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Suhrkamp BasisBiographien: Andy Warhol


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Andy Warhol »Wer alles über Andy Warhol wissen will, braucht nur die Oberfläche anzusehen: die meiner Bilder und Filme und von mir, und das bin ich. Da ist nichts dahinter«, sagte die Ikone der Pop-Art über sich selbst. Unweigerlich erinnert ist man an Karl Lagerfeld. Als Johannes B. Kerner diesen in seiner Sendung bat, doch einmal seine Sonnenbrille abzunehmen, damit die Zuschauer sehen könnten, wer denn tatsächlich dahinter stecke, lehnte Lagerfeld dies ab: Das, was Sie hier sehen, ist Karl Lagerfeld. Das hat zu genügen. Das Leben führen in der Moderne. In einer anmaßenden Welt, die verlangt, alles von einem wissen zu wollen; - obwohl sie doch kaum etwas versteht. Warhol und Lagerfeld haben beide auf ihre eigene Weise klargestellt, dass sie der Gesellschaft nichts weiter zu zeigen bereit sind als das Label, das ihren Namen trägt. Die Parallelen liegen tief. Warhol wie Lagerfeld sind absolute Personen der Zeitgeschichte, wie die Juristen dieses Phänomen so schön ausdrücken. Sie stehen unter permanenter medialer Beobachtung; - und sie geben der Öffentlichkeit das Gefühl, ihren Voyeurismus zu befriedigen. In Wahrheit ist Lagerfeld ein bekennender Einzelgänger. Der Dandy verkleidet sein vivre masqué in ein schalkhaftes Spiel: Keiner kennt mich wirklich. Nicht einmal ich. Ich habe mich nur gewöhnt an meine Gesellschaft. Andy Warhol stand inmitten eines Kreises von Partygästen, die ihn umlagerten und zu Äußerungen zu allem Möglichen drängten. Er jedoch nahm nur wahr. Er ließ sich nicht mitreißen in diesen Malstrom aus Zeitgeist und vergänglicher Aufregung. Stattdessen nutzte er sein Talent, um der oberflächlichen und hedonistischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen anarchistischen Spiegel vorzuhalten. Die Kulturredakteurin Annette Spohn bringt uns diese außergewöhnliche Person näher, bei deren Charakterisierung sich die meisten Worte als abgenutzt erweisen: schillernd, eitel, ehrgeizig, schwul?. Ihre Suhrkamp Basisbiographie ist unterteilt in die drei Bereiche Leben, Werk und Wirkung. Gerade bei Warhol bietet sich diese Trennung an, war doch die Auswirkung seiner Kunst phänomenal. Andrew Warhola wurde am 6. August 1928 in Pittsburgh geboren. Sein Vater war erst 1913, die Mutter acht Jahre danach aus der heutigen Slowakei ausgewandert. 1945 bis 1949 studierte er »pictorial design«, um dann zu versuchen, als Künstler reich und berühmt zu werden. Eines seiner erstrebten Vorbilder dabei war Truman Capote: ebenfalls homosexuell und bereits zu dieser Zeit bekannt und vermögend. 1949 übersiedelte er nach New York, da er glaubte, nur hier den durchschlagenden Erfolg haben zu können. Warhol begann als Werbegrafiker und Gestalter von Buch-Covern. Im Rahmen seiner künstlerischen Produktion entdeckte er 1962 den Fotosiebdruck. Dieses Verfahren, ihm von seinem Assistenten nahegebracht, erlaubte es ihm, noch schneller und vor allem serieller zu produzieren. Er konnte so nicht nur eine sich andeutende Marktnachfrage befriedigen. Er konnte den riesigen Hype auf seine Kunst selbst regelrecht erzeugen. Die Beliebigkeit, Oberflächlichkeit und Erinnerungslosigkeit seiner Drucke machte er durch die Auswahl der Vorlagen deutlich. Die ersten Siebdrucke Warhols waren Filmstar-Photos aus seiner Kindheit. Dass Kunst keinerlei Authentizität zu beanspruchen habe, machte Warhol dadurch klar, dass zunehmend Assistenten die Drucke selbständig ausführten und dennoch sein Sigel darunter setzten. Damit war auch eines der Prinzipien seiner späteren Factory definiert. Heute weiß man nicht, welches der tausenden Photos im Nachlass von Warhol ist. Die meisten sind wohl von Leuten aus seinem Umfeld. Mit der gleichen Einstellung ging Warhol an seine Film-Projekte heran. »Sleep« ist ein sechsstündiger Film ohne Schnitt, dessen Handlung darin besteht, seinen Freund beim Schlafen im Bett zu beobachten. Manchmal fährt die Kamera an dessen Körper entlang. »Wenn nichts passiert, hat man die Möglichkeit, über alles nachzudenken«, kommentierte Warhol lakonisch. Eine Reihe ähnlicher Filme drehte Warhol in der Folge, alle ohne Drehbuch, der Schauspieler war seiner Improvisation überlassen. Warhol spitzte die Konsumgewohnheiten der Massenkultur zu: »Ich machte meine ersten Filme mit nur einem Schauspieler, der mehrere Stunden lang das gleiche tat: Essen oder Rauchen oder Schlafen. Das machte ich, weil die meisten nur uns Kino gehen, um den Star zu sehen, ihn aufzufressen, so hat man hier endlich die Möglichkeit, solange man Lust hat, nur den Star anzugucken. Es war aber auch einfacher zu drehen.« Warhol machte alles zur Serie: So gab es 1981, sechs Jahre vor Warhols Tod, die vierte Factory. Er selbst ließ sich gern doubeln; ob bei einer Pressekonferenz oder anderen öffentlichen Gelegenheiten und negierte damit den Anspruch der Allgemeinheit auf seine Seele. Annette Spohn bringt uns Warhol näher: in seiner Selbst-Auflösung als Dandyismus im sinnentleerten Massenzeitalter.

