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Eduard von Hartmann – Ein Philosoph der Gründerzeit


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Rezension von

Daniel Bigalke

Eduard von Hartmann – Ein Philosoph der Gründerzeit Eduard von Hartmann gehört zu den vergessenen Philosophen. Das Interesse für seine Schriften ist gesunken. – Aber generell ist es ja oft so, daß unterschätzte und vergessene Philosophen dadurch an Reiz gewinnen, daß sie vernachlässigt wurden. Es geht darum, den Grund dafür ausfindig zu machen. Dieser liegt oftmals in schwer verständlichen oder verkannten Schriften, deren Gehalt es aber in sich hat und dessen Brisanz oftmals für ein Vergessen sorgte. Dies läßt sich auch für Hartmann sagen. Er begann einst sein Hauptwerk „Philosophie des Unbewußten“ (1869) in zwei Bänden mit den Worten: „Ueber den allgemeinen Standpunkt eines philosophischen Systems wird man am leichtesten, schnellsten und sichersten orientirt, wenn derselbe mit den Standpunkten anderer Systeme verglichen wird und seine Aehnlichkeiten und Unterschiede aufgezeigt werden.“ (Philosophie des Unbewußten, 1923, Band 1, S. V) Und Hartmann stand in der Tat zwischen den Systemen Schopenhauers und Hegels. Er nannte seinen Standpunkt einen die Extreme der logischen Idee (Hegel) und des blinden Willens (Schopenhauer) in der Einheit des „Unbewußten“, das „Wille und Vorstellung“ sei, aufhebenden Monismus. Das „Unbewußte“ ist für sein System analog zu Spinozas „Substanz“ oder Fichtes „absolutes Ich“ sowie Hegels „Idee“ zu verstehen. Hartmann wird damit zum Vermittler von Philosophen, deren Vermittlung untereinander klischeebehaftet für unmöglich schien, zumal z.B. Schopenhauer die Kontroverse mit Hegel intensiv kultivierte. Allein dies macht den Charakter Hartmanns und seiner Schriften spannend. Der vorliegende Band enthält Kommentare zu seiner Philosophie, insbesondere zur Ethik, Sozial- und Religionsphilosophie, zur Kategorienlehre und zur Metaphysik. Ein eigenes Kapitel verdient Hartmanns geistreiche Kritik an Schopenhauer (97ff.), die völlig zurecht veranschaulicht, daß der kultivierte Dualismus Hegel – Schopenhauer von Hartmann erfolgreich vermieden wurde und wobei er Schopenhauer sinnvoll für seine eigenen systematischen Gedanken nutzt. Die Ideenlehre kompensiert für ihn die einseitige schopenhauerische Willensmetaphysik. Der Band beinhaltet insgesamt zwölf Einzelstudien zu zentralen Aspekten hartmannscher Philosophie (Pessimismus, Mitgefühl, Freiheit, Willensfreiheit). Der Aufsatz zur Schopenhauer – Kritik leitet über zu den zwei zusammengehörigen Artikeln über Metaphysik (127ff.) und Kategorien (149ff.). Den Anschauungen von Hartmanns zur Selbstzersetzung des Christentums (165) und zur Religion des Geistes werden zwei Aufsätze gewidmet, die restlichen drei (Antisemitismus, Das Gefängnis der Zukunft, Die sozialen Kernfragen) beschäftigen sich mit politischen und gesellschaftlichen Ansichten von Hartmanns, die dieser ja immer wieder artikuliert hat. Hervorzuheben ist die Studie zur Selbstzersetzung des Christentums, von der man annehmen mußte, daß Hartmann die Religionskritik von Feuerbach fortsetzt. Dem ist nicht so. Ihm geht es vielmehr um den Nachweis, daß ein Stellvertreter Gottes die Probleme einer Beziehung zwischen Gott und Mensch nicht lösen könne. Einem Pantheismus steht damit der Weg offen, in dem ein stellvertreternder Vermittler Gottes hinfällig wird. Das Buch bietet damit eine vortreffliche Einführung in das philosophische Werk Hartmanns, welches bisher vollends unter dem Dualismus Hegel – Schopenhauer begraben wurde. So ist es reizvoll zu sehen, wie Hartmanns Ansichten von einem heutigen Gesichtspunkt aus beurteilt werden. Der Autor übt dabei an den philosophischen Ansichten von Hartmann Kritik, spart aber auch nicht an Anerkennung. Das macht diese Studie authentisch, denn wir haben hier keine bloße Apologie vorliegen. Den Schluss des ersten Wolfschen Buches bilden zwei Studien zu sozialen und gesellschaftlichen Fragen, wobei der Autor wieder auf eine gewisse Zwiespältigkeit bei von Hartmann hinweist und dessen Verhaftetsein in die Zustände und Anschauungen des Bismarckreiches. Wolf bilanziert: „Hartmanns konservativer Perfektionismus steht im offenen Widerspruch zum liberalen Individualismus oder zu einer liberalen Variante des Perfektionismus.“ (231) Eduard von Hartmann - beurteilt nach seinen eigenen Kriterien (empirische Kenntnisse, spekulative Kraft und philosophiegeschichtliche Selbstpositionierung) - verdient auch heute noch Beachtung. Das vorliegende Buch trägt dieser Perspektive erfolgreich Rechnung.

