absatz für Nicht-LOBOs, wie man mit Verschiebern umgehen sollte. Seit einiger Zeit nehmen sich Psychologen des Themas Prokrastination an. Diverse Bücher auf dem Markt geben die üblichen Ratschläge: Sich das Erledigen der Arbeit vorstellen, die Aufgabe in kleinere Schritte unterteilen, damit man auch kleine Zeiteinheiten pro Tag nutzt usw. Das unterhaltsame "Dinge geregelt kriegen" gibt dem Leser durchaus neue Impulse. Was man nicht ändern kann, sollte man lassen. Oft ist es sinnvoller, mit der Unzulänglichkeit umzugehen lernen. Zählt man zu den Nicht-LOBOs, schlägt sich aber mit anderen Sorgen herum, kann man ggf. die Ratschläge für sich abwandeln. Der Unterhaltungswert des Buches lässt einen über den nicht ganz so sichtbaren roten Faden hinwegsehen.

Die Autoren Kathrin Passig und Sascha Lobo sind geübte Prokrastinierer. So nennt man Menschen mit Aufschieberitis oder Verschieberitis. Auch LOBO ist als Begriff geläufig, es steht für "Lifestyle of Bad Organisation" (Lebensstil der schlechten Organisation). Passig und Lobo stellen klar: Prokrastinierer leiden an ihrem Syndrom, sie sind nicht nur faul oder müssten mehr Selbstdisziplin üben.

Das Buch ist in fünf Teile untergliedert. Zu Beginn erfährt der Leser Wissenswertes zum Thema, zu möglichen Ursachen und die Last mit dem schlechten Gewissen. Dabei wird deutlich: im gewissen Sinne ist dieses Buch auch ein "Antiratgeber". Es will den LOBO nicht mit fragwürdigen Ratschlägen belasten, seine Organisationsschwäche in den Griff zu kriegen. Denn die üblichen 139 einfachen Tipps und 56 Listensysteme für einen simplifizierten Alltag fruchten nicht. Den Ratsuchenden soll das Ein-Schritt-Verfahren helfen. Eine andere Haltung zu allen und allem ist das Mittel der Wahl. Die im Buch aufgeführten Tipps zu Organisation und Kommunikation sind nur ein Zusatznutzen.

Im zweiten Teil widmen sich die Autoren dem Thema Arbeit. Psychologen haben untersucht, wieviel in verschiedenen Kulturen gearbeitet wird. Dabei entdeckten sie einen Zusammenhang zwischen dem Grad der Industriealisierung und dem Ausmaß an Freizeit. Je entwickelter ein Land ist, desto weniger freie Zeit haben seine Einwohner. Das schlechte Gewissen, an einem Tag, schon wieder nicht allzu viel gearbeitet zu haben, ist vielen Kulturen fremd. Grundlage des schlechten Gewissens ist das protestantische Arbeitsethos. Der Urvater der modernen Arbeitsauffassung war Huldrych Zwingli, den Passig und Lobo wie folgt charakterisieren: "Seine reformatorischen Bemühungen fußten auf einer talibanesken Gedankenwelt, die es an Freudlosigkeit mit jedem unbeleuchteten Vakuum aufnehmen kann." Dauernde Plackerei mit uninteressanten Tätigkeiten setzte Zwingli mit Gottesfurcht gleich.

Prokrastinierer schieben weniger lange vor sich her, was für sie spannende Beschäftigung ist. Wie manche Menschen mehr unter Lärm leiden als andere, leiden sie mehr unter langweiligen Tätigkeiten. Von daher plädieren die Autoren dafür, unschöne Arbeit ganz aus dem Leben zu verbannen. Was ebenfalls ergebnisfördernd bei LOBOs wirkt, ist eine Begrenzung der Arbeitszeit. Diese hat auch positive Effekte auf Nicht-LOBOs. Eine US-Firma führte die 4-Tage-Woche ein, nachdem das Management festgestellt hatte, wie viel zügiger und zielstrebiger die Mitarbeiter dann ihre Aufgaben angehen. Die bewältigte Arbeitsmenge ist nicht kleiner, die Resultate sind nicht schlechter.

Verschieben ist nicht Faulheit, wie Laien gerne glauben. Denn während man eine geplante Arbeit aufschiebt, erledigen sich andere Dinge dafür umso reibungsloser. Motivation ist durchaus da, nur nicht für das eigentlich Anstehende. So werden dann lange verschobene Dinge erledigt, z.B. die Post bearbeitet statt die Diplomarbeit geschrieben. Diesen Effekt sollten geübte Prokrastinierer nutzen. Beispielsweise kann man sich einreden, unwichtige Dinge sollten jetzt sofort getan werden. Dies führt wahrscheinlich zum Angehen der wichtigen Aufgabe. Philosophisch weise erläutern die Autoren, wie bei Nichtbearbeitung eines Projekts im Hintergrund Prozesse ablaufen können, die die Arbeit voranbringen. Und man kann sich auch mit zu viel Planung davon abhalten, das Geplante einmal zu beginnen.

Der dritte Teil handelt Prokrastination im Alltag ab. Passig und Lobo weisen auf die erhöhten Anforderungen an die Haushaltsführung hin, im Gegensatz zu der Zeit, als die Menschen noch nicht so viel Besitz zu verwalten hatten. Zur Not sollte man eine Putzhilfe einstellen.

Gute Tipps für Ratsuchende geben die Autoren im vierten Teil, "Abhilfe". Für steuerliche Angelegenheiten empfiehlt sich für LOBOs eine Steuerberatung. Damit regelmäßige Überweisungen nicht vergessen werden, sollten Daueraufträge eingerichtet werden. Wenn einem das zeitnahe Bearbeiten der Post schwerfällt, kann man eventuell einen Bekannten darum bitten und ihm im Gegenzug das Erledigen seiner Post anbieten usw. Es gibt Tipps zur Impulskontrolle und einen Abschnitt über die Wirkung von Ritalin, ein Medikament u.a. zur Behandlung von ADS, dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Bei der Arbeit kann man um eine Deadline bitten. Richtig gehandhabt sind Deadlines ein gutes Hilfsmittel für Prokrastinierer. Schließlich erläutern die Autoren noch das Verwenden von Ausreden. Sie weisen dabei auf das Ziel dieses Buches hin, Ausreden überflüssig zu machen, weil man sich sein Leben passend zu seiner individuellen Schwierigkeit einrichtet.

Zu guter Letzt gibt es noch einen Manierenratgeber für LOBOs, damit sie ihre Umwelt nicht zu sehr in Umstände bringen. Es folgt ein Absatz für Nicht-LOBOs, wie man mit Verschiebern umgehen sollte.

Seit einiger Zeit nehmen sich Psychologen des Themas Prokrastination an. Diverse Bücher auf dem Markt geben die üblichen Ratschläge: Sich das Erledigen der Arbeit vorstellen, die Aufgabe in kleinere Schritte unterteilen, damit man auch kleine Zeiteinheiten pro Tag nutzt usw. Das unterhaltsame "Dinge geregelt kriegen" gibt dem Leser durchaus neue Impulse. Was man nicht ändern kann, sollte man lassen. Oft ist es sinnvoller, mit der Unzulänglichkeit umzugehen lernen. Zählt man zu den Nicht-LOBOs, schlägt sich aber mit anderen Sorgen herum, kann man ggf. die Ratschläge für sich abwandeln. Der Unterhaltungswert des Buches lässt einen über den nicht ganz so sichtbaren roten Faden hinwegsehen.

geschrieben am 03.12.2008 | 776 Wörter | 4790 Zeichen

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