»Wer alles über Andy Warhol wissen will, braucht nur die Oberfläche anzusehen: die meiner Bilder und Filme und von mir, und das bin ich. Da ist nichts dahinter«, sagte die Ikone der Pop-Art über sich selbst. Unweigerlich erinnert ist man an Karl Lagerfeld. Als Johannes B. Kerner diesen in seiner Sendung bat, doch einmal seine Sonnenbrille abzunehmen, damit die Zuschauer sehen könnten, wer denn tatsächlich dahinter stecke, lehnte Lagerfeld dies ab: Das, was Sie hier sehen, ist Karl Lagerfeld. Das hat zu genügen.

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Das Leben führen in der Moderne. In einer anmaßenden Welt, die verlangt, alles von einem wissen zu wollen; - obwohl sie doch kaum etwas versteht. Warhol und Lagerfeld haben beide auf ihre eigene Weise klargestellt, dass sie der Gesellschaft nichts weiter zu zeigen bereit sind als das Label, das ihren Namen trägt. Die Parallelen liegen tief. Warhol wie Lagerfeld sind absolute Personen der Zeitgeschichte, wie die Juristen dieses Phänomen so schön ausdrücken. Sie stehen unter permanenter medialer Beobachtung; - und sie geben der Öffentlichkeit das Gefühl, ihren Voyeurismus zu befriedigen. In Wahrheit ist Lagerfeld ein bekennender Einzelgänger. Der Dandy verkleidet sein vivre masqué in ein schalkhaftes Spiel: Keiner kennt mich wirklich. Nicht einmal ich. Ich habe mich nur gewöhnt an meine Gesellschaft.

Andy Warhol stand inmitten eines Kreises von Partygästen, die ihn umlagerten und zu Äußerungen zu allem Möglichen drängten. Er jedoch nahm nur wahr. Er ließ sich nicht mitreißen in diesen Malstrom aus Zeitgeist und vergänglicher Aufregung. Stattdessen nutzte er sein Talent, um der oberflächlichen und hedonistischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen anarchistischen Spiegel vorzuhalten.