Eduard von Hartmann gehört zu den vergessenen Philosophen. Das Interesse für seine Schriften ist gesunken. – Aber generell ist es ja oft so, daß unterschätzte und vergessene Philosophen dadurch an Reiz gewinnen, daß sie vernachlässigt wurden. Es geht darum, den Grund dafür ausfindig zu machen. Dieser liegt oftmals in schwer verständlichen oder verkannten Schriften, deren Gehalt es aber in sich hat und dessen Brisanz oftmals für ein Vergessen sorgte. Dies läßt sich auch für Hartmann sagen. Er begann einst sein Hauptwerk „Philosophie des Unbewußten“ (1869) in zwei Bänden mit den Worten: „Ueber den allgemeinen Standpunkt eines philosophischen Systems wird man am leichtesten, schnellsten und sichersten orientirt, wenn derselbe mit den Standpunkten anderer Systeme verglichen wird und seine Aehnlichkeiten und Unterschiede aufgezeigt werden.“ (Philosophie des Unbewußten, 1923, Band 1, S. V) Und Hartmann stand in der Tat zwischen den Systemen Schopenhauers und Hegels. Er nannte seinen Standpunkt einen die Extreme der logischen Idee (Hegel) und des blinden Willens (Schopenhauer) in der Einheit des „Unbewußten“, das „Wille und Vorstellung“ sei, aufhebenden Monismus. Das „Unbewußte“ ist für sein System analog zu Spinozas „Substanz“ oder Fichtes „absolutes Ich“ sowie Hegels „Idee“ zu verstehen. Hartmann wird damit zum Vermittler von Philosophen, deren Vermittlung untereinander klischeebehaftet für unmöglich schien, zumal z.B. Schopenhauer die Kontroverse mit Hegel intensiv kultivierte. Allein dies macht den Charakter Hartmanns und seiner Schriften spannend.

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Der vorliegende Band enthält Kommentare zu seiner Philosophie, insbesondere zur Ethik, Sozial- und Religionsphilosophie, zur Kategorienlehre und zur Metaphysik. Ein eigenes Kapitel verdient Hartmanns geistreiche Kritik an Schopenhauer (97ff.), die völlig zurecht veranschaulicht, daß der kultivierte Dualismus Hegel – Schopenhauer von Hartmann erfolgreich vermieden wurde und wobei er Schopenhauer sinnvoll für seine eigenen systematischen Gedanken nutzt. Die Ideenlehre kompensiert für ihn die einseitige schopenhauerische Willensmetaphysik. Der Band beinhaltet insgesamt zwölf Einzelstudien zu zentralen Aspekten hartmannscher Philosophie (Pessimismus, Mitgefühl, Freiheit, Willensfreiheit). Der Aufsatz zur Schopenhauer – Kritik leitet über zu den zwei zusammengehörigen Artikeln über Metaphysik (127ff.) und Kategorien (149ff.). Den Anschauungen von Hartmanns zur Selbstzersetzung des Christentums (165) und zur Religion des Geistes werden zwei Aufsätze gewidmet, die restlichen drei (Antisemitismus, Das Gefängnis der Zukunft, Die sozialen Kernfragen) beschäftigen sich mit politischen und gesellschaftlichen Ansichten von Hartmanns, die dieser ja immer wieder artikuliert hat. Hervorzuheben ist die Studie zur Selbstzersetzung des Christentums, von der man annehmen mußte, daß Hartmann die Religionskritik von Feuerbach fortsetzt. Dem ist nicht so. Ihm geht es vielmehr um den Nachweis, daß ein Stellvertreter Gottes die Probleme einer Beziehung zwischen Gott und Mensch nicht lösen könne. Einem Pantheismus steht damit der Weg offen, in dem ein stellvertreternder Vermittler Gottes hinfällig wird.

Das Buch bietet damit eine vortreffliche Einführung in das philosophische Werk Hartmanns, welches bisher vollends unter dem Dualismus Hegel – Schopenhauer begraben wurde. So ist es reizvoll zu sehen, wie Hartmanns Ansichten von einem heutigen Gesichtspunkt aus beurteilt werden. Der Autor übt dabei an den philosophischen Ansichten von Hartmann Kritik, spart aber auch nicht an Anerkennung. Das macht diese Studie authentisch, denn wir haben hier keine bloße Apologie vorliegen. Den Schluss des ersten Wolfschen Buches bilden zwei Studien zu sozialen und gesellschaftlichen Fragen, wobei der Autor wieder auf eine gewisse Zwiespältigkeit bei von Hartmann hinweist und dessen Verhaftetsein in die Zustände und Anschauungen des Bismarckreiches. Wolf bilanziert: „Hartmanns konservativer Perfektionismus steht im offenen Widerspruch zum liberalen Individualismus oder zu einer liberalen Variante des Perfektionismus.“ (231) Eduard von Hartmann - beurteilt nach seinen eigenen Kriterien (empirische Kenntnisse, spekulative Kraft und philosophiegeschichtliche Selbstpositionierung) - verdient auch heute noch Beachtung. Das vorliegende Buch trägt dieser Perspektive erfolgreich Rechnung.

geschrieben am 14.05.2008 | 580 Wörter | 3778 Zeichen

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