Die Kulturredakteurin Annette Spohn bringt uns diese außergewöhnliche Person näher, bei deren Charakterisierung sich die meisten Worte als abgenutzt erweisen: schillernd, eitel, ehrgeizig, schwul?. Ihre Suhrkamp Basisbiographie ist unterteilt in die drei Bereiche Leben, Werk und Wirkung. Gerade bei Warhol bietet sich diese Trennung an, war doch die Auswirkung seiner Kunst phänomenal.

Andrew Warhola wurde am 6. August 1928 in Pittsburgh geboren. Sein Vater war erst 1913, die Mutter acht Jahre danach aus der heutigen Slowakei ausgewandert. 1945 bis 1949 studierte er »pictorial design«, um dann zu versuchen, als Künstler reich und berühmt zu werden. Eines seiner erstrebten Vorbilder dabei war Truman Capote: ebenfalls homosexuell und bereits zu dieser Zeit bekannt und vermögend. 1949 übersiedelte er nach New York, da er glaubte, nur hier den durchschlagenden Erfolg haben zu können. Warhol begann als Werbegrafiker und Gestalter von Buch-Covern. Im Rahmen seiner künstlerischen Produktion entdeckte er 1962 den Fotosiebdruck. Dieses Verfahren, ihm von seinem Assistenten nahegebracht, erlaubte es ihm, noch schneller und vor allem serieller zu produzieren. Er konnte so nicht nur eine sich andeutende Marktnachfrage befriedigen. Er konnte den riesigen Hype auf seine Kunst selbst regelrecht erzeugen. Die Beliebigkeit, Oberflächlichkeit und Erinnerungslosigkeit seiner Drucke machte er durch die Auswahl der Vorlagen deutlich. Die ersten Siebdrucke Warhols waren Filmstar-Photos aus seiner Kindheit. Dass Kunst keinerlei Authentizität zu beanspruchen habe, machte Warhol dadurch klar, dass zunehmend Assistenten die Drucke selbständig ausführten und dennoch sein Sigel darunter setzten. Damit war auch eines der Prinzipien seiner späteren Factory definiert. Heute weiß man nicht, welches der tausenden Photos im Nachlass von Warhol ist. Die meisten sind wohl von Leuten aus seinem Umfeld.

Mit der gleichen Einstellung ging Warhol an seine Film-Projekte heran. »Sleep« ist ein sechsstündiger Film ohne Schnitt, dessen Handlung darin besteht, seinen Freund beim Schlafen im Bett zu beobachten. Manchmal fährt die Kamera an dessen Körper entlang. »Wenn nichts passiert, hat man die Möglichkeit, über alles nachzudenken«, kommentierte Warhol lakonisch. Eine Reihe ähnlicher Filme drehte Warhol in der Folge, alle ohne Drehbuch, der Schauspieler war seiner Improvisation überlassen. Warhol spitzte die Konsumgewohnheiten der Massenkultur zu: »Ich machte meine ersten Filme mit nur einem Schauspieler, der mehrere Stunden lang das gleiche tat: Essen oder Rauchen oder Schlafen. Das machte ich, weil die meisten nur uns Kino gehen, um den Star zu sehen, ihn aufzufressen, so hat man hier endlich die Möglichkeit, solange man Lust hat, nur den Star anzugucken. Es war aber auch einfacher zu drehen.«

Warhol machte alles zur Serie: So gab es 1981, sechs Jahre vor Warhols Tod, die vierte Factory. Er selbst ließ sich gern doubeln; ob bei einer Pressekonferenz oder anderen öffentlichen Gelegenheiten und negierte damit den Anspruch der Allgemeinheit auf seine Seele.

Annette Spohn bringt uns Warhol näher: in seiner Selbst-Auflösung als Dandyismus im sinnentleerten Massenzeitalter.

geschrieben am 01.05.2008 | 718 Wörter | 4275 Zeichen